„Moler vom Horn“: Karl Hauptmann – der Schneemaler Kunst & Kultur | 31.01.2022 | Kornelia Stinn

Schwarzwaldhöfe in Winterlandschaft

Bäume wie verschrobene Kerle, glitzernde Schneemeere, geduckte Häuser als Zufluchtsorte im unendlichen Weiß: Vor hundert Jahren zauberte der in Freiburg-Günterstal geborene Maler Karl Hauptmann die idyllischen Seiten der kalten Jahreszeit auf die Leinwand.

Auf langen, schmalen Holzbrettern stapft er zu seinem Molerhüsli auf der Grafenmatt am Herzogenhorn gegenüber dem Feldberg hinauf. Der Wind pustet Schneekristalle über samtige Höhen, klebt sie in langen kalten Bärten an die tief herabhängenden Äste der Bäume. Was für ein Motiv! Der einsame Wanderer schnallt die Lederriemen auf, mit denen seine Schuhe an den Brettern befestigt sind, stopft die Skier gekreuzt in den Schnee, holt eine Leinwand aus dem Rucksack, platziert sie auf der improvisierten Staffelei und hält mit schnellen Strichen die Szenerie fest.

So mag es zugegangen sein, wenn Karl Hauptmann im Winter unterwegs war. 1880 in Freiburg geboren, arbeitete er seit 1906 als freischaffender Kunstmaler. Seine Ausbildung hatte er in privaten Kunstschulen in Nürnberg und München erhalten. Im Ersten Weltkrieg war er als Gebirgsjäger auf Skiern im Einsatz. Schon vor dem Krieg hatte er mit einem Freund zusammen das Molerhüsli gekauft, das er später allein übernahm und bewohnte. Während seine Frau Maria Magdalena und sein Sohn Arthur in Freiburg lebten, „saugte“ Hauptmann die Landschaft am Feldberg mit Pinsel und Farben auf.

Karl Hauptmann im Skimusem

Die Skier als Staffelei, der Stift in der Hand: Hauptmanns Gemälde sind keine Gedanken-Idyllen, sondern der Natur abgeschaut, wie die „Schwarzwaldhöfe in Winterlandschaft“. Aus dem Jahr 1926. Online zu betrachten auf der Website des Augustinermuseums Freiburg: www.freiburg.de

Rund 1600 Landschaftsgemälde sind im Molerhüsli entstanden. Seine Enkelin Gaby Hauptmann: „Der Großvater ging ja immer in den Wald. Er sagte ‚Die Lichtungen des Waldes sind von Gott gemacht, der Wald ist die Kathedrale.‘“ Im gerade beginnenden Schwarzwald-Tourismus waren seine Gemälde gefragt: Da ließ sich ein Bild der rauen, scheinbar unberührten Natur in die Stadt mitnehmen, wo längst schon Fabrikschlote rauchten. Und so war der einsam lebende Maler durchaus mit Gästen plaudernd im Feldbergerhof oder im Hebelhof anzutreffen, wo er betuchte Touristen begeistern konnte.

Die meisten seiner 13 großformatigen Werke, die im Bernauer Kunstmuseum ausgestellt sind, zeigen den winterlichen Schwarzwald, das Lieblingsthema von Karl Hauptmann. In der Schneelandschaft kannte er sich aus. Der „Moler vom Horn“ schuf idyllische Bilder, in denen der Winter wie ein mächtiger, aber dennoch liebenswürdiger Freund erscheint. Schnee bedeckt alles, die Welt steht still auf seinen Gemälden. Dabei wusste er durchaus um die ganz konkreten Gefahren des Winters für die Menschen im Schwarzwald: Als versierter Skifahrer und Mitbegründer der Bergwacht hat er so manches Leben gerettet.

Georg Thoma im Skimuseum

Georg Thoma präsentiert mit Begeisterung Hautpmanns Schwarzwaldansichten.

Mit 67 Jahren starb der Feldbergmaler an einem Ostermontag an einem Herzleiden in seinem Molerhüsli. Da war der Feldberg schon längst kein unberührtes Paradies mehr. Hauptmann war sich bewusst, dass er eine vergängliche Schönheit festhielt: „In 50 Jahren wird nichts mehr so sein wie heute, bewahrt meine Bilder – sie sind ein Blick in die Vergangenheit“, hat er einmal gesagt.

Einer, der Hauptmanns Bilder bewahrt, ist der heute 84-jährige Georg Thoma. 1960 hatte er bei den olympischen Spielen in Squaw Valley als erster Mitteleuropäer die Goldmedaille in der Nordischen Kombination gewonnen. Das Herzogenhorn umrundete er als Jugendlicher bei seinen Trainingsläufen, vorbei am „Molerhüsli“, dem Refugium des Feldbergmalers, den Thoma persönlich nicht mehr kennengelernt hat. Aber etliche Bilder fanden später ihren Platz in Hinterzarten im Schwarzwälder Skimuseum. Da erläutert der bis heute jugendlich wirkende Thoma bei Führungen lebhaft Hauptmanns riesige Gemälde mit Schwarzwaldtannen oder das Bild vom Feldbergturm, das zwischen alten Skiausrüstungen hervorlugt … Die Begeisterung für die verschneite Schwarzwaldlandschaft rückt dann ganz nah und weckt die Lust, sofort selbst aufzubrechen zu einer Tour ins kühle Weiß – auch wenn unberührte Stille in der Winterwelt des Schwarzwalds heute ein rares Gut geworden sind.

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Bilder von Karl Hauptmann sind an folgenden Orten zu sehen:
Hans-Thoma-Museum in Bernau, www.hans-thoma-museum.de
Schwarzwälder Skimuseum Hinterzarten, www.schwarzwaelder-skimuseum.de
Galerie Meier, Freiburg: „Schnee von gestern und heute“, Ausstellung mit Bildern von Karl Hauptmann, Hermann Dischler, Wolfram Scheffel, Christopher Lehmpfuhl u.a., bis Februar 202

Fotos: © Winfried Stinn; Schwarzwälder-Skimuseum