Mundart in besondere Form: Alemannische Dreizeiler Land & Leute | 05.02.2021 | Stefan Pflaum

Buch mit Schreibfeder

Stefan Pflaum stellt eine sehr vitale Sprechform vor, die die Dinge kurz und knapp auf den Punkt bringt. Alemannische Dreizeiler sind mal besserwisserisch, mal schadenfroh, mal trostreich – in jedem Fall aber sehr lebendig.

Im alemannischen Sprachraum in Deutschland, in der Schweiz und im Elsass sind die historischen und gesellschaftspolitischen Bedingungen für die Mundart jeweils andere. Die Herausforderungen, denen sie sich stellen muss, will sie weiterleben, sind mehr oder weniger groß.

Diese zu bewältigen, ist umso wichtiger, da es leider nicht mehr viele lebendige Mundarten gibt. Das Alemannische gehört dazu. Es gilt: Je mehr Freiraum man der Mundart gewährt, desto eher kann sie sich verändern, auch schwierigen Gegebenheiten anpassen, entwickeln und überleben. Über ein Beispiel lebendiger Mundart möchte ich berichten, über „alemannische Dreizeiler“ nämlich.     

„Denne het s schön naabbegelt.
Aber er heert jo nit.
Hätt r gheert, wär s nit passiert.

„Machsch es so, isches nix.
Machsch es andersch, au nix.
Ha, do losches doch grad!“

„Aber  sunsch goht s dr gut!?
Als d Fenschter uffrisse!
Un ich zahl no d Heizung!“

Als ich mich eine Zeit lang besonders intensiv mit mundartlichen Sprechformen beschäftigte, fielen mir feste, formelhafte Wendungen auf, die sich sehr oft als Dreizeiler entpuppten. Ich vermute, dass sie eine feste Größe innerhalb des Mündlichen darstellen. Die Dreizeiler sind etwa Kommentare, Anweisungen, Wutausbrüche oder Ratschläge.

„Erscht sagt r, i krieg s Geld.
No sagt r, doch nitte.
Wie willsch do plane?“

„Vergiss doch endlig demm sin Gschwätz!
Trink lieber noch einer.
Morn isch hit vorbei.“

„Mach jo kei Schlenz in d Hos!
Du kriegsch kei neiji.
Die muss no-n-ä Johr hebe.“

„D letscht Äärnt isch guet gsi.
Die vun diesjohr wurd ä Katastroph.
Will des de Herrgott?“

Aus der Rhetorik, das ist die Redekunst, kennen wir Formen der Steigerung, Übertreibung, Verhüllung des eigentlich Gemeinten, übertragene Bedeutungen, Satz- und Gedankenfiguren. Durch Hinweiswörter, Ausrufe, Partikel wie „doch“, „ja“, „denn“, „aber“, wird die Sprechabsicht und Sprecherhaltung verdeutlicht, etwa Zurechtweisungen, Spott, Ungeduld. Wir finden viele unvollständige Sätze und Umstellungen der Satzglieder, viele kurze Hauptsatzformen.

„Strähl di z erscht ämol.
Siehsch jo uss wie de Nachtkrab.
Vorher gehn mir nitte!“

„Do könnscht grad uff de Sau furt!
Un der spielt in de zweite Liga!
Het der noch nie kei Balle gsähne!?“

„Glaubsch, die goht em näwenuss!?
S wär nitewunder.
Bi demm sinere Art.“

„Sage Si des doch glii!
No goht s schneller.
Ich bin doch kei Hellseher!“

Die Verse wirken oft wie Texte aus Fertigbauteilen. Die Sprache ist, bei aller Emotionalität, stark stereotypisiert. Stilmittel des Mündlichen, der Alltagssprache und Ausdrucksmittel der Mundart sind vorherrschend.

Wir haben es mit Äußerungen zu tun, die in vielen Fällen stark moralisierend sind und somit stark wertende Tendenzen aufweisen. Sie sind oft besserwisserisch, rechthaberisch, schadenfroh.

Auch fällt der emotionale Sprechduktus auf, der die Erregtheit der Sprecher und Sprecherinnen unter anderem durch Lautstärke, Gestik, lautliche Hervorhebungen und Übertreibungen signalisiert. Es wird gedroht, geschimpft, aber auch gedankt, getröstet, insistiert oder geschmeichelt.

„Loss di nit verhohnebibble!
Kumm, i gang mit dr.
Demm wäsch i de Kopf.“

„Schdaggs nit äso rum.
Russ mit de Wohret.
Sunsch kannsch mi kennelehre!“

„Warum heschere so wüescht gsait?
S isch doch ä kleini Krott.
Was kann die schun defür?“

„Gut hesch des gmacht.
Bisch halt doch ä Kerli.
Wittersch so!“

Und so habe ich für mich über hundert Beispiele aufgezeichnet. Also: die alemannische Mundart lebt. Und hoffentlich noch lange.

Foto: © iStock/Plateresca