Horche Se Mol!: „Der Fund löste Betroffenheit aus“ Horche se mol | 25.01.2023 | Pascal Lienhard

Kummle

Zur NS-Justiz in Freiburg hat Thomas Kummle, ehemaliger Präsident des Freiburger Amts-gerichts, geforscht und eine Dauerausstellung zum Thema initiiert. Sein Fazit: Drei NS-Gerichte tagten während des Zweiten Weltkriegs im Gebäude des heutigen Amts­gerichts am Holzmarkt.

Lust auf REGIO: Was hat Ihr Interesse für die NS-Gerichte in Freiburg geweckt?
Thomas Kummle: Geschichte ist etwas, was jeden interessieren sollte. Zu meinem allgemeinen Interesse kam ein dienstlicher Anlass hinzu. Der französische Verein Le Souvenir français beabsichtigte, eine Gedenktafel zur Erinnerung an die Erschießung von drei französischen Widerstandskämpfern in Freiburg anzubringen. Es galt in diesem Zusammenhang zu klären, vor welchem der damals drei Freiburger Gefängnisse die Ermordungen am 28. November 1944 erfolgten. Die dabei getätigten geschichtlichen Forschungen führten mich zur NS-Justiz.

Lust auf REGIO: Wie war Ihre Reaktion, als Ihnen das Unrecht bewusst wurde, das einst an Ihrem späteren Arbeitsplatz gesprochen wurde?
Thomas Kummle: Das Sondergericht Freiburg hatte im heutigen Gebäude des Amtsgerichts seinen Sitz, was lange bekannt war. Durch unsere Aufarbeitung wurden die Freiburger Sitzungen des Reichskriegsgerichts und des Volksgerichtshofs erstmals recherchiert und dokumentiert. Der überraschende Fund löste Betroffenheit aus. Insbesondere der Volksgerichtshof entwickelte sich unter Roland Freisler zum schlimmsten Terrorinstrument der Nationalsozialisten. Die Tatsache, dass in den Sitzungssälen, die heute noch von der Justiz genutzt werden, viele Unrechtsurteile gefällt wurden, warf auch im Kollegenkreis Fragen zur NS-Geschichte und zum Umgang mit ihr Freiburg auf.

Lust auf REGIO: Stößt Ihre Ausstellung „NS-Justiz in Freiburg“ auf viel Interesse?
Thomas Kummle: Die Ausstellung wurde im Dezember 2020 und damit mitten in der Corona-Phase eröffnet. Das Gebäude des Amtsgerichts wies lange Zeit Zugangsbeschränkungen auf, weshalb praktisch nur Beteiligte von Gerichtsverfahren die Ausstellung besuchen konnten. Inzwischen können sogar Führungen für größere Personengruppen veranstaltet werden. Im Hinblick auf viele positive Rückmeldungen bin ich mit dem Interesse sehr zufrieden.

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