Manche mögen’s kühl: Gefährdete Schwarzwald-Forelle Land & Leute | 09.06.2021 | Tanja Senn

Fische Zu wenig Wasser, Schatten oder Platz: Das alles trägt zum Stress der Forellen bei.

2070 könnte es in den niedriger gelegenen Flüssen und Bächen des Ländles keine einzige Forelle mehr geben. Schuld ist eine neu erforschte Nierenkrankheit, die in Kombination mit dem Klimawandel tödlich enden kann.

„Schaug hi, da liegt a toter Fisch im Wasser, den mach ma hi!“, sang in den 70er-Jahren die Dixie-Band Hot Dogs. Dieser Nonsense-Text hat leider viel mit der aktuellen Situation zu tun. Denn unter den Forellen in Baden-Württemberg grassiert eine neu erforschte Krankheit: die parasitäre Nierenerkrankung PKD. Vor ihr warnt nun die Fischereiforschungsstelle in Langenargen.

So ganz neu ist die Krankheit nicht, weiß Patrick Schnurr vom Landesfischereiverband Baden-Württemberg. In der Schweiz ist sie schon vor Jahren aufgetaucht, wie weit sie bei uns verbreitet ist, weiß man aber erst jetzt durch die Untersuchungen der Forschungsstelle: Der Erreger lässt sich in fast allen großen Gewässern wie Bodensee, Hoch- und Oberrhein bis hin zum Neckar finden.

Doch nicht überall sterben die Forellen auch daran. Während in Zuchten bis zu 90 Prozent der Fische deswegen eingehen können, sind es in manchen Bächen nur zehn Prozent. „Ob die Krankheit tödlich verläuft oder nicht, hängt davon ab, wie viele Stressfaktoren es ansonsten noch gibt“, erklärt Schnurr. Stress für Fische bedeutet etwa: zu wenig Platz, zu hohe Wassertemperaturen oder Niedrigwasser. So sei die Belastung in der Massentierhaltung einer Zucht deutlich höher als in einem ursprünglichen, beschatteten Schwarzwaldbach.

Gestresste Fische

So bricht die Nierenkrankheit vor allem im Sommer aus – und zwar, wenn die Wassertemperatur zwei bis vier Wochen lang über 15 Grad liegt. In Hitzesommern werde diese Temperatur in fast allen heimischen Gewässern erreicht, sagt der Bezirksreferent für Natur- und Artenschutz in Südbaden. Wie warm es genau wird, will sein Verband nun mit Temperaturloggern herausfinden, die über ein Jahr hinweg alle halbe Stunde messen. Welche Rolle die Wärme spielt, zeigen Untersuchungen aus der Wutach: Im kühlen Oberlauf erkranken die Forellen zwar auch, aber erst im Mittel- und Unterlauf treten größere Verluste des Bestands auf.

Was also tun? Gegen den Erreger selbst könne man nicht vorgehen, weiß Schnurr: „Wenn der einmal im Wasser ist, ist er drin.“ Man könne aber dafür sorgen, dass die Fische weniger Stress ausgesetzt sind. Stichwort: Renaturierung. Geht es nach dem Naturschützer, müssten hierbei viel mehr Anstrengungen unternommen werden. „Wenn 200 Meter Bachlauf renaturiert werden, wird das groß gefeiert, aber es schaut sich niemand an, wie es die nächsten Kilometer weitergeht“, moniert der 34-Jährige. Bestes Beispiel sei die Dreisam: „Nur weil an zwei, drei Stellen ein paar Steine reingeworfen werden, ist der Fluss doch nicht renaturiert.“

Der Experte spreche hierbei lieber von einer Strukturverbesserung. Denn echte Renaturierung – den Fluss also in seinen Urzustand zurückzuversetzten – sei meist kaum möglich. Wie ein natürlicher Flusslauf aussieht, könne man etwa in der Wutachschlucht sehen, wo sich das Wasser immer wieder neue Wege bahnt. Das sei wichtig für Forellen oder Eschen, die lockeren Kies in der Flusssohle brauchen, um hier zu laichen. Fließt das Wasser immer über die gleichen Stellen, wird der Kies aber nach und nach abgetragen.

Ein weiteres Problem: Die Fische haben oftmals keine Möglichkeit, der Hitze zu entfliehen. Wehranlagen mit nicht funktionierenden Fischtreppen – laut Schnurr leider sehr viele – versperren den Weg in kühlere Gewässer. Und wenn der Weg bergauf doch gelingen sollte, der Rückweg führt durch die Turbine hindurch, was rund die Hälfte der Tiere nicht überlebe. Schaug hi …

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