„Zu viele Drecksäue“: Wie Reinigungstrupps gegen Freiburgs Müll kämpfen STADTGEPLAUDER | 21.07.2019 | Till Neumann

Immer mehr Müll, immer mehr Aufwand. So ist die Lage für Freiburger Reinigungstrupps. Die Menge auf Straßen und in Mülleimern hat sich in zehn Jahren fast verdoppelt, berichtet Michael Broglin, Chef der Abfallwirtschaft und Stadtreinigung Freiburg GmbH (ASF).

Wie kriegen seine Reinigungstrupps das in den Griff? Das chilli hat die Müllbekämpfer einen Tag lang begleitet. Neue Bußgelder scheinen wenig Wirkung zu zeigen.

Freitagmorgen. 5.45 Uhr. Auf dem ASF-Betriebshof herrscht reges Treiben. Mit dabei ist Christian Stolz, Vorarbeiter der Innenstadtreinigungstrupps – Chef der City-Saubermänner. In seinem orange-blauen Arbeitsanzug steigt der 36-Jährige in den Wagen und drückt aufs Gas. „Wir sind 7 oder 8 Leute für die Handreinigung und drei Kehrmaschinen“, erklärt der Mann mit Silberkette um den Hals. Am Vortag war schönes Wetter und Feiertag. „Kann sein, dass Halligalli war gestern. Dann können wir was erwarten.“

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Chef des Reinigungstrupps: Christian Stolz hat in der Freiburger City schon einiges erlebt.

Erster Stopp ist am Karlsplatz. Stolz springt aus dem Auto, stellt einen Stuhl zurück auf die Terrasse eines Cafés. Dann leert er einen der Stadtmülleimer, die sogenannten Abfall-Haie. Den Inhalt kippt er auf die Ladefläche seines Wagens. Neue Tüte rein. Zack. Weiter.

„Wir haben es schon erlebt, dass uns Leute den Müll einfach vor die Füße werfen. Das geht gar nicht“, schimpft Stolz. Er ist seit 2016 Teil des Reinigungstrupps und sieht schon jetzt einen klaren Trend: „Es wird viel schlimmer, wir haben zu viele Drecksäue in der Stadt.“ Ein Wort, das er an diesem Tag nicht zum letzten Mal verwendet.

Jetzt fegt Stolz ein Gässchen am Münsterplatz. „Das sieht ganz ok aus heute“, erzählt der kantige Mann. Was er an seinem Job mag: Man sieht die Stadt mit anderen Augen. Am Brunnen hinterm Breuninger fischt er mit grimmiger Miene etwas Weißes aus dem Wasser. Eine Münsterwurstserviette, entsorgt im Brunnen. Der Boden schimmert grünlich. „Der wird später geputzt“, sagt Stolz. Kurz vor Feierabend wird er das Wasser ablassen und saubermachen. Eine Münsterwurst gibt’s dann auch für ihn.

Einsatzleiter: Dirk Gabel

Nicht nur in Freiburg ist der zunehmende Müll ein Problem: Das Land hat daher zum Jahreswechsel den Rahmen für Bußgelder vergrößert: Von bisher 10 bis 25 Euro auf jetzt 50 bis 250 Euro. Also eine Verzehnfachung der Höchststrafe. Wild weggeworfene Kaffeebecher, Kippen oder Kaugummis können seitdem richtig wehtun im Geldbeutel. Ein ausgespucktes Kaugummi kostet in Mannheim seitdem 100 Euro. In Freiburg „nur“ 55 Euro (siehe Infokasten unten). Die genaue Höhe obliegt der Kommune.

Laut Geschäftsführer Michael Broglin nehme das Müllaufkommen auf der Straße deutlich zu. Auch Einsatzleiter Dirk Gabel bestätigt das: Zerschlagene Gläser, To-Go-Becher oder liegengelassene Pizzaschachteln seien nur einige Beispiele. Beim jüngsten Weinfest hätte man das deutlich gesehen. Eine Verrohung der Sitten. Mit der Haltung: „Irgendeiner wird’s schon wegmachen.“ Sechs Tage pro Woche sei die ASF daher von 6 bis 21 Uhr im Einsatz. Plus vierstündige Sonntagsdienste. Mit fast doppelt so viel Personal wie noch vor zehn Jahren. 

