Piep und flatter, flatter: Punkrock-Fete im Jazzhaus Musik | 29.09.2023 | Pascal Lienhard

Team Scheiss im Jazzhaus

„Ich bin Karstadtdetektiv, ich bin Detektiv bei Karstadt“. Das ausverkaufte Jazzhaus feiert aus voller Kehle eine Spürnase, die doch eigentlich nur einen Freund haben möchte. Mit mal absurden und mal politischen Texten brachte die Bremer Punkband mit dem klingenden Namen Team Scheisse am gestrigen Donnerstag die Decke zum Tropfen.

Viele versuchen kurzfristig ihr Glück. „Hast du noch ein Ticket?“ Die Frage ist an diesem Abend vor dem Jazzhaus ein konstantes Hintergrundrauschen. Schon seit Monaten ist das Breisgauer Gastspiel der Bremer Punkmusikanten restlos ausverkauft. Seit 2020 hat sich das Quintett ein breites Publikum erspielt, im März haben sie es mit Jan Böhmermanns Magazin Royale bis ins ZDF gebracht.

Vorband mit Punk-Attitüde

Das Publikum, das vor dem Konzert die letzten Sonnenstrahlen an der Schnewlinstraße abgreift, ist größtenteils zwischen 20 und Anfang 30. Zwischen dem einen oder anderen Iro dominieren Shirts genretypischer Bands.

Vom ersten Act des Abends hat hier wohl keiner ein Shirt. Zumindest weiß man das nicht so genau. Denn das Trio fährt eine kompromisslose Punk-Attitüde und lehnt es ab, sich vorzustellen. Auf die mehrfach nach vorne gebrüllte Frage, mit wem man das Vergnügen habe, antworten die Jungs pragmatisch. „Wie heißt ihr denn?“, will der Drummer wissen. Die Songs funktionieren auf jeden Fall, sie bewegen sich irgendwo zwischen Punkrock und Indie. Vereinzelt wird der Pogo eröffnet, nach rund 40 Minuten gehen die namenlosen Künstler von der Bühne. Später verraten immerhin Team Scheisse den Namen ihres Supports: Planets are on it heißt die Leipziger Formation.

Noch bevor Team Scheisse die Bühne überhaupt betreten, surfen schon die ersten Fans über die Hände des Publikums. Keine Frage, in wenigen Minuten wird hier die Hütte brennen. Mit „Verjubel all mein Cash“ gehen die Nordlichter gleich in die Vollen – aber nicht ohne mitten im Song noch mal ihre Regeln klar zu machen: T-Shirts bleiben an, wenn jemand fällt, wird ihm hochgeholfen, übergriffiges Verhalten wird nicht toleriert. Ein starkes Zeichen, hinter das die Bremer später mit zwei Moshpits exklusiv für FLINTA*-Personen noch einmal ein fettes Ausrufezeichen setzen.

Irrsinn und Haltung

Ihren aktuell angesagtesten Song hauen Team Scheisse als zweite Nummer raus. „Ich bin ein fucking Schmetterling“, ruft Sänger Timo Warkus, „Flatter, flatter, flap, flap“, gröhlt die Menge zurück. „Fresse in die Blume!“ – „Schlabber, schlabber, schlab, schlab!“ Die durchgeknallte Selbstbestätigungsnummer („Ich bin fantastisch, wunderschön und bunt“) zündet, schon jetzt sind die ersten Shirts nass. Gegen Ende wird die Decke des altehrwürdigen Kellers noch tropfen.

Wer Team Scheisse als reine Fun-Kombo abtut, irrt. Neben Hits um einsame Karstadtdetektive oder Panzerquartett stehen unter anderem Tracks über Rechtsruck und Waffenhorter auf der Setlist. Bei Zeilen wie „Ich bin ein Gewehr vom deutschen Militär und ich stand in einem Schrank, ich gehörte einmal dem deutschen Militär, jetzt bin ich zuhause bei Frank“ bleibt das Lachen im Hals stecken.

Trotzdem sind es die durchgeknallten Songs, die am meisten zünden. Ganz vorne dabei: „Rein ins Loch“. In den Lyrics geht es nicht um irgendwelche Schweinereien, sondern um Pfandrückgabe: „Rein ins Loch, piep, rein ins Loch, piep“ skandieren Warkus und Fans.

Den größten Überraschungsmoment des Abends hat ein fünfköpiges Freiburger Vokalensemble, dass den „Karstadtdetektiv“ in die Hochkultur enführt. Natürlich täuscht das nicht darüber hinweg, dass die Songs von Team Scheisse ziemlich simpel sind und musikalisch nur wenig Abwechslung bieten. Auch wenn die Dichte an Ohrwürmern hoch ist, ähneln sich viele Nummern doch arg. Aber bei der ausgelassenen Stimmung im Jazzhaus juckt das kaum jemanden.

Foto: © Pascal Lienhard