„Sehr saurer Apfel“: Kita-Gebühren sollen in Freiburg steigen, Eltern protestieren Gesellschaft | 25.04.2023 | Till Neumann

Müssen wahrscheinlich mehr bezahlen: Eltern in Freiburg, die ihr Kind betreuen lassen.

Eine größere Staffelung, aber höhere Beiträge. Das Freiburger Rathaus möchte die Gebühren für Kitas neu ordnen. Im Gemeinderat gibt es dafür wahrscheinlich eine Mehrheit. Doch die Elternvertretung stemmt sich mit einer Petition dagegen. Freiburgs Bildungsbürgermeisterin Christine Buchheit verteidigt den Schritt.

Buchheit

Christine Buchheit

„Entsetzt und empört“

„Wir müssen ab und zu in diesen sehr, sehr sauren Apfel beißen.“ So erklärt Bürgermeisterin Christine Buchheit die geplante Änderung der Elternbeiträge. „Wir sind entsetzt und empört, Familien sind eh schon maximal belastet“, kontert der Gesamtelternbeirat der Freiburger Kindergärten und –Tagesstätten (Geb-K). Die Gruppe hat kürzlich eine Petition gestartet. Rund 2800 Unterschriften haben sie bis zum heutigen Tag gesammelt. 2400 Unterzeichnende kommen aus Freiburg.

Am 9. Mai entscheidet der Gemeinderat über das Modell. Demnach sollen ab September die Beiträge neu aufgerollt werden: Dann gibt es statt drei Beitragsgruppen vier: einen Regelbeitrag, einen kostenlosen und zwei ermäßigte. Bisher gab es eine Ermäßigung für alle, die bis zu 20 Prozent über dem Gratis-Satz liegen. Jetzt wird das gestaffelt in 25 und 50 Prozent. Eine kostenlose Betreuung gibt es aktuell für eine Familie mit einem Kind bis zu einem Monatsnettoeinkommen von 2818 Euro.

Trotz der neuen Staffelung werden alle zahlenden Eltern ab September mehr berappen müssen. Von etwa drei bis vier Prozent Mehrkosten geht Buchheit bei Familien aus, die neu in eine ermäßigte Stufe rutschen. 17 Prozent sind es für Eltern, die den vollen Satz bezahlen. In den kommenden zwei Jahren sollen die Beiträge dann weiter steigen.

„Keine Stadt hält den Wert ein“

Die letzte Erhöhung der Elternbeiträge in Freiburg gab es im Sommer 2017. „In den sechs Jahren haben sich die Betriebs- und Personalkosten um mindestens 15 Prozent erhöht“, erklärt Buchheit. Mit den aktuellen Tarifsteigerungen sei es eher noch mehr. „Das heißt, die Kosten werden immer mehr und der Elternbeitrag nimmt einen immer kleinen Posten ein.“

Rund 12 Prozent der Kosten für die Kinderbetreuung in Kitas macht der Elternanteil aus. Den Rest finanzieren die Stadtverwaltung (54 Prozent) und das Land (34 Prozent). Empfohlen wird von den Landesverbänden und Kirchen jedoch, 20 Prozent zu tragen. Auch hier kontert der Geb-K: „Keine Stadt im Land hält den Wert ein.“ Stuttgart sei bei knapp 8 Prozent, Heidelberg bei 10 bis 15 Prozent.

Aline Ekkernkamp Gesamtelternbeirat Geb-K Freiburg Vorstand

Aline Ekkernkamp

Aline Ekkernkamp ist Teil des Geb-K-Vorstands. Sie rechnet vor: „Eine Krankenschwester, die 1500 Euro netto in Teilzeit verdient, zahlt für die U3-Ganztagskrippe ihrer zweier Kinder fast 1000 Euro im Monat. Die wird sich überlegen, ob sie Kinder nicht lieber zu Hause betreut.“ Buchheit vermutet, dass nicht alle die Änderung verstehen: „Vielleicht muss man den Eltern ein bisschen genauer erklären, wie die Kita-Finanzierung läuft und dann vor allen Dingen auch, was die Idee dieser Erhöhung ist.“

„Was sind unsere Kinder wert?“

Das Rathaus wolle die Gebühren sozial gerechter staffeln, erklärt Buchheit. Sie geht davon aus, dass dank der neuen Stufe mehr als jede zweite Familie eine Ermäßigung bekommen kann. Rund 71 Prozent der Eltern zahlen aktuell den Regelbeitrag. Er liegt derzeit bei 236 Euro für ein Krippenkind (6 Stunden Betreuung am Tag). 40 Euro mehr würden es ab September.

Für den Geb-K ist die Erhöhung dennoch nicht ok. „Viele Familien sind ständig am Hantieren mit der Notbetreuung, mit der Erhöhung setzt die Stadt noch einen drauf“, sagt Ekkernkamp. Am Ende sei es eine Frage der Prioritäten, ob Kita-Gebühren steigen oder nicht. „Was sind der Stadt Freiburg unsere Kinder, unsere Familien wert?“, heißt es in der Petition.

Gemeinderat Freiburg

Mehrheit für Erhöhung: Die Lage im Gemeinderat scheint klar pro steigende Beiträge zu sein.

„Es ist alles schon so teuer“

Für Buchheit ist es auch eine Frage der hohen Standards: „Wir wollen, dass die Qualität im Vordergrund steht. Dass Kinder nicht betreut und aufbewahrt, sondern wirklich gefördert werden in der Kita.“ Und irgendwie müsse man das auch bezahlen. Den Protest kann sie dennoch verstehen. „Die sagen: Es ist alles schon so teuer – aber das gilt halt auch für uns als Stadt.“

Im Haushalt der Stadt für 2023/24 sieht der Geb-K dennoch ein Argument: „Er steigt von 2,05 auf 2,4 Milliarden Euro.“ Vor allem durch Steuern stünde dem Rathaus mehr Geld zur Verfügung. Prozentual würde sie damit künftig weniger Geld für Kitas ausgeben. „Schon daher würde sich eine Erhöhung erübrigen.

OB Horn wollte Gebühren abschaffen

Der Gemeinderat wird am 9. Mai darüber entscheiden. Eine klare Mehrheit für das neue Modell scheint gesichert. Dagegen positionieren sich aktuell nur die Fraktionen „Eine Stadt für alle“ und die „Freien Wähler“. Oberbürgermeister Martin Horn wird sich Vorwürfe machen lassen müssen. In seinem Wahlprogramm von 2018 stand: „Eine Entlastung für Familien soll mit der langfristigen Abschaffung der Kita-Gebühren erreicht werden.“ Es ist das Gegenteil der geplanten Änderung.

Fotos: © pixabay, Patrick Seeger, privat, Till Neumann