Kunst in Katakomben: Street-Art-Museum in Neuf-Brisach Kunst & Kultur | 08.07.2021 | Hans-Jürgen Truöl und Beate Vogt

Die Bildwelten im MAUSA Mal anspielungsreich und ironisch, mal kritisch oder einfach absurd: Die Bildwelten im MAUSA sind abwechslungsreich.

Von Mickey bis Marilyn: Ein Besuch im im MAUSA Vauban eröffnet faszinierende Einblicke ins Innere der Festung in Neuf-Brisach. Das Museum präsentiert Street-Art auf Weltniveau.

Der Eingang liegt etwas versteckt in der Festungsmauer, die Tür ist mit Graffiti besprayt. Durch vergitterte Fenster fällt diffuses Licht in die Kasematten, es ist kühl und riecht staubig. Beklemmung könnte aufkommen, wären da nicht die Scheinwerfer in den langen Gängen und den Räumen mit gemauerten Rundbögen. Sie beleuchten farbenprächtige Bilder: Da lächelt Marilyn Monroe von der Wand, Micky Mouse reckt die Pfoten in den Raum, eine blaue Figur „schwebt“ kopfüber an der Wand, umgeben von Vögeln und Früchten. Ein kleiner Junge in blaugestreiftem Pullover mit einem Hammer in der Hand hat offenbar gerade eine Wand durchbrochen. Ein „echtes“ Loch in der Wand und bunte Ziegelsteine im Gang „bezeugen“ sein Tun. Augenschmaus und Augentäuschung. 

MAUSA: Der Junge mit dem Hammer

Der Junge mit dem Hammer zählt zu den bekanntesten Werken des MAUSA, gestaltet von Seth – einem Superstar der Szene.

Der Künstler Seth hat die Wand mit dem kleinen Jungen gestaltet. Julien Malland, so sein bürgerlicher Name, zählt zu den Superstars der Szene. Im Eröffnungsjahr 2018 war er einer der ersten „residents“ im Musée d’Art urbain et du Street Art, kurz MAUSA Vauban, in Neuf-Brisach. Es ist ein aufregend ungewöhnliches Museum: Hier werden keine vorfabrizierten Leinwände für wechselnde Ausstelllungen an die Wand gehängt, sondern die Künstler reisen an, um vor Ort ihre Kunst zu schaffen: mit Stiften, Spraydosen, Schablonen, Farbrollen oder Pinseln gestalten sie Wandflächen – und die Besucher können zuschauen. 

Bunt & ungebärdig

Als Clémentine Lemaître und Stanislas Belhomme im Sommer 2018 das Museum in den Katakomben gründeten, mussten sie sich einige Fragen gefallen lassen. Denn Street-Art-Künstler hinterlassen ihre Spuren eigentlich auf den Wänden der Metropolen dieser Welt. Sie machen Kunst im öffentlichen Raum, die oft zum Nachdenken anregt. Ob ein Museum der geeignete Ort sein kann, um diese ungebärdige Kunst festzuhalten? Und dann auch noch unterirdisch? Der kleinste gemeinsame Nenner und Impulsgeber für die Künstler seien die Wände, sagt Museums-Leiterin und Mitgründerin Caroline Lemaître – und Wände gibt es genug auf der fünf Tennisfelder großen Fläche des MAUSA Vauban. 

Sie sind Zeugen der wechselvollen Geschichte Neuf-Brisachs: In kriegerischen Zeiten ließ Sebastien le Prestre de Vauban zwischen 1698 und 1704 den mächtigen achteckigen Stern aus Vogesen-Sandstein erbauen. Der berühmte Baumeister des Sonnenkönigs konnte hier all seine Ideen – die modernsten seiner Zeit – verwirklichen. Uneinnehmbar, wie er sich das erträumt hatte, war seine Festung allerdings nicht: Im deutsch-französischen Krieg wurde sie 1870 fast völlig zerstört. Während der Bombardierungen fand die Zivilbevölkerung Schutz in den unterirdischen Gängen. Nach dem Wiederaufbau war in den Flügeln der Anlage, in denen heute das Museum beheimatet ist, ein Militärhospital. Seit 2008 gehört die Festungsstadt zum Unesco-Weltkulturerbe.

Mit Spraydose & Pinsel

Die Idee der Gründer ist aufgegangen: Inzwischen haben sich 30 Street-Art-Künstler aus aller Welt auf ganz unterschiedliche Weise mit diesen besonderen Wänden auseinandergesetzt. Beeindruckend der Blue Room von Denis Meyers aus Belgien. Mit 8000 Wörter, die ihm Besucher bei der Arbeit zusprechen konnten, und Porträts von Menschen aus Neuf-Brisach hat er einen Raum ausgemalt. Lebensgroße Figuren von Levalet alias Charles Leval stehen wie in der Bewegung erstarrt neben Fässern mitten im Gang – sind sie auf der Flucht? Verhalten lächelt etwas weiter der Baumeister des Königs mit Lockenperücke, verewigt in „seinen“ Katakomben: C215 alias Christian Guény – er gilt als „Frankreichs Antwort auf Banksy“ – zauberte das Porträt Vaubans mit Spraydosen und Pinsel in perfekten Hell-Dunkel-Kontrasten an die Wand. 

Der Blue Room der MAUSA

Die Gesichter im Blue Room von Denis Meyers repräsentieren unter anderem Menschen aus Neuf-Brisach.

Endlich ist das Museum wieder geöffnet und ohne Test zugänglich. Die ersten „residents“ haben sich angekündigt und werden im Sommer Wände gestalten. Die Besucher können ihnen dann bei der Arbeit über die Schulter blicken. Bei wohltemperierten 15 Grad lässt es sich gut wandeln in den Gängen und Räumen – und vielleicht entdeckt der eine oder die andere neben den bunten Street-Art-Spuren aus aller Welt das historische Graffito aus dem Jahr 1945, das französische Pfadfinder hinterlassen haben. 

Info

MAUSA Vauban
1, Place de la Porte de Belfort, 68600 Neuf-Brisach
Öffnungszeiten:
Mo.–Sa. 9–13 Uhr u. 14–17 Uhr
So. und feiertags 10–13 Uhr
Eintritt: 10 Euro, ermäßigt 8 Euro Kinder unter zehn Jahren frei
www.mausa.fr

Fotos: © Hans-Jürgen Truöl; Seth 2018; Hans-Jürgen Truöl