Alles auf Orange – Zweatlana will hoch hinaus und Freiburg wohl verlassen 4Musik | 15.02.2020 | Philip Thomas

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Im Alleingang will die Musikerin Zweatlana Streaming-Plattformen erobern. Ihre Orange-EP ist ein bunter Mix aus Pop, Hip-Hop, Trap-Elementen sowie Gesang und ein frischer Wind in Freiburgs indie-dominierter Diskografie.

Schwarz-weiße Noten lesen kann die Künstlerin nicht – dafür sieht sie Farbe in Tönen. An Freiburg als Künstlerstadt lässt die Solistin mit den zwei Zöpfen kein gutes Haar.

Schon als „Svéa“ war Zweatlana gerne solo unterwegs. „Ich hatte nie Lust auf eine Band“, erzählt die 25-jährige Musikerin in einem Freiburger Café. Für Gruppenprojekte fehle es ihr an Geduld: „Ich hatte keine Lust, die richtigen Leute zu finden.“ Ihre Musik entspricht ihrem Naturell: „Ich mache gerne Sachen alleine.“ Die kreative Freiheit passt in keine Schublade.

Dabei verlief ihr musikalischer Werdegang zunächst klassisch. Mit sechs Jahren begann „Zweaty“ mit dem Klimpern auf dem heimischen Klavier, mit 15 kam eine Gitarre hinzu. „Ich habe dann angefangen, eigene, sehr schlechte Songs zu schreiben“, lacht die Künstlerin. Nur Noten lesen hat die Autodidaktin bis heute nicht gelernt. In der Musikgeschichte ist sie damit in guter Gesellschaft: Künstler wie Eric Clapton oder Paul McCartney sind in diseser Hinsicht ebenfalls Analphabeten. Zweatlana greift darüber hinaus aber auf ein anderes, farbenfroheres System zurück: Synästhesie – eine angeborene Wahr­nehmungs­veränderung, bei der Sinne vermischt werden. Betroffene sehen die Zahl zwei und denken dabei beispielsweise an die Farbe Grün. „Das sind automatische Assoziationen“, erklärt sie. Das Phänomen lässt sich auf Musik übertragen: „Ich kann nach Farben komponieren, a-Moll hat für mich die Farbe Rot.“

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Musikerin Zweatlana ganz in Orange.

„Ich kann nach Farben komponieren.“

Bei Freiburg als Pflaster für Künstler sieht sie hingegen schwarz. Die Stadt sei zwar schön, musiktechnisch aber ein weißer Fleck auf der Landkarte. „Hier gibt es tolle Künstler“, sagt sie. Aber der Platz für Kunst sowie die Anzahl der Bühnen sei eben sehr begrenzt. In die Szene pflege sie kaum Kontakte: „Es fällt mir schwer, mich dort einzuordnen.“

Auch die Lage sei nicht das Gelbe vom Ei. Wichtige Bands überspringen den beschaulichen Breisgau gerne: Tourbusse fahren von Stuttgart oft ohne Zwischenstopp direkt nach Basel. Es fehle an Vernetzung. „Das ist schade, wenn man Ambitionen hat“, bedauert Zweatlana: „Ich möchte von meiner Musik leben.“

Orange könnte die erste Rate sein. Bestimmte Erwartungen habe sie nicht, „ich freue mich darauf, meine Musik in den Händen halten zu können“, sagt sie. Auch, wenn das nur via Smartphone und Laptop möglich ist, denn die EP erscheint ausschließlich digital. Gerne würde sie auf Vinyl veröffentlichen, für die EP schrieb die Künstlerin aber bereits rote Zahlen: „Ich bin nur am Investieren.“

Manchmal werde ihr das Künstlerdasein in Freiburg zu bunt: Loopstation, Synthe­sizer und Keyboard passen nicht in ein Neun-Quadratmeter-Zimmer in der Innenstadt. „Natürlich will niemand unter Musikern wohnen“, sagt sie. Wegen der hohen Mieten könne man sich das aber nicht aussuchen. Und mit ihrem rumänischen Straßenhund sei es nochmal schwieriger, bei Vermietern einen Fuß in die Tür zu bekommen. „Manchmal habe ich das Gefühl, dass für Menschen wie mich in Freiburg kein Platz ist“, sagt Zweatlana, die mit dem Gedanken spielt, wegzuziehen. Freiburg würde damit viel Farbe verlieren.

Fotos: © Marc Wilhelm