„Der Duft des Todes“: Wie ein Tatortreiniger in Freiburg saubermacht Szene | 20.03.2019 | Till Neumann

Die preisgekrönte Serie „Der Tatortreiniger“ ist urkomisch. Doch die Realität sieht anders aus. Das zeigt die Begleitung eines echten Tatortreinigers im Quartier Vauban. Er hat den Auftrag, eine Wohnung zu säubern. Ein Mann saß dort wochenlang tot auf dem Sofa. Was der Redakteur nur schwer ertragen kann, ist für Profi Patrick Erhardt ein eher harmloser Fall.

„Keine Sorge, es ist nicht schlimm dieses Mal“, sagt Patrick Erhardt. Er öffnet die Tür einer Dreizimmerwohnung in der Vauban. Es riecht nach abgestandener Luft, Schmutz und Verwesung. „Der süße Duft des Todes“, sagt der Tatortreiniger ernst. Im September ist hier ein 70-Jähriger gestorben. „Er saß zwei bis drei Monate tot auf dem Sofa“, erklärt Erhardt. Monatelang wurde die Wohnung seitdem nicht betreten – versiegelt von der Polizei.

Auch wenn die Leiche weg ist, die Spuren sind fast ein halbes Jahr nach dem einsamen Ableben noch da. Auf dem Sofa zeichnen braune Stellen die Form eines Körpers nach. Auch Umrisse des Kopfes sind zu erkennen. Auf dem Boden liegt eine schwarze Fußmatte. Auf ihr und am Tischbein daneben sind kleine Fetzen zu sehen. „Wahrscheinlich Hautreste“, sagt Erhardt. Er geht von einem natürlichen Tod aus, kennt die Hintergründe aber nicht. Er hat lediglich den Auftrag bekommen, zu säubern. Die Suche nach einem Erben des Verstorbenen läuft noch.

Saubermachen: Patrick Erhardt desinfiziert den Boden.

Da Erhardt immer mit dem Schlimmsten rechnen muss, hat er Atemmasken dabei. Heute gehe es ohne. Gegenstände berühren solle man aus Hygienegründen nicht. „Sieht so aus, als hätte die Person ihr Leben nicht mehr auf die Reihe bekommen“, sagt Erhardt. Als Erstes macht er die Balkontüren auf. Frische Luft zieht über die geschmierten Brote, die neben einem leeren Joghurtbecher auf dem Wohnzimmertisch liegen. Auf dem Sofa liegt eine TV-Zeitschrift. „Die Seite vom 14. September ist aufgeschlagen, ein Indikator für den ungefähren Todeszeitpunkt“, sagt Erhardt. Ein bisschen Detektiv zu spielen ist Teil seiner Arbeit. Einiges erfahre er über die Verstorbenen anhand kleiner Details. „Man bekommt mit, wie Menschen gelebt haben, das ist spannend.“

Rund zehn solcher Aufträge erreichen den Denzlinger jährlich. „Ekel habe ich nicht mehr, man gewöhnt sich daran“, sagt der Chef von „Tatortreinigung Erhardt“. Sein Auftrag heute: Alles wegräumen, was stinkt und kontaminiert ist. Lebensmittel, Tisch, Sofa, Teppich, Geschirr … Zum Glück seien keine Fliegen und Maden da. Sein Ziel: „Wenn die Erben zum ersten Mal die Wohnung betreten, soll sie nicht der Schlag treffen.“

Auf der Couch sind Spuren des Toten zu sehen.

Den extremsten Fall erlebte er nach dem Tod einer übergewichtigen Frau. „Sie ist eine Zeit lang auf Zeitungen in ihrer Wohnung gelegen, das Papier hat richtig getropft vom Körperfett.“ Auf seinem Smartphone zeigt er Bilder der Einsatzorte. Neben Wohnungen sind das auch öffentliche Toiletten. Oft sind dunkle Flecken zu sehen: „Das Blut wird schwarz mit der Zeit“, erklärt Erhardt.

Die Couch trägt er mit helfenden Händen ins Freie. Lebensmittel werden in blauen Müllsäcken gesammelt. Dann schneidet er den betroffenen Teil des Teppichs aus und legt den Boden frei.
„Wir haben Glück, das ist PVC, der lässt keine Feuchtigkeit durch“, sagt Erhardt. Wäre der nicht drunter, wäre der Estrich nass. Dann müsse aufwendig getrocknet werden. „Wenn jemand in der Wohnung gestorben ist, muss man eine Kernsanierung machen, der Geruch setzt sich überall fest“, erklärt Erhardt. Jetzt geht’s ans Desinfizieren. „Das ist richtige Handarbeit“, sagt Erhardt und scheuert den Boden. Über seinen Schuhen sind blaue Schutzhüllen. Sein Anzug ist schwarz, das Gesicht bedeckt eine weiße Atemmaske. Ob er den Job gerne macht? „Ja, es ist immer wieder was Neues. Und die Leute sind froh, wenn wir kommen.“

Einsam verstorben: Wochenlang saß ein Toter auf dem Sofa. Ein Teddybär liegt in seinem Bett.

Im Gegensatz zur TV-Serie hat Erhardt keine witzigen Begegnungen. In den Wohnungen ist er alleine. Einzig ein riesiger Teddybär ist heute da – er liegt im Bett des Toten. Die Unterschiede zur Serie kennt Erhardt nicht. Er hat keine einzige Folge davon gesehen.

Zu dem Job kam er durch Zufall. Ein Hausmeister-Kollege weigerte sich vor einigen Jahren, eine Wohnung mit Todesfall zu putzen. Erhardt sagte: Dann mache ich es. Und zwar richtig. Er qualifizierte sich weiter zum Tatortreiniger und lernte, professionell zu desinfizieren. Bei Einsätzen findet er auch Spektakuläres: Wertgegenstände in Schubladen, ein Testament im Mülleimer oder kiloweise giftiges Arsen. Alles Relevante sammelt er und gibt es den Angehörigen. „Vertrauen ist wichtig“, sagt Erhardt. Lieber ein Karton zu viel, als voreilig etwas wegzuwerfen.

Mittlerweile ist die Wohnung sauber. Nach rund 120 Minuten hat er seinen Dienst gemacht. Kein Job wie jeder andere. Aber einer, der gemacht werden muss.

Fotos: © Till Neumann