Wilde Nachbarn: Wildtiere in der Stadt Natur & Umwelt | 08.10.2022 | Jennifer Patrias

Ein Dachs beim am ehemaligen VAG-Depot in Freiburg bei Nacht Nächtliches Stelldichein mit einem Dachs am ehemaligen VAG-Depot in der Freiburger Urachstraße – festgehalten von Naturfotograf Klaus Echle.

Wildschweine im Vorgarten, Füchse im Park: Schon lange sind Wildtiere in der Stadt keine Seltenheit mehr. Gemütliche Unterbauten und ein großzügiges Nahrungsangebot locken immer mehr Tiere in die Nähe der Menschen. Eine nicht unproblematische Nachbarschaft.

„Eine Stadt bietet unglaublich viele Lebensräume. Gerade deshalb kann eine Vielzahl an verschiedenen Arten in der Stadt leben. Auch scheue Tiere wie Rehe“, erklärt der Freiburger Förster Klaus Echle. Er hat sich nicht nur früh dem Schutz und dem Erhalt von Tier und Wald verschrieben, sondern auch als Naturfotograf viel über die Gewohnheiten der Wildtiere gelernt.

Wie viele Wildtiere in den letzten Jahren ihren Weg in die Stadt gefunden haben, ist nicht bekannt. Obwohl die meisten einen Lebensraum im Wald bevorzugen, pendeln viele Waldbewohner in den urbanen Bereich. „Ein Teil der Tiere richtet sich dauerhaft in der Stadt ein“, erzählt Echle schmunzelnd. Studien zeigen, dass es sogar einige Populationen gibt, die überhaupt nicht mehr in den Wald zurückkehren und sich gänzlich in der urbanen Welt niederlassen.

Ein Fuchs der an einem Pappbecher knabert

Burger, Pommes und halbvolle Becher sind ein gefundenes Fressen für die in der Stadt lebenden Tiere. Klaus Echle (u.) wird tagtäglich mit diesem Phänomen konfrontiert.

Inzwischen wohnen nicht nur Igel, Siebenschläfer, Eichhörnchen und verschiedene Vögel in der Stadt, auch Rehe, Wildschweine, Dachse, Füchse und Steinmarder haben ihren Lebensmittelpunkt nach und nach verlagert.

„Gerade Marder, Füchse und Dachse kommen vermehrt in Freiburg vor, richten sich meist auch häuslich hier ein“, so Echle. „Der Steinmarder gilt zum Beispiel als Kulturfolger. Früher war er ein reiner Felslandschaftsbewohner, hat mit Felsen oder Blockhalden vorlieb genommen.“ Seinen Weg in die Stadt hat er über Umwege gefunden – weil Hochhäuser den Felsen in der Natur ähneln. Auch Füchse haben ihren Lebensraum verlegt. In den dicht besiedelten Städten finden die Fellnasen genügend Nahrung und einen gemütlichen Lebensraum – beste Voraussetzungen für ein fast sorgenfreies Leben.

Einzig der Dachs ist ein wenig scheuer, lebt meist zurückgezogen am Waldrand. Im Gegensatz zu anderen Wildtieren braucht der haarige Grimbart eine offene Landschaft zum Leben.

Klaus Echle

„Inzwischen kann man aber überall mit den Tieren rechnen“, erklärt der Naturfotograf. „Gerade in Neubaugebieten und am alten Güterbahnhof genießen die Tiere den ruhigen Lebensraum.“

Und auch die Futtersuche gestaltet sich in Freiburg recht einfach. Während der Dachs sich in erster Linie von Regenwürmern ernährt, diese am liebsten in englischen Gärten auf dem Lorettoberg jagt, ernähren sich andere Wildtiere von dem, was sie in der Stadt und den angrenzenden Gärten finden.

Pizza für den Fuchs

„Durch die Wegwerfgesellschaft gehören inzwischen auch Pizza und Döner zu festen Grundnahrungsmitteln“, erläutert der Förster. Die neue, meist ungewohnte Lebensweise sorgt schließlich für Veränderungen bei den Tieren: Äußerlich ist zu beobachten, dass die Schnauze kleiner wird. Aber auch „Zivilisationskrankheiten“ wie Arterienverkalkung und Herzinfarkt treten neuerdings bei den urbanen Wildtieren auf.

Ein Fuchs in der Natur

Ein Fuchs in seinem eigentlichen, natürlichen Lebensraum.

Und auch wenn sich diese Tiere an den menschlichen Lebensraum anpassen und meistens friedlich in der Stadt wohnen, ist die Nachbarschaft nicht konfliktfrei. Neben den klassischen Schäden am Auto ärgern sich die menschlichen Mitbewohner recht häufig über Flur- und Wohnungsschäden, Sorgen bereiten Tollwut und der Fuchsbandwurm. Trotzdem erkennt Echle keinen tiefgreifenden Konflikt: „Die Reaktionen auf Wildtiere in der eigenen Umgebung sind heutzutage eher positiv zu bewerten.“

Beim Umgang mit den wilden Nachbarn in der Stadt gibt es allerdings noch Aufklärungsbedarf: „Auch wenn wir denken, dass wir die Wildtiere nicht aktiv füttern, tun wir es doch“, erklärt der 58-Jährige. „Wir werfen Lebensmittel weg. Und auch wenn der Joghurtbecher nur noch leicht verschmutzt ist, muss man bedenken, dass so ein Tier viel kleiner ist und weniger Energie braucht.“ Grundsaätzlich gilt, so Echle: „Es sind immer noch Wild- und keine Haustiere.“

Fotos: ©  Klaus Echle