»Wissen, ob Gift drin ist«: Freiburg könnte Drug-checking-Modellstadt werden STADTGEPLAUDER | 21.03.2022 | Till Neumann

Verschiedene Tabletten

In Österreich, Schweiz oder Holland gibt’s das seit Jahren: Drug-Checking. Konsumenten können Drogen bei Beratungsstellen, in Apotheken oder vor Clubs anonym und kostenlos auf Verunreinigungen testen lassen. Die Ampel-Koalition hat den Aufbau solcher Modellprojekte im Koalitionsvertrag. Freiburg könnte noch in diesem Jahr einen Probelauf bekommen.

Wer Drogen auf dem Schwarzmarkt kauft, geht Risiken ein. „Bei pulvrigem Kokain kann beispielsweise Methadon enthalten sein“, sagt der Freiburger Toxikologe Volker Auwärter, „das kann schnell tödlich wirken.“ Und in einer Ecstasytablette könnten sehr unterschiedliche Mengen MDMA sein, 80 bis 250 Milligramm. „250 Milligramm MDMA können für ein 15-jähriges Mädchen den Exitus bedeuten“, warnt der Experte des Uniklinikums.

Der 51-Jährige macht sich seit Jahren für Drug-Checking stark. „Eine drogenfreie Gesellschaft ist Utopie, man muss sich der Realität stellen“, sagt Auwärter. Es sei eine gesundheitspolitische Aufgabe, das Risiko für Konsumenten zu reduzieren. In Hessen hat er an einem Antrag für ein Modellprojekt mitgearbeitet. Auch in Freiburg macht er sich mit der Drogenhilfe für einen Testballon stark. Ihr Vorschlag ist ein integriertes Drug-Checking. Das gehe einher mit einem verpflichtenden Beratungsgespräch. Wer eine Probe zum Testen abgebe, bekomme das Ergebnis in Verbindung mit einem Gespräch über spezifische Risiken übermittelt. Beratungsstelle dafür ist die Drogenhilfe Freiburg.

Marc Funke

Wollen ein Modellprojekt: Marc Funke und Volker Auwärter (unten)

„Das Drug-Checking wäre ein weiterer Baustein unserer Arbeit“, sagt Marc Funke von der Drogenhilfe. Der Diplom-Sozialarbeiter sieht Deutschland im europäischen Vergleich weit hinten dran: „Unseren Klienten kann ein solches Angebot helfen“. Im Ausland seien die Erkenntnisse rundum positiv. Mit dem Aufklärungsprojekt „Drobs in Space“ versucht Funke in Clubs, junge Menschen zu sensibilisieren. Bei einem Infoabend im Artik zu Drug-Checking war zuletzt Volker Auwärter als Experte geladen.

Der Toxikologe Auwärter ist überzeugt: „Es gibt Menschen, die seit Jahren einen kontrollierten Konsum betreiben. Sie wollen keine giftige Chemie.“ Hätten sie Klarheit über eine Verunreinigung, würden sie die Drogen wegwerfen. So sei beispielsweise auch Industriehanf eine Gefahr, der mit synthetischen Cannabinoiden besprüht wurde. Zudem könne das Drug-Checking als Monitoring dienen, um Konsumenten vor gefährlichen Drogen zu warnen. In der Schweiz werde das erfolgreich praktiziert. Da heißt es zum Beispiel: Achtung, in den Pillen mit dem gelben Totenkopf ist Stoff XY.

Denkbar ist für Volker Auwärter beispielsweise auch, auf Festivals wie dem Sea You ein Testzelt aufzubauen. Dort könnten Feiernde ihre Drogen abgeben – und wüssten zwei Stunden später, ob sie sauber sind. „Idealerweise vor dem Konsum“, sagt Auwärter. Ihm reichen nur ein paar Krümel einer Tablette für einen solchen Test.

Portrait Auwärter

Bisher verbietet das Betäubungsmittel-Gesetz, verbotene Substanzen anzunehmen. Sein Institut der Forensischen Toxikologie hat zwar eine Sondergenehmigung, aber nicht für Abgaben aus privater Hand. „Die Abstimmung in den Ministerien in Stuttgart läuft“, berichtet Auwärter. Voraussetzung ist, dass für das Modellprojekt die beteiligten Mitarbeiter vor Strafverfolgung geschützt werden.

„Wir stehen bereit“, sagt Auwärter. Er hält es für „nicht unrealistisch“, dass es noch 2022 klappt. Der politische Wille sei da. Überfällig ist das Angebot für ihn. Drug-Checking könne zwar manche zu einem Probekonsum anregen. In dieser Gruppe erwarte man aber gerade eher vorsichtige Konsumenten mit geringem Risiko, in einen wirklich riskanten Konsum abzudriften. Die Vorteile überwiegen für ihn klar: „Leute sehenden Auges einem Vergiftungsrisiko auszusetzen, um andere abzuschrecken, halte ich für zynisch.“ 2020 starben 1581 Menschen durch den Konsum illegaler Drogen in Deutschland. 13 Prozent mehr als im Vorjahr.

Drug-checking

Beim Drug-Checking werden Partydrogen auf Verunreinigungen untersucht. Erstmals wurde das 1988 in den Niederlanden gemacht. Heute wird die Methode in mehr als zehn europäischen Ländern angeboten. Drug-Checking dient auch dem Monitoring: Durch die Untersuchung können gefährliche Substanzen ausfindig gemacht werden. Für die Analyse reichen kleinste Mengen. Die Ampelregierung schreibt in ihrem Koalitionsvertrag zum Punkt Drogenpolitik: „Modelle zum Drugchecking (…) ermöglichen und bauen wir aus.“

Fotos: © Pixabay, Privat, Uniklinik Freiburg