Wildling Blumen in Mülheim – mit Blumen das Leben feiern Haus & Garten | 07.08.2022 | Heide Bergmann

Wilding

Ein Blumenstrauß bringt Freude ins Haus? Viele Schnittblumen enthalten Pestizide und werden unter unsozialen Bedingungen produziert. Malin Lüth beweist mit ihrer Blumenfarm „Wildling“ im Markgräflerland, dass Blumenglück und gutes Gewissen zusammengehören.

Ein Wildzaun umgibt das 6000 Quadratmeter große Gelände in der sonnigen Hügellandschaft. Landwirtschaftsmeisterin Malin Lüth geht durch die Reihen mit den Schnittblumen: Derzeit blühen Skabiosen in Pastellfarben, Strohblumen, Malven und Prachtkerzen, Hummeln umschwärmen Artischocken-Blüten. Das Blumenfeld ist Malin Lüths großer Traum. „Schon als Kind wollte ich Bio-Bäuerin werden“, erzählt die Flowerfarmerin mit strahlenden Augen. Nach dem Abitur machte sie ein Praktikum in der Landwirtschaft in Schweden. Das war der Impuls. „Ich habe gemerkt: Es ist etwas Besonderes, mit den Jahreszeiten zu arbeiten. Dass du das isst, was du selbst herstellst. Da möchte ich hin!“ Es folgten vier Jahre Lehrzeit auf verschiedenen Bioland- und Demeter-Höfen in Deutschland und Schweden. Vor acht Jahren kam sie ins Markgräflerland zu Piluweri und absolvierte die Meisterschule. 

Workshop-Teilnehmerinnen beim gemeinsamen essen unter einem Birnbaum

Das Leben – ein Fest: Nach dem gemeinsamen Gestalten mit Blumen tafeln die Workshop-Teilnehmerinnen am Feldrand unterm Birnbaun.

Wild entschlossen, sich selbstständig zu machen, legte die Gärtnerin mit der Anzucht von Schnittblumen los. Im März 2020 gründete sie „Wildling“. Zwei Wochen später begann Corona. Ausgerechnet der Lockdown verhalf ihr zu einem super Start. Sie stellte auf Online-Verkauf um. Die im Morgentau geschnittenen Blumen landeten am nächsten Tag frisch beim Kunden. Das kam gut an. Die Nachfrage stieg. 30 Prozent ihres Umsatzes macht Lüth heute mit dem Online-Verkauf. Darüber hinaus bietet sie vor Ort Blumen zum Selberdekorieren für Hochzeiten oder andere Feste und lädt zu Workshops und Veranstaltungen ins Blumenfeld. Inzwischen arbeiten zwei feste Mitarbeiterinnen bei ihr sowie stundenweise bezahlte Arbeitskräfte, freiwillige Helferinnen und Praktikantinnen. Das Gelände wurde erweitert und 1300 Pfingstrosen gepflanzt. Alles in Handarbeit. 

Prächtige Vielfalt 

Ein Blumenversand im großen Stil ist nicht Malin Lüths Sache. Die Flowerfarmerin möchte klein und flexibel bleiben. „Es macht mir Spaß, ein Kunstprojekt zu machen, auszuprobieren anders zu leben und den Menschen etwas Gutes zu tun.“ Blumen sind ein Türöffner. Mit einem Strauß kann man Gefühle ausdrücken, eine Stimmung erzeugen. Für die Natur und ihre jahreszeitlichen Besonderheiten möchte die Gärtnerin das Bewusstsein wecken: „Valentin im Februar ist ein Blumentag, obwohl da eigentlich kaum etwas blüht. Mit Schneeglöckchen-Sträußen können wir das aufkeimende Erwachen spüren. Eine Rose dagegen hat zu der Jahreszeit keine Ausstrahlung. Oder im Winter die Schönheit der Samenstände zu entdecken, wie zauberhaft das aussieht, wenn sich der Frost darüber legt, dazu möchte ich beitragen.“ 

bunter Blumenstrauß

Wer will, lernt das Sträuße-Binden mit Blumen frisch vom Feld.

Malin Lüths Blumenfeld zeigt sich rund ums Jahr in prächtiger Vielfalt. Im Februar geht es los mit Anemonen, darauf folgen unzählige Narzissen, alles besondere Sorten. Darauf hat sich die Gärtnerin spezialisiert. Der Blütenrausch geht weiter mit Tulpen und Ranunkeln. Später blühen die aus Samen gezogenen Akeleien, Nachtviolen, Flockenblumen, Fingerhüte, Kornblumen, Mohn, Ringelblumen, Bischofskraut oder Jungfer im Grün. Oft sind es spezielle Sorten mit besonderen Farben und Formen. Die Pfingstrosen im Mai, Juni sind das Highlight. Im Spätsommer und Herbst entfachen Zinnien, Kosmeen, Echinaceen, Phlox, Dahlien und viele mehr das Feuer. 

Malin Lüth gärtnert biologisch und verwendet keine Pflanzenschutzmittel. „Ich päpple nicht gerne schwächelnde Pflanzen auf. Meine Devise ist, den Boden aufzubauen, gesundes Wachstum zu ermöglichen und zu schauen: welche Pflanzen sind an den Standort angepasst.“ 

Stern-Skabiosen und Schmetterlinge im Blumenfeld

Ein Hauptanliegen ist für sie die Vernetzung in der Region. „Früher gab es eine bunte BlumengärtnerLandschaft in Deutschland. Billigangebote aus dem Ausland haben sie fast ausgelöscht. Langsam kommt das Bewusstsein aber wieder zurück.“ Regional, saisonal und nachhaltig. Dafür macht sich die Slowflower-Bewegung stark, an deren Gründung Malin Lüth beteiligt war und die heute 200 Mitglieder zählt. „Wir treffen uns regelmäßig und tauschen uns aus. Wir wollen nicht in Konkurrenz zueinander denken, sondern zusammen etwas bewegen.“

Blumen schneiden und aufblühen

Malin Lüth öffnet ihr Blumenfeld jeden Freitag von 16 bis 18 Uhr zum Selberpflücken. Wer vorher ein Online-Ticket gebucht hat, darf dann zwei Stunden lang nach Herzenslust Blumen schneiden und einen großen oder mehrere kleine Sträuße zusammenstellen, aus maximal 45 Stielen. Im Anschluss gibt’s Kaffee und selbst gebackenen Kuchen, dazu einen kleinen Schwatz: „Ich möchte, dass die Leute verweilen und ankommen. Man lernt sich kennen, knüpft enge Beziehungen, es darf etwas entstehen.“ Das gilt auch für die Blumenworkshops und die Freundinnen-Abende: Hier lernen die Besucherinnen Blütenkränze winden und Sträuße binden. In der Dämmerung wird dann unter einem alten Birnbaum an einem liebevoll gedeckten Tisch getafelt. Das Leben ist ein Fest. An einem Sommerabend auf Malin Lüths Blumenfeld kann man etwas davon spüren. 

Info
www.wildlingblumen.de

Fotos: © Marcia Friese