Süßer Pinguin: Die außergewöhnliche Bachelorarbeit der Ada Neguer Gesellschaft | 12.03.2021 | Tanja Senn

Pinguin als Sexspielzeug Witzig, provokant, ästhetisch: Ada Neguer setzt Sexspielzeug in Szene, um damit aufzurütteln.

Frauen, die ihren Dildo als Lockenstab benutzen, mit einem Vibrator schreiben oder ihre Sextoys wie selbstverständlich beim Frühstück neben sich liegen haben. Das sind Bilder, die den Betrachter stutzen lassen. Genau das ist das Ziel der Fotografin Ada Neguer. Sie will zeigen, dass Sexspielzeug ein normaler Bestandteil des Alltags ist – und damit ein Tabu brechen.

Sich mit den Eltern beim Abendessen über Sexspielzeug unterhalten? Das kann sich Ada Neguer – wie wohl die meisten Menschen – nicht vorstellen. „Das Thema Sex ist überall, aber Selbstbefriedigung ist immer noch ein Tabu“, wundert sich die Dreißigjährige. Ihre Bachelorarbeit an der Freiburger Hochschule Macromedia wollte sie daher nutzen, um diesem Widerspruch nachzugehen.

Dass sie dabei auch die Unterschiede zwischen den Kulturen mit einbezieht, ist für die in Bulgarien geborene und in Israel aufgewachsene Fotografin schnell klar. So führt sie Interviews mit Menschen in Deutschland, Israel und den USA – teils mit Freunden und Bekannten, teils mit vollkommen Fremden. „Natürlich ist das ein sehr intimes Thema, selbst wenn man mit seinen Freunden darüber spricht. Deswegen habe ich mir Mühe gegeben, dass sich alle dabei wohlfühlen“, berichtet Neguer. Bevor es zur Sache geht, führt sie daher mit jedem ein Vorstellungsgespräch: Über was ist der andere bereit zu reden und über was nicht? Welche Fotos sind okay?

Ada Neguer

Ada Neguer

Dabei stellt sie schnell fest: Zwar sind junge Menschen in allen drei Ländern eher offen gegenüber dem Thema, dennoch gibt es Unterschiede. In ihrem Heimatland Israel, wo die Religion präsenter ist und Sex bei streng Gläubigen nicht dem Vergnügen, sondern dem Kinderkriegen dient, wird über Selbstbefriedigung weniger offen gesprochen.

Auch bei anderen Tabus in der künstlerischen Fotografie sind die Unterschiede zwischen den Kulturen groß, weiß Neguer, die seit fünf Jahren in Freiburg wohnt. Um das zu verdeutlichen, zeigt sie Bilder der belgischen Fotografin Frieke Janssens, die Kinder beim Rauchen fotografiert. Was in der westlichen Welt ein No-Go ist, ist in Ländern wie Indien oder Thailand weit weniger anstößig. Mit Tabus spielt ebenfalls der chinesische Fotograf Ren Hang, der seine Landsleute nackt und in teils sehr provokanten Posen ablichtet. Das ist nicht nur in seiner autoritären Heimat verpönt. Auch für Europäer ist es ungewöhnlich, mit der Sexualität von Chinesen konfrontiert zu werden – werden diese doch eher als asexuelle Roboter gesehen.

Sexspielzeug im Alltag

Ein Alltagsgegenstand wie jeder andere: Das veranschaulicht Neguer durch die witzigen Posen ihrer Interviewpartnerinnen.

Auch Neguer will mit ihren Fotos, die sie unter dem Titel „Hide and Seek“ zusammengefasst hat, ein Tabu brechen: „Ich will zeigen, dass Sexspielzeug ein ganz normaler Teil unseres Lebens ist.“ Ihre Interviewpartner bittet sie daher, ihre Toys in Bezug zu Alltagssituationen zu setzen – wie Schachspielen oder Yoga. Im zweiten Teil ihrer Bachelorarbeit setzt sie dann ihr persönliches Spielzeug in Szene. „Ich wollte zeigen, wie ästhetisch die Sachen sind und ihnen die harte Konnotation nehmen“, erklärt die in Karlsruhe arbeitende Fotografin. „Mein Vibrator ist ein Pinguin. Es ist süß, es ist Spielzeug – und nichts, für das man sich schämen muss.“

Daher hat sie auch ihren Eltern in Israel ihre Arbeit gezeigt. „Na ja, die waren jetzt nicht begeistert“, sagt Neguer und lacht, „aber sie unterstützen mich trotzdem.“ Und vielleicht werden ihre Fotografien dadurch irgendwann zum normalen Gesprächsthema beim Abendbrot.

Fotos: © Ada Neguer