Flaschenhals Impfstoff: Wegen mangelnder Vakzine läuft das Impfzentrum in ­Freiburg mit angezogener Handbremse Gesellschaft | 17.02.2021 | Philip Thomas

Impfzentrum Freiburg

Rund 27.000 Nadeln wurden im Zentralen Impfzentrum Freiburg (ZIZ) gegen das Coronavirus bis zum Redaktionsschluss Mitte Februar gesetzt. Dazu kommen 15.000 Spritzen von mobilen Teams. Auf 6000 Quadratmetern könnte das ZIZ jeden Tag bis zu 2200 Menschen
impfen, doch fehlende Impfstoffe bremsen die Arbeit der Ärzte. Viele Freiburger bemängeln derweil Chaos bei der Terminvergabe.

„Mit 1850 Impfungen haben wir heute unseren Höchstwert aufgestellt“, sagt Frank Uekermann, Leiter des Freiburger Garten- und Tiefbauamts, im Januar. Mitte November wurde der Ingenieur von Oberbürgermeister Martin Horn mit dem Auftrag betraut, die Logistik für den Start des Zentrums am 27. Dezember zu übernehmen. Gerne würde der 46-Jährige mehr Impfungen an der Messe anbieten. „Aber der Flaschenhals ist der Impfstoff“, betont er. Täglich möglich wären im Freiburger Impfzentrum bis zu 2200 Nadelstiche. 22 Impfkabinen sind aktuell aufgebaut, besetzt sind nur 16.

Eine halbe Stunde dauert der gesamte Durchlauf unter der hohen Decke. 15 Minuten davon verbringen Geimpfte zur Kontrolle nach dem Piks in einem großen Wartezimmer. „Der gesamte Prozess geht bei uns recht schnell. Nachdem wir alle Drucker zum Laufen bekommen haben, konnten wir einiges optimieren. Jetzt haben wir Routine“, sagt Uekermann im Eingangsbereich des Impfzentrums.

Vom Hausmeister bis zum Chefarzt sind darin 75 Kräfte im Einsatz. In der „Apotheke“, einem Séparée der Messehalle, werden gerade die Spritzen für ihren Einsatz vorbereitet. Eine medizinische Mitarbeiterin zieht die sechste Dose Impfstoff aus einem Fläschchen von Biontech und vermischt sie mit Kochsalzlösung. Geht dabei Flüssigkeit verloren? „Wir haben noch nie Impfstoff weggeschmissen“, sagt ein Arzt in der Apotheke.

»Bisher keine Querdenker«

Thorsten Hammer, ärztlicher Leiter der Notfallmedizin und Katastrophenschutzbeauftragter der Freiburger Universitätsklinik, zeigt sich im Grunde zufrieden. „Wir hätten bloß gern mehr Impfstoff“, beklagt er. Die Vakzine selber bereiteten keine Probleme: „Milde Grippesymptome nach der ersten Impfung sind sehr selten.“ Nach dem zweiten Piks beklagten Geimpfte in 18 Prozent der Fälle Kopfschmerzen sowie einen leichten Temperaturanstieg. „Das entspricht den Studien“, so Hammer. Allergische Reaktionen auf einen Impfstoff gab es im ZIZ bisher nicht.

Laut Daniel Strowitzki, Geschäftsführer der Freiburg Wirtschaft Touristik und Messe GmbH, die mit dem Uniklinikum für das ZIZ verantwortlich ist, habe es mit einer Ausnahme auch sonst keine Komplikationen gegeben: Trickbetrüger nahmen Senioren auf dem Messeparkplatz offenbar ihre Scheine für die zweite Impfung ab.

Sonst sei alles ruhig geblieben. „Wir hatten bisher keine Querdenker, das habe ich anders eingeschätzt. Alle, die zu uns kommen, wollen auch geimpft werden“, so Uekermann. Die ersten zwei Tage nach der Eröffnung des Impfzentrums stand die Messe unter Polizeischutz, mittlerweile bewacht ein Sicherheitsdienst das Gelände rund um die Uhr. Die Impfstoffe werden über Nacht nicht in der Halle gelagert.

Frau Impfzentrum

Fixer Piks: Knapp drei Minuten verbringen Besucher in den Kabinen.

Denn: Die Bundesregierung rechnet mit Angriffen auf Impfzentren, Impfstofftransporte oder Hersteller von Corona-Impfstoffen. Konkrete Hinweise dazu gebe es laut einer Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Anfrage der Grünen-Fraktion dazu zwar nicht, aber „aufgrund der großen medialen Präsenz sowie der hohen Dynamik und Emotionalität, die dem Themenkomplex innewohne“, geht das Ministerium derzeit von „einer abstrakten Gefährdung“ durch die Corona-Gegenspieler aus.

Derzeit werden sie vom Impfstoff-Mangel ausgebremst. Im großen Wartesaal der Messe stehen zahlreiche Stühle leer. Der Freiburger Johann Pfaffner hat einen dieser Plätze ergattert und ist nach seiner ersten Impfung zufrieden: „Alles gut, nur ein Glas Wein hat gefehlt“, lacht der 83-Jährige unter seiner Maske.

Auch eine 55-jährige Physiotherapeutin, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, ist froh über den Piks. „Hat nicht wehgetan, in zehn Minuten war ich durch. Die Online-Anmeldung war allerdings nicht einfach. Die Lizenz zum Impfen sei über ihren Arbeitgeber gelaufen. „Wir hatten technische Schwierigkeiten“, berichtet sie. Tagelang habe die Seite nicht geladen.

Impftermin wie ein Lottogewinn

Andere mussten wegen mangelnder Impfstoffe noch länger ausharren. Vier Wochen lang habe die Freiburgerin Ursula Ewald versucht, einen Impftermin für ihre 88-jährige Schwiegermutter unter der bundesweiten Corona-Hotline 116-117 zu ergattern. „Ich bin ständig aus der Leitung geflogen. Noch lieber hätte ich nur mit Herrn Spahn telefoniert, um ihm die Meinung zu geigen“, schimpft sie. Der erste Impftermin im ZIZ sei dann fast wie ein Sechser im Lotto gewesen. Der zweite habe die Familie nochmals Nerven gekostet.

Auch der Intensivpfleger Fabian Bülow weiß von einer holprigen Anmeldung über die Seite des Uniklinikums zu berichten. Dabei wollte sich dort längst nicht jeder impfen lassen: „Einige von uns hat es schwer getroffen, dadurch ist die Bereitschaft auf jeden Fall gestiegen.“ Für die Impfstoffe ist der 32-Jährige dankbar: „Das ist ein wichtiger Baustein zur Rückkehr in die Normalität.“ 

Fotos: © pt