Wie Schoenhals Goebbels einen Korb gab – Der beliebte UFA-Filmschauspieler ging in Freiburg zur Schule und debütierte am Stadttheater Kunst & Kultur | 19.11.2023 | Bernd Serger

Schoenhals mit seiner Frau Anneliese Born auf der Bühne und mit Ufa-Diva Lída Baarová (r). Charmanter Verführer: Schoenhals mit seiner Frau Anneliese Born auf der Bühne und mit Ufa-Diva Lída Baarová (r).

Albrecht Schoenhals? Mit diesem Namen können heute nur wenige noch etwas anfangen. Dabei war er einer der beliebtesten deutschen Filmstars der 1930er-Jahre – und stammte aus Freiburg, wo er zur Schule ging, sein Abitur machte und am Stadttheater seine Schauspielerkarriere begann. Doch diese nahm 1940 eine dramatische Wendung.

Vier Tage gab es im Werdegang von Dr. Albrecht Schoenhals, die sein Leben schicksalhaft veränderten. Im April 1918, Tag 1, traf ihn, der als Chirurg in einem Lazarett an der Westfront diente, ein Splitter an der linken Hand: Eine Verwundung, die ihm den weiteren Einsatz als Arzt unmöglich machte. Danach verlegte er sich aufs Schauspiel, ein Hobby, das er schon als Schüler in seiner Heimatstadt ausgeübt hatte.

Er debütierte, Tag 2, am 21. Juni 1920 als Schauspieler für das Stadttheater Freiburg in einer Freilichtaufführung von „Iphigenie auf Tauris“ im Stadtgarten. Es war ein großer Erfolg, und es folgten deren viele bei seinen Schauspielstationen als Charakterdarsteller und Bonvivant in Halberstadt, Freiburg, Frankfurt, Dortmund, Hamburg – und in Berlin, wo ihn im Januar 1934, Tag 3, die UFA eher aus Zufall entdeckte und ihn als Filmschauspieler gleich für eine Doppelrolle im Film „Fürst Woronzeff“ verpflichtete.

In mehr als 30 Filmen spielte Schoenhals, meist in der Rolle als Adliger, Künstler oder Arzt, mit allen deutschen Diven jener Zeit: von Pola Negri über Olga Tschechowa bis LÍda Baarová. Und es hätte so weitergehen können, wenn ihn nicht zum Jahresende 1939, Tag 4, Joseph Goebbels zu Probeaufnahmen für den Film „Jud Süß“ ins UFA-Studio einbestellt hätte. Schoenhals aber weigerte sich, die Hauptrolle in dem antisemitischen Hetzfilm zu übernehmen – und fiel in Ungnade.

Mit Gustav Gründgens eng befreundet

Neben Schoenhals hatte der Reichs­propagandaminister, so liest man in Schoenhals‘ 1970 veröffentlichten Erinnerungen „Immer zu zweit“, auch Ferdinand Marian zur Übernahme der Rolle des ehrgeizigen Hofjuden aufgefordert. Der lehnte gleichfalls ab, wurde aber dann dazu gezwungen – und litt, trotz glänzender Kritiken, darunter bis zu seinem frühen, ungeklärten Tod im Jahr 1946.

Gustav Gründgens, ebenfalls zu Pro­be­aufnahmen ins Studio nach Neubabelsberg zitiert, erschien nicht. Schoenhals: „Er schickte Goebbels ein Telegramm: ‚Mein Minister wünscht das nicht!‘. Sein Minister – das war Hermann Göring.“

Jakob Schoenhals als Mephisto

Diabolisch: Jakob Schoenhals als Mephisto

Mit Gründgens war Schoenhals seit 1920 eng befreundet, als beide in Halberstadt am Theater ihren ersten richtigen Vertrag als Schauspieler bekamen – und erst mal zu verbissenen Konkurrenten wurden. Das war nach seinem Debüt als immerhin schon 32-jähriger Novize, nach seinen zwei Auftritten in Goethes Schauspiel „Iphigenie auf Tauris“, das im Juni 1920 zum 800-jährigen Stadtjubiläum Freiburgs auf offener Bühne im Stadtgarten aufgeführt wurde. „Die Darstellung des Orest wurde insofern besonders interessant“, schrieb die „Freiburger Zeitung“ damals, „als es sich um eine Neuanstellung dabei handelte. Dr. Albrecht Schoenhals brachte sprachlich und in seiner Person alle guten Eigenschaften eines Vollbluttragöden für den Orest mit und verstand es zu ergreifen, während er seinem Spiel eine modern-psychische Note gab.“

