„Völlige Verhöhnung“: Hanfnah-Betreiber verurteilt – ohne Strafe STADTGEPLAUDER | 21.06.2020 | Till Neumann

Hanf

Das Urteil ist mild. Abgeschlossen ist der Fall nicht. Der Freiburger Hanfhändler Tobias Pietsch hat für den Verkauf von CBD-Produkten eine Bewährungsstrafe bekommen, die kaum eine ist. Gegängelt fühlt er sich trotzdem.

„Der Angeklagte hat sich strafbar gemacht, wird aber nicht bestraft.“ Das sagte Richterin Julia Pfizenmaier Ende Mai im Amtsgericht Freiburg. Ihr überraschendes Urteil: Tobias Pietsch muss 50 Tagessätze zu je 40 Euro zahlen – aber nur, wenn er im kommenden Jahr straffällig wird.

Die Staatsanwaltschaft hatte eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten gefordert. Und sie hat bereits Berufung eingelegt. Auch Pietsch tut das. Der 36-Jährige mit Hanfnah-Shops in Lahr, Freiburg und Lörrach sagt: „Das einzig Gerechte wäre ein Freispruch.“ Er möchte so lange kämpfen, bis die Gesetzeslage überprüft wird. Das Verfahren sei eine „völlige Verhöhnung“, er werde behandelt wie ein Krimineller.

Die Lage ist kurios: Pietsch vertreibt im Hanfnah CBD-Produkte, die nachweislich unter dem Grenzwert von 0,2 Prozent THC liegen. Erlaubt ist deren Vertrieb nur zu gewerblichem oder wissenschaftlichem Zweck. Pietsch und sein Freiburger Anwalt Sebastian Glathe berufen sich auf den wissenschaftlichen Aspekt: Sie argumentieren, dass durch den Verkauf der Nutzen solcher Produkte erforscht werde. „Jeder darf forschen, auch ohne Doktor oder Professor zu sein“, sagt Pietsch.

Tobias Pietsch

Stand vor Gericht: Hanfnah-Betreiber Tobias Pietsch aus Lahr. Er betreibt auch einen Laden in Freiburg.

Vor Gericht war der Freiburger Toxikologe Volker Auwärter als Gutachter geladen. Er erklärte dort, was er bereits im März 2019 im chilli-Interview sagte: „Bei einem THC-Gehalt von unter einem Prozent wirkt Cannabis auch in größerer Menge nicht berauschend.“ Soll heißen: Von solchen Produkten wird keiner high. Pietsch betont vielmehr die heilende Wirkung von CBD: Viele Apotheker und Ärzte würden mittlerweile sogar Kunden zu ihm schicken.

Der in Lahr lebende Hanfhändler, bekannt durch einen Auftritt bei „Wer wird Millionär“ und virale Facebook-Videos zu seinem Prozess, ist sicher: Er ist haarscharf am Freispruch vorbeigeschrammt. Richterin und Staatsanwaltschaft hätten sehr wohl gespürt, dass das kein normales -Verfahren sei.

„Jetzt will er sich selbst anzeigen“

Als Nächstes möchte er eine Selbstanzeige stellen. Und zwar als Konsument von Hanftee, den es „in jedem zweiten Bioladen gibt“. Den Tee möchte er bei einer größeren Kette kaufen und sich dann anzeigen. Dafür gelten schließlich die gleichen Grenzwerte wie bei seinen Produkten. Würde die Staatsanwaltschaft dann aktiv wie bei seinem Hanfnah-Shop, könnte es spannend werden.

Ärgerlich für ihn zudem: Die Staatsanwaltschaft habe nun gegen rund 150 seiner CBD-Konsumenten Strafanzeige gestellt. Es gehe um Verkaufsmengen von zwei bis fünf Gramm. „Verfahren, die eh wieder eingestellt werden“, sagt Pietsch. Steuergelder würden so verschwendet. Klar ist mittlerweile auch, wie der Prozess im Januar 2019 ins Rollen gekommen ist. Ein Freiburger Anwalt habe Anzeige gegen ihn gestellt. Warum, das kann sich Pietsch nicht erklären.

Den Schaden für sein Geschäft beziffert er auf rund 50.000 Euro. Dennoch kann er der Sache auch etwas Gutes abgewinnen: Immerhin werde über den Sinn und Zweck von Nutzhanf gesprochen.

Mit der nächsten Instanz des Prozesses rechnet er im Spätsommer. Vor dem Landgericht sind dann auch zwei Schöffen dabei. Die möchte er mit Argumenten und Emotionen überzeugen. Der entscheidende Satz der Richterin ist Grund genug, daran zu glauben: „Strafbar, aber nicht bestraft.“                                          

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