Zoff um Widerrufsrechte: Baurechtskanzlei Steiger, Schill und Kollegen mit einem Dutzend Fälle Bauen & Wohnen | 28.02.2019 | Lars Bargmann

Der Freiburger Architekt Oliver Schmidt ist schon seit 30 Jahren im Geschäft. So einen Fall aber hatte er noch nie: Nach fast getaner Arbeit samt Präsentation für einen privaten Auftraggeber will dieser nun von dem geschlossenen Architektenvertrag zurücktreten und führt dafür ein Widerrufsrecht ins Feld. Es geht um insgesamt rund 80.000 Euro. „Kein Einzelfall“, sagt Nicolas Schill von der Baurechtsspezialistenkanzlei Steiger, Schill und Kollegen in Staufen.

Schmidt hatte den Vertrag am vergangenen 9. April an seine Auftraggeber geschickt. Per Mail. Diese druckten ihn aus, die Erbin einer Erbengemeinschaft und deren Mann unterzeichneten das Werk, er brachte den Vertrag am selben Abend noch persönlich ins Büro von Schmidt in der Wiehre, wo der Architekt den Vertrag ebenfalls gegenzeichnete. So schildert es Schmidt. So steht es auch in der dem chilli vorliegenden Klageschrift.

Die Auftraggeber hingegen geben an, dass der Vertrag in ihrer Küche unterzeichnet worden wäre. Träfe das zu, besäßen sie – wenn sie als normale Verbraucher und nicht gewerblich handeln – tatsächlich das Recht, zurückzutreten. Und zwar zwölf Monate und 14 Tage lang.

Erst kam die Arbeit, dann der Widerruf

Denn: Bei Vertragsschlüssen außerhalb seiner Geschäftsräume hätte Schmidt der Erbin mit dem Vertrag auch eine Widerrufsbelehrung aushändigen und sich auch unterzeichnen lassen müssen. „Das habe ich in all meinen Berufsjahren noch nie gemacht“, sagt der Architekt. Er habe den Fall zwei Kollegen erzählt, auch die hätten ein solches Papier bislang nie ausgehändigt. Es gibt aber durchaus Architekten, die das machen, wie etwa Mathias Haller dem chilli bestätigt.

Das von der EU initiierte Widerrufsrecht soll Verbraucher eigentlich vor Haustürgeschäften schützen. Warum es länger als ein Jahr gilt, ist für den Laien nicht leicht verständlich. „Architekten müssen von der Widerrufsbelehrung Gebrauch machen, wenn sie auf der sicheren Seite sein wollen, sonst kann das bittere Folgen haben“, sagt Schill. In seiner Kanzlei häufen sich solche Fälle: „Aktuell haben wir fast ein Dutzend.“

»Dreist und unverfroren«

Bei Schmidt ging es um den Umbau des Albertus-Magnus-Hauses und eines Nachbargebäudes in St. Georgen. Er entwarf drei Varianten, schickte digitale Pläne an die Erbin, präsentierte diese auch vor Ort. Wenig später überwiesen die Auftraggeber eine erste Anzahlung. Ein paar Tage drauf aber kündigten sie schriftlich den Vertrag. Als Schmidt daraufhin die Schlussrechnung anforderte, nahmen sie sich im August einen Anwalt, der das Widerrufsrecht anführt und auch die Anzahlung zurückfordert. Schill fordert für Schmidt im Gegenzug in der Klage nun die noch offenen rund 60.000 Euro.

Der zuvor von Schmidt befragte Justiziar der Architektenkammer Baden-Württemberg riet ihm, einen Anwalt einzuschalten. „Er sagte, dass ich auf jeden Fall im Recht bin“, sagt Schmidt. Der Vortrag der Gegenseite, dass der Vertrag in der Küche unterzeichnet worden wäre, sei „dreist und unverfroren“. Schmidt möchte vor Gericht auch festhalten lassen, dass die Auftraggeber nicht einfach seine Planung nehmen und dann in ein paar Jahren diese für den Umbau nutzen. Er wird fortan mit Widerspruchsbelehrungen arbeiten.

Visualisierung: © dreisamarchitekt Oliver Schmidt