Wie sehr Schoenhals seine Rollen, die von ihm dargestellten Menschen, psychologisch formen, ja durchdringen konnte, war in all den Jahrzehnten danach das Merkmal der Kritiken über ihn. Diese Energie hatte er zuvor allenfalls in Ansätzen gezeigt: Ob als Schüler am humanistischen Friedrichsgymnasium in Freiburg, wo er zwar gern Theater spielte, aber auch einmal sitzen blieb, oder als Medizinstudent in Berlin. Schoenhals, der nicht so recht wusste, was er studieren sollte, war auch hier dem Rat seines Vaters gefolgt.

Gustav Schoenhals war 1897 als Oberstabsarzt mit seiner Familie von Mannheim, wo Albrecht Schoenhals 1888 geboren wurde, an die Garnison nach Freiburg versetzt und 1907, nun als Generalarzt, nach Berlin beordert worden. In Freiburg hatte er seinen Sohn immerhin so motivieren können, dass dieser mit seinem feinfühligen Klavierspiel am Freiburger Konservatorium auch der Presse auffiel.

Der folgsame Sohn beendete an der Kaiser-Wilhelm-Akademie für Militärmedizin in Berlin sein Medizinstudium, arbeitete als Famulus an der Berliner Charité und zog 1914 als junger Chirurg mit einem Feldartillerie-Regiment in den Krieg.

Mehrfach ausgezeichnet, quittierte Schoenhals 1918 nach seiner Genesung den Dienst. Dass er dann beim Film landete, war reiner Zufall. Denn eigentlich hatte die UFA 1934 seine Frau, die mit ihm seit 1928 an den Hamburger Kammerspielen als Schauspielerin auftrat, nach Berlin zu Probeaufnahmen eingeladen. Anneliese Born wollte aber nicht allein vorspielen, so musste der Ehemann ihr zur Seite stehen – mit dem Ergebnis, dass die UFA Schoenhals verpflichtete und „die Born“ wieder nach Hamburg zum Theater und zu ihrem Sohn Kai zurückkehrte.

Da ihr „Ariernachweis“ großväterlicherseits Lücken aufwies und sie denunziert wurde, bekam sie zunehmend Probleme, Engagements am Theater zu finden – gerade auch in Berlin, wo sie später mit Mann und Kind in Dahlem lebte.

Durch Zufall TV-Star

Die Zeiten, da Schoenhals als Schauspieler weniger verdiente als ein Bühnenarbeiter – wie etwa zwischen 1921 und 1924 in Freiburg – waren nun vorbei. Die Filmgagen flossen reichlich (bis zu 150.000 RM im Jahr), denn er war enorm fleißig: Rund sechs Filme im Jahr sahen ihn meist als Haupt­darsteller.

Wie sehr er als UFA-Filmstar gerade von jungen und auch älteren Frauen angehimmelt wurde, erlebte er auch im Januar 1938, als er zur Präsentation seines neuen Films „Tango notturno“ (mit Pola Negri) nach Freiburg kam. Nach jeder Vorstellung sprach er in den „Harmonie-Lichtspielen“ mit den Zuschauern über seine Zeit in Freiburg, unterhielt die Kinogänger mit Anekdoten aus Theater und Film – und sah sich einem nach Autogrammen gierenden Publikum gegenüber.

