Legende ohne Allüren: Steve Hackett und Band im Konzerthaus 4Musik | 03.07.2023 | Pascal Lienhard

Steve Hackett im Konzerthaus

Er hat Musikgeschichte geschrieben: Steve Hackett war Gitarrist bei einer der bahnbrechenden Bands der 1970er und hat etliche Soloalben veröffentlicht. Im Freiburger Konzerthaus legt der Künstler eine beeindruckende Show hin: Im Mittelpunkt steht neben Solo-Songs das Genesis-Album „Foxtrot“ von 1972.

„Einfallsreicher Gitarrist und Songwriter sucht aufgeschlossene Musiker, die gewillt sind, sich über existierende, stagnierende Musikformen hinwegzusetzen.“ Die selbstbewusste Anzeige im britischen „Melody Maker“ ließ Ende 1970 eine junge Band aufhorchen: Genesis um Sänger Peter Gabriel hatten bereits zwei wenig erfolgreiche Alben veröffentlicht und waren auf der Suche nach einem neuen Gitarristen. Steve Hackett, der Absender der Anzeige, erhielt den Zuschlag. Kurz zuvor war bereits Drummer Phil Collins an Bord gegangen.

Steve Hackett im Konzerthaus

Musiker mit einfallsreicher Kontakanzeige: Steve Hackett lässt die Gitarre sprechen

Sechs Alben hat Hackett bis zu seinem Ausstieg 1977 mit den stilprägenden Progressive-Rockern aufgenommen. In diesen Jahren wuchs ihr Bekanntheitsgrad, mit technisch anspruchsvollen und komplexen Stücken erspielten sich Genesis eine breite Fangemeinde. Zugegeben: Die ganz große Reichweite kam erst, nachdem Collins den Gesang übernahm und die Band Pop-Hits der Marke „I Can’t Dance“, „Invisible Touch“ oder „Land of Confusion“ aufnahm. Zu dieser Zeit hatten Hackett und Gabriel die Band längst verlassen.

Weit weg vom Collins-Pop

Im fast ausverkauften Konzerthaus erwartet dann auch niemand Radio-Pop – oder große Gesten. Hackett war schon bei Genesis stets der ruhige und zurückhaltende Musiker. Das hat sich der 73-Jährige erhalten. Ein paar wenige kurze Ansagen, ansonsten lässt der Künstler die Saiten sprechen.

Steve Hackett im Konzerthaus

Darf auch mal solieren: Bassist Jonas Reingold

Das Konzert startet mit Tracks aus Hacketts Solokarriere. Den Auftakt macht das melodisch-experimentelle „Ace of Wands“. Die Nummer lebt vom Zusammenspiel Hacketts mit Keyboarder Roger King und Flötist Rob Townsend. Der Gitarrist kommt so gar nicht selbstgefällig daher. Immer wieder lässt er seinen fünf Mitmusikern, zu denen auch Drummer Craig Blundell sowie Bassist und Gitarrist Jonas Reingold gehören, Raum für eigene Akzente und Soli – auch wenn man sich streiten kann, wie hoch der Unterhaltungsfaktor eines noch so versierten Schlagzeugsolos ist.

Zum Highlight der ersten Hälfte wird das großartige „Spectral Mornings“. Die gleichzeitig melancholisch und erhaben klingende Gitarrenmelodie zieht den Saal in den Bann. Während „Every Day“ einen nicht zu leugnenden Pop-Appeal hat, wird es bei „The Devil’s Cathedral“ besonders experimentell. Die Nummer der aktuellen Platte „Surrender of Silence“ startet mit unheilverkündendem Orgelsound und einem jazzig-fiebrigen Saxofonklang von Townsend.

Steve Hackett im Konzerthaus

Stimmlich nah an Peter Gabriel: Sänger Nad Sylvan

Wahnwitziger Kultsong

Nach einer Pause seht „Foxtrot“ auf dem Programm. Das Genesis-Album von 1972 gilt als eines der bedeutendsten Progressive-Rock-Alben. Die Band spielt die sechs Songs der Platte ohne Ansagen von vorne bis hinten durch. Das sorgt für eine dichte Atmosphäre, auch wenn die ein oder andere Hintergrundinfo zur Entstehung der Songs interessant gewesen wäre.

Die Gesangsparts von Gabriel übernimmt Nad Sylvan. Während der 64-Jährige im ersten Set wenig Stagetime hatte, kann er jetzt brillieren. Stimmlich kommt der Sänger bei Songs wie dem keyboardlastigen „Watcher of the Skies“ oder dem balladesken „Time Table“ nah ans Original. Mit seinem bodenlangen schwarzen Umhang und den schulterlangen weißen Haaren hat Sylvan etwas von einem Vampir.

Herzstück von „Foxtrot“ ist das epische „Supper’s Ready“. Der Song hat auch nach 51 Jahren nichts an Wahnwitz verloren. Das in sieben Teile gegliederte Stück bringt es auf satte 23 Minuten. Da können sich manche der Musiker immerhin ab und an kurz ausruhen, wenn ihr Instrument gerade nicht gebraucht wird.

Nach zwei Genesis-Zugaben und fast zweieinhalb Stunden Show verlassen Hackett und Band die Bühne. Viele werden sich wünschen, dass die Herrschaften bald wieder in den Breisgau finden. Denn ein solch beeindruckendes Konzert gibt es nicht aller Tage.

Fotos: © Pascal Lienhard