»Von Hoffnung getragen« : Das Klimacamp hat Tribut gezollt – macht aber weiter STADTGEPLAUDER | 15.03.2024 | Till Neumann

Aktivist·innen: : Jonathan Sauer (Mitte) und das Team des Klimacamps mussten pausierem. Sie sind ab dem 5. April zurück auf dem Rathausplatz. Aktivist·innen: : Jonathan Sauer (mit Mikro) und das Team des Klimacamps mussten pausierem. Sie sind ab dem 5. April zurück auf dem Rathausplatz.

Fast 500 Tage und Nächte gab es das Klimacamp auf dem Rathausplatz. Im November mussten die Zelte dem Weihnachtsmarkt vorerst weichen. Zum Jahresanfang stand sogar ein Ende des Protestlagers im Raum. Warum es doch weitergeht, erzählt Klimacamp-Sprecher Jonathan Sauer (25) im Interview mit ­chilli-Redakteur Till Neumann. 

chilli: Herr Sauer, ist die Zukunftsfrage des Klimacamps geklärt?

Sauer: Ja, wir haben uns zusammengesetzt, Feedback eingeholt und überlegt: Was lief gut, was lief schlecht? Das Team ist zum Schluss gekommen, dass es weiterhin Bedarf gibt, weil die Klimapolitik der Stadt weiter stark nachholbedürftig ist. Gerade im Vorfeld der Kommunalwahlen und im Kontext der Demos für Demokratie sehen wir da dringenden Bedarf. Ein Austauschort ist notwendig. Den wird es ab dem 5. April auf dem Rathausplatz wieder geben. 

chilli: Es gab Stimmen in euren Reihen, die das Klimacamp aufgeben wollten, um sich auf gezielte kleine Aktionen zu konzentrieren. Wie knapp war die Entscheidung?

Sauer:  Wir haben geguckt, wie die Kapazitäten stehen. Es hat sich einfach gezeigt: Das Camp ist ein Riesenaufwand, 24-7 dort zwei Personen zu haben. Die Menschen, die dort unterwegs sind, sind auch an anderen Stellen aktiv und haben nicht unbegrenzt Ressourcen. Trotzdem haben wir gesagt: Es ist wichtig, diesen Ort fortzuführen. Mit einer breiteren Mobilisierung und durch die Integration weiterer Themen.

chilli: Die Ansage zum Start im Juli 2022 war, bis 2035 zu bleiben. Dann möchte die Stadt klimaneutral sein. Ist das weiterhin euer Ziel?

Sauer: Wir haben es jetzt erst mal für den Sommer fokussiert. Wie es danach weitergeht, ist noch offen.

chilli: Habt ihr euch zum Start überschätzt?

Sauer: Das kann ich jetzt so konkret nicht beantworten. Wir haben in jedem Fall gemerkt, es ist ein großer Aufwand und wir haben Tribut gezollt, gerade auch gegen Jahresende, wo es einfach sehr viel gleichzeitig war. Ob wir uns überschätzt haben? Aktivismus ist in der Form immer von Hoffnung getragen.

chilli: Die Vorweihnachtszeit war durch den Rechtsstreit mit dem Rathaus rund um den Weihnachtsmarkt turbulent. Habt ihr euch weggekegelt gefühlt?

Sauer: Wir hätten uns eine offenere Kommunikation gewünscht. Es war zwischenzeitlich nicht nur auf der rechtlichen Ebene sehr hart, sondern auch in der Kommunikation. An uns wurde von Oberbürgermeister Martin Horn herangetragen, dass man doch guten Klimaschutz hätte machen können, wenn man sich nicht mit uns herumschlagen müsste. Das sehen wir selbstverständlich anders. Es gab nie inhaltliche Gespräche mit uns. Es hat sich nur um versammlungsrechtliche Fragen gedreht.

chilli: Ihr wurdet vier Monate lang fast täglich vom Vollzugsdienst beobachtet. Wie erklärt ihr euch das?

Sauer: Der Gemeindevollzugsdienst hat insgesamt so knapp 400 Mal bei uns Kontrollen durchgeführt, wie wir danach der Akte entnehmen konnten. Die hat insgesamt 1600 Seiten. Da geht es um kleinere Beobachtungen: wie standen die Zelte, was für Banner waren da und so Geschichten. Wir haben das rechtlich prüfen lassen: Die Stadt, kann das tun. Nichtsdestotrotz hätten wir uns auch da mehr Dialog gewünscht.

chilli: Was habt ihr in den knapp zwei Jahren mit dem Klimacamp erreicht?

Sauer: Wir haben vor allem gezeigt, dass es Menschen gibt, die sich dort austauschen wollen. Das war auch das Feedback, das häufig an uns herangetragen wurde. Dass sich dort Menschen niedrigschwellig austauschen können. Auch zu ihrer Frustration über die aktuelle Klimapolitik.

chilli: Und konkrete politische Errungenschaften?

Sauer: Wir haben auf jeden Fall gezeigt, dass dieses Engagement notwendig ist. Zu unseren konkreten Forderungen müssen wir leider ehrlich sagen, die wurden noch nicht erreicht. Wir haben aber gezeigt, dass das Image Freiburgs als Green City bröckelt.

chilli: Ihr habt auch Gegner, Menschen die das Camp nicht mögen. Was habt ihr an negativen Rückmeldungen, Anfeindungen oder Kritik vor Ort erlebt?

Sauer: Wenn man im Klimacamp Schicht macht, gibt es zwei Menschengruppen, die regelmäßig kommen: Menschen, die sagen, es ist total cool, was ihr macht. Total wichtig. Und Menschen, die eher negativ eingestellt sind. Mit beiden suchen wir den Dialog. Kritik hat sich in Form von Vandalismus gezeigt: dass Abends ans Zelt getreten wurde, dass Zelte beschädigt wurden und so weiter. Das kam leider immer wieder vor.

chilli: Ab wann wird es das Camp wieder geben? Kommt ihr mit zwei oder vier Zelten?

Sauer: Einen konkreten Termin gibt’s noch nicht. Aber zeitnah bis Anfang April. Die genaue Ausgestaltung wird sich im Prozess noch klären.

chilli: Dürft ihr mehr als zwei Zelte haben?

Sauer: Rein rechtlich sind alle Auflagenbescheide hinfällig, da es eine neue Versammlung ist. Selbstverständlich könnte die Stadt Freiburg wieder mit der gleichen Argumentation einen neuen Auflagenbscheid gegen vier Zelte erlassen.

chilli: Was wünschen Sie sich für das nächste Jahr im Klimacamp?

Sauer: Dass wir es schaffen, mehr Menschen mit reinzuholen, die ihre Themen einbringen. Wir merken einfach: Es ist nicht nur eine Klimakrise, sondern auch eine soziale Krise. Wir sagen: Austausch und Dialog sind super wertvoll und wichtig – wir wollen den Diskurs in die Politik tragen. Ich würde gerne dazu beitragen, dass das Klimacamp eine Plattform wird, die für Demokratie und für die Bewältigung von multiplen Krisen einsteht.

Fotos: © Till Neumann, Pascal Lienhard

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