Keine Wasserglaslesungen: Das Freiburger Literaturhaus präsentiert Outside the Box Kunst & Kultur | 18.02.2024 | Erika Weisser

Das Künstlerinnen Kollektiv "Storytelling Engines" im freiburger Literaturhaus

Comic ist so viel mehr als Marvel“, sagt ­Hanna Hovtvian, im Literaturhaus Freiburg zuständig für kulturelle Teilhabe und besondere Projekte. Die knapp 30-jährige Kulturwissenschaftlerin liest sehr gerne Graphic Novels und findet, dass diese Comics im Buchformat „viel zu lange eine viel zu sehr unterschätzte Sparte“ in der Gegenwartsliteratur waren. Und sie hat „schon lange von diesem Projekt geträumt“, das sie nun kuratiert: die Reihe „Outside the Box“, die mit mehreren Festivals und Lesungen dazu einlädt, die vielfältigen, zwischen Wort und Bild angesiedelten aktuellen grafischen Erzählungen zu entdecken.

Dass dies bei „klassischen Wasserglas­lesungen“ nicht möglich ist, liege in der ­Natur des Sujets, sagt Hovtvian: Eine Comic-­Lesung kann nur szenisch oder performativ sein, und die Bilder, die üblicherweise im Kopf der Zuhörenden entstehen, müssen auf eine Fläche projiziert werden, um das gesprochene Wort zu ver­voll­ständigen. So habe denn auch das Freiburger Künstler·innen-Kollektiv „Storytelling Engines“ im Januar den Auftakt zu der Reihe gestaltet. Die Performance der Schauspielerinnen Lucy Wirth, Isabella Bartdorff und Tjadke Biallowons sei ein „großartiges Spektakel“ gewesen, in dem sie anhand von Liv Strömquists Comic „Im Spiegelsaal“ das Dauerthema Schönheit mit viel Witz anschaulich gemacht hätten.

Wer den Auftritt verpasst hat, kann die drei „Storytelling Engines“ im April im Literaturhaus erleben: Am 17., 18. & 19. April bringen sie mit „Ich fühl’s nicht“ einen weiteren Comic der schwedischen feministischen Comic-­Künstlerin auf die Bühne. Doch bevor es so weit ist, füllen noch andere illustre Gäste das Comic-Projekt mit Leben. Da ist zunächst Barbara Yelin, die zu den bekanntesten deutschen grafischen Erzählerinnen zählt. Über ihr Porträt einer Holo­caust-Überlebenden namens „Emmie Arbel. Die Farbe der Erinnerung“ kommt sie am 21. Februar mit der Freiburger Lehrerin Sandra Butsch ins Gespräch. Dabei soll es auch darum gehen, wie das Medium Comic gerade Jugendlichen niederschwellige Zugänge verschafft zu komplexen Themen, die nicht zu ihrer Lebenswelt gehören.

Im März (13. bis 16.) gibt es dann einen viertägigen Comicsalon zu queer-feministischen Perspektiven mit Leinwandlesungen, Klanglandschaften und Late-Night-Kino. Bei diesem Festival ist auch Sonja Eismann mit von der Kuratorinnen-Partie. Sie ist Herausgeberin des Missy-Magazins und „gilt in dieser Bubble als absolute Expertin“, freut sich Hovtvian. Zu Gast sind renommierte Autorinnen, darunter Anke Feuchtenberger, die ihre „Genossin Kuckuck“ mitbringt, oder Marijpol, die in „Hort“ ungewöhnliche Körper und Freundschaften thematisiert. Comic-Werkstätten, Beats und Drinks runden das Geschehen ab, das eine ganz neue Szene ins Literaturhaus locken soll.

Am Ende der Reihe, im Juni und Juli, wird das Literaturhaus für zwei Wochen schließlich selbst zu einem begehbaren ­Comic – in einer Mitmach-Ausstellung zu Birgit Weyhes Comic „Rude Girl“, der es 2023 immerhin auf die Sachbuch-Shortlist des Preises der Leipziger Buchmesse schaffte.

Das ganze Programm: www.literaturhaus-freiburg.de

Buchcover: Hort

Hort
von Marijpol
Verlag: Edition Moderne, 2022
328 Seiten, Softcover
Preis: 28 Euro

 

 

 

Buchcover: Rude Girl

Rude Girl
von Birgit Weyhe
Verlag: Avant, 2022
312 Seiten, Softcover
Preis: 26 Euro

 

 

 

Foto: © Marc Doradzillo