Ärger am Brunnen

Zigaretten auf den Boden zu werfen oder Graffiti auf die Bänke zu schmieren, geht für Christian Stolz gar nicht. Täglich muss er das ausbaden. Eine weitere Marotte, die ihn nervt: Zu-verschenken–Kartons am Straßenrand. Einen solchen findet er beim Schwabentor. Darin liegen verschimmelter Salat und eine ranzige Karotte. „Das ist in Mode und wird mit allem gemacht – auch mit Möbeln“, schimpft der ASF-Mann.

Plötzlich winkt ein älterer Herr am Straßenrand. „Das ist cool und motivierend, wenn Leute auch mal Danke sagen“, freut sich Stolz. Gerade bei älteren Menschen käme das häufiger vor. Der Ärger über die Sünder bleibt dennoch groß: „Manche kacken irgendwo hin, auch das müssen wir wegmachen.“ Heute entdeckt er lediglich einen herrenlosen Schuh. Auch der wird entsorgt.

Die Wege des zehnköpfigen Reinigungsteams kreuzen sich immer wieder. Man grüßt sich, wechselt ein paar Worte. Die Zeit ist aber oft knapp. Dabei schaltet Stolz für die Presse extra runter. „Ich lasse es gerne mal laufen und drücke auf die Tube“, beschreibt er seine Arbeitsweise. Zeit für die kleinen Dinge ist dennoch: Als eine Ente in einem Gässle sitzt, erkennt er sie sofort. „Es gibt ein Pärle in der Innenstadt“, erzählt er. Das Tolle daran: „Die bleiben ein Leben lang zusammen.“

Früher war Stolz auf dem Bau. Doch irgendwann hatte er genug vom vielen Staub und dem rauen Umgangston. Was er jetzt macht, gefällt ihm besser. Auch wenn’s manchmal ziemlich eklig und stressig sei. „Wir sind dafür da, alles schön zu machen“, betont Stolz. Das Ergebnis seiner Arbeit könne man direkt sehen und die Arbeitszeiten seien „geil“. Gehen andere in die Mittagspause, ist er bald fertig.

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Rausgefischt: Christian Stolz findet eine Münsterwurst-Serviette in einem Münsterbrunnen.

Der Job bleibt ein Kampf gegen Windmühlen: „Man kann so viele Mülleimer aufstellen wie man mag – besser wird’s nicht“, schimpft Stolz. Das gedankenlose Wegwerfen in der Green City macht ihn wütend. Dass höhere Bußgelder viel bringen, glaubt er nicht. Richtig sei der Ansatz dennoch. Für Freiburg hat er auch ein bisschen Lob: Im Vergleich zu anderen Großstädten sei es hier ziemlich sauber. 

Gute Nerven brauchen die Reinigungstrupps auch hier. Kollegen haben abgeschnittene Schafsköpfe oder Schweins-pfoten gefunden. Kürzlich sogar eine Leiche in Landwasser. Stolz musste mal einen toten Hund abholen. Die Bilanz für heute ist aber „ziemlich human“, sagt Stolz. Schon morgen könnte es wieder anders aussehen.

Höhere Strafen für Müllsünder

Das Land Baden-Württemberg hat seit Dezember einen neuen Bußgeldkatalog für Mülldelikte. Strafen für Umweltsünder wurden deutlich erhöht. Freiburg hat seine Sätze zum Januar angepasst. Ob das was bringt? „Es entsteht der Eindruck, dass eine Sensibilisierung stattgefunden hat“, so Rathaussprecherin Martina Schickle. Dass die Beiträge mit Blick auf andere Städte weiter steigen könnten, schließt sie nicht aus.

Fotos: © Till Neumann