„Das nimmt die Sexyness“: Rathaus ermöglicht Testballon für legale Raves Szene | 23.08.2021 | Till Neumann

Dürfen aufdrehen: Freiburger Elektro-Veranstalter können sich auf legale Raves freuen.

Seit Jahren bemühen sich Vertreter·innen des Freiburger Nachtlebens um freie Flächen für Raves. Jetzt ist eine Lösung im Dietenbachpark in Sicht. Auch wenn die Bedingungen dem Charme unangemeldeter Elektropartys im Kern widersprechen. Die Veranstalter haben Bauchschmerzen, wollen die Chance aber nutzen.

Sonnenbrille, Kaffeebecher, Kopfhörer: Johannes Lutz ist Nachtmensch. Der 31-jährige DJ hat derzeit tagsüber aber deutlich mehr zu tun als zur Geisterstunde. Partynächte sind rar – dafür ringt der Vertreter der IG Subkultur und der Bretterbude mit der Stadtverwaltung um Freiflächen für Raves.

Seit 2018 bemüht sich die Szene um genehmigte Orte am Stadtrand. Geschehen ist bisher nicht viel, sagt Lutz. Anfang Juli gab es aber einen Round Table mit Oberbürgermeister Martin Horn und Vertreter·innen der Rathaus-Ämter, bei dem es konkret werden sollte. „Wir waren sehr optimistisch“, berichtet Lutz. 14 mögliche Flächen hatten sie vorab eingereicht.

DJ Johannes Lutz

Sieht eine Chance: DJ Johannes Lutz von der Bretterbude und der IG Subkultur.

Doch die Videokonferenz lief ernüchternd: „Sie haben immer wieder Fragen gestellt. Da haben wir gemerkt: Sie haben gar keine Ahnung, um was es geht“, erzählt der DJ. Nur zweieinhalb Flächen seien übriggeblieben. Ein Spot im Dietenbachpark, ein Grillplatz und eine freie Fläche im Industriegebiet Haid – verbunden mit etlichen Fragezeichen. Etwas verarscht sei man sich vorgekommen, bestätigen auch andere Teilnehmende. Zumal der einzige Vorschlag aus dem Rathaus der Messeparkplatz gewesen sei. Zu steril, zu wenig Schatten, zu offen – findet Lutz.

Ein zarter Anfang ist mittlerweile  dennoch greifbar: „Fürs Erste sind auf der Fläche im Dietenbachpark sechs Raves in diesem Spätsommer veranschlagt“, berichtet Freiburgs Popsupport Tilo Buchholz. Er vermittelt bei den Planungen zwischen Szene und Stadtverwaltung. Ausgemacht für den Testballon ist eine asphaltierte Fläche neben dem Skatepark. „Im Anschluss wird auszuwerten sein, ob die Kooperation so fortgeführt und eventuell ausgeweitet werden kann“, teilt Buchholz auf chilli-Anfrage mit.

Zäune ums Gelände

Die Forderungen der Ämter lassen Lutz nicht jubeln. Im Raum stehen Zäune, um das Gelände zu sichern, das Aufstellen von Toiletten und idealerweise ein fester Ansprechpartner für alle Raves, der die Verantwortung trägt. „Die Stadt wünscht möglichst wenige Ansprechpartner aus der Szene als Vertragspartner, am besten nur eine Person für alle Termine“, erklärt Buchholz.

Sportplatz Raves

Teststandort: Sechs Raves sollen auf der Fläche neben dem Skatepark ab dem Spätsommer steigen.

Ein harte Nuss ist Letzteres für die Veranstalter. „Da müssen wir kreativ denken“, sagt Lutz. Eigentlich widerspreche es dem Grundgedanken der Raves. -Ideen, wie das dennoch zu machen sein könnte, hat er. Sie sind aber noch nicht spruchreif. Das Gelände zu umzäunen, sei ebenfalls schwierig. „Das nimmt die Sexyness“, findet Lutz. Doch mit Blick auf Corona und beispielsweise den überlaufenen Freiburger CSD kann er den Wunsch nach einer kalkulierbaren Menge nachvollziehen.

Trotz der Hürden – Lutz sieht das Angebot als Chance. Die möchte er nutzen. Auch mit der Hoffnung, dass die Regeln bei einem guten Start lockerer werden könnten. In Bremen gebe es die Möglichkeit schon länger. Auch Berlin sei nachgezogen. Freiburg benötige die Rave-Duldung ebenso.

Hohe Strafen – wenig Verfahren

Bei einem illegalen Rave kann das Ordnungsamt bis zu 5000 Euro Strafe verhängen. Unter anderem wegen zu lauter Musik oder Störung der Nachtruhe. Das Rathaus teilt jedoch mit: Es gibt in Freiburg hierzu bislang aber nur sehr wenige Bußgeldverfahren und keine Verfahren aus den letzten Jahren.

Foto: © Till Neumann & pixabay

„Man verliert die Angst“: Wie ein junger Freiburger illegale Raves veranstaltet