Zeitungsausschnitt

Aus der Freiburger Zeitung: Der Name reichte offenbar als Schlagzeile

Zehn Monate später gab Schoenhals erneut seiner Heimatstadt die Ehre – diesmal im Gepäck der Film „Rote Orchideen“ (mit Olga Tschechowa und Camilla Horn), der in den „Friedrichsbau-Lichtspielen“ lief. Auch hier harrten die Verehrerinnen vor dem Kino und danach vorm Hotel „Freiburger Hof“ aus, während Schoenhals drinnen mit der Presse plauderte. „Er ist noch derselbe charmante, liebenswürdige Mann, der sich die Herzen seiner Freiburger zu erobern weiß“, schwärmte danach Erich Graf vom NS-Blatt „Der Alemanne“: „Auch seine Liebe zum Theater ist noch nicht erloschen, und er würde gerne einmal als Gast im Freiburger Theater spielen. Wann wird dies möglich sein?“

Zum Theaterspielen kam Schoenhals nach seiner Absage an Goebbels für die Hauptrolle im „Jud Süß“ mehr als ihm lieb war. Denn nachdem sofort seine Filmgagen gekürzt und in laufende Verträge eingegriffen wurde, instruierte die NSDAP sämtliche Filmfirmen, ihn nicht weiter zu beschäftigen. Er war nun „unerwünscht“. Um ihn zu demütigen, „durfte“ er noch in dem NAPOLA-Film „Kopf hoch, Johannes“ (1941) den Vater eines schwer erziehbaren Jungen spielen

Zeitungsausschnitt

Der Womanizer und die Diven:
Jakob Schoenhals hier mit Liv Dagover

Von Berlin nach Baden-Baden

Inzwischen aus dem gefährlichen Berlin ins beschauliche Baden-Baden umgezogen, tourte er mit seiner Frau durch die Lande, rezitierte Gedichte (auch vom verfemten Erich Kästner), spielte Klavier, und Born sang – dies sogar auf Einladung im Führerhauptquartier mal in der Wolfsschanze (Hitler war da aber an der Front). Im Januar 1944 begeisterte Schoenhals auch die Freiburgerinnen und Freiburger im „Museumssaal“ mit seiner Gedichtauswahl. Im Bericht des „Alemannen“ war aber von Kästner nichts zu lesen – wie überhaupt das NS-Blatt auch mit keinem Wort auf sein Karriereende als Filmschauspieler einging.

Den letzten Auftritt in Freiburg vor Kriegsende hatten Schoenhals und Born am 5. November 1944 – im Sickinger-Palais an der Salzstraße anlässlich des 80. Geburtstags der einstigen Großherzogin Hilda. Sie verehrte den Schauspieler schon seit den 20er-Jahren und ließ damals stets, wenn er im Stadttheater spielte, die Loge für sich reservieren. Der Palast mit all dem barocken Prunk sank drei Wochen später beim englischen Luftangriff auf Freiburg in Schutt und Asche. Nur die Fassade blieb stehen – die alte Großherzogin hatte man unverletzt durch ein Kellerfenster geborgen.

Albrecht Schoenhals

Gegen Ende der NS-Zeit sollte auch Schoenhals noch zum Volkssturm. Doch er assistierte lieber als Arzt im Krankenhaus von Baden-Baden, wo er, es fehlte überall an Ärzten, sogar wieder als Chirurg operierte. Auch er musste sich dann der Entnazifizierung stellen. Am 17. Mai 1946 schrieb er an die Untersuchungskommission der Ärzteschaft: „Politisch bin ich nie in irgendwelcher Funktion tätig gewesen, jedoch war meine Anti-Nazi-Einstellung bei meinen Collegen stets allgemein bekannt.“ Schoenhals wurde als unbelastet eingestuft.

Bis zu seinem 80. Geburtstag trat Schoenhals als Schauspieler im Film und Fernsehen, aber auch im Theater und als Rezitator auf. Dass er mit Hingabe französische Dichter übersetzte und auch selbst wunderschöne Sonette schrieb – so auch eines über das zerstörte Freiburg – wurde so richtig erst nach seinem Tod im Dezember 1978 bekannt.

Fotos: © aus Immer  zu zweit, Erinnerungen 1970, bridgemanimages.com, Unibibl. FR, www.pinterest.com, Sammlung Serger