20. Freiburger Filmforum: Foto-Ausstellung “Witches in Exile“ Kunst & Kultur | 12.04.2023 | Erika Weisser

Hände

Alle Frauen auf den Fotos haben einen Namen. Obwohl sie in den Dörfern, in denen sie früher lebten, längst vergessen sind. Oder besser: vergessen werden sollen – sowohl die Namen als auch die Frauen selbst. Einige ganz alte, verwitwete Frauen sind darunter, aber auch ganz junge mit ihren Kindern. Sie alle wurden aus ihren Gemeinschaften verstoßen und haben sich an abgelegene Zufluchtsorte zurückgezogen, wo sie einigermaßen unbehelligt leben können: in die so genannten „Hexendörfer“ im Norden Ghanas. Zehn solche Lager gibt es, und etwa 1000 Frauen leben hier.

Dabei geht es eher ums Überleben. Nachdem man sie der Hexerei beschuldigt und bezichtigt hatte, durch Zauberkräfte Unheil über die Familie, das Dorf, die Zweitfrau des Ehemanns oder das Vieh gebracht zu haben, war für sie die Flucht in diese eigens für sie gegründeten  Dörfer die einzige Möglichkeit, ihr Leben zu retten. Ungefähr 100 Frauen kamen nach Gambaga; hier besuchte sie die deutsch-französische Fotografin Ann-Christine Woehrl und fertigte Porträts an, die viel  über ihr Schicksal aussagen.

Mutter und Kind und Mann

Hexenverfolgung, so zeigen Woehrls eindrückliche Fotos mit Erläuterungstexten, die in einer Ausstellung namens „Witches in Exile“ vom 21. April bis 27. Mai im Centre Culturel Français Freiburg zu sehen sind, ist keine auf das Mittelalter beschränkte, längst überwundene Diskriminierung unangepasster Frauen. In 43 Ländern gehört der Vorwurf der Hexerei als eine Urform der Verschwörungsfantasien zum Straftatbestand und wird auch ohne brennende Scheiterhaufen mit Folter und Bedrohung bis zum Tod geahndet. Auch in Ghana ist dieser Aberglaube weit verbreitet; nach der Erfahrung von Woehrl, die sich über einen langen Zeitraum im Land aufgehalten hat, immerhin 80 Prozent der Bevölkerung an Hexen – mit den entsprechenden Konsequenzen.

Aus den kurzen Begleittexten zu den Porträts geht hervor, wie wenig es bedarf, um eine Frau als Hexe zu stigmatisieren. Es kursieren Gerüchte über wirtschaftlich erfolgreiche Frauen, die zur Mehrung ihres Reichtums Zauberkräfte anwenden und andere verhexen. Oft reicht ein schlechter Traum, der Tod eines Verwandten, eine plötzliche Krankheit, der ausbleibende Regen oder irgendein Unglück, um sie als Schuldige zu brandmarken, zu denunzieren und zu verfolgen.  Dabei spielen oft Neid und Eifersucht eine Rolle.

So erging es etwa Safuna Yiduana, die der Zweitfrau ihres Mannes in Albträumen erschien und die dafür sorgte, dass der Ehemann sie nach Gambaga brachte, wo er sie von Zeit zu Zeit besucht.  Sie lebt seit mehr als 15 Jahren im „Hexendorf. Auch Damu Dagon hat schon bald 15 Jahre hinter sich, seit ihre Familie sie hier in Sicherheit brachte. Der Grund: ein Nachbar wurde beim Stehlen von Ziegen erwischt und beschuldigte Damu, ihn per Hexerei zum Diebstahl gezwungen zu haben.

Ann Christine Woehrl hat ihre Geschichten festgehalten und sie auf eine besondere Art mit sehr intensiven Farben vor schwarzem Hintergrund – porträtiert. Die Idee dahinter sei, sagt sie, „einerseits das kollektive Stigma einer Gesellschaft abzubilden, die diese Frauen ausgeschieden hat und ihnen andererseits ihre Identität und Individualität zurückzugeben.“ Und ihre Würde.

Info

Die Ausstellung ist Auftakt zum 20. Freiburger Filmforum, das als „Festival of Transcultural Cinema“ vom  12. Bis 21. Mai im Kommunalen Kino stattfindet.
freiburger-filmforum.de

Fotos: © Ann Christine Woehrl