Freiburger Start-up Gardion will das Internet sicher machen business im Breisgau | 15.11.2020 | Philip Thomas

Thomas Schleukhoff

Potente Viren, preiswertes Viagra, personalisierte Werbung. Irgendwann wurde es Thomas Schlenkhoff im Netz zu bunt. Er gründete Gardion und tüftelte drei Jahre lang an einer App. Mehr als 750.000 Euro Fördergelder und ein Neustart stecken darin.

Das kleine Programm soll Werbe-Wellen beim Surfen brechen und schädliche Software sieben. Die erste Idee zu Gardion kam Schlenkhoff 2017. Der Familienvater suchte damals nach einer Möglichkeit, das Internet mit all seinen dunklen Ecken für seine Söhne sicherer zu machen. Damit die 11- und 13-Jährigen nicht stundenlang am Smartphone surfen, sollte die App außerdem die „Screen Time“ beschränken können. „Der Gedanke war sicheres und sauberes Internet für die ganze Familie“, erinnert sich der heute 46-Jährige im Co-Working-Space beim Freiburger Martinstor.

Mit dem Konzept seien dem Gründer die Visitenkarten damals förmlich zugeflogen. Auch ein mit 120.000 Euro dotiertes Gründerstipendium vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie erhielt der erklärte „Internetrebell“. Ohne diese Initialzündung würde Gardion heute vermutlich nicht existieren: „Das war entscheidend.“ Nach zwei Jahren und einer weiteren Förderung in Höhe von 250.000 Euro folgte dann aber Ernüchterung.

Es war zu einfach, Schlenkhoffs Sperren zu umgehen. „Wir haben das einfach nicht dicht bekommen“, sagt er. So konnte etwa der Screen Timer durch einfaches Entfernen der SIM-Karte zurückgesetzt werden. „Wir haben viel investiert und ein Jahr verplempert“, kommentiert der IT-Spezialist. Im November 2019 zogen Schlenkhoff und Mitgründer Benjamin Fröhlich dann die Notbremse.

Gardion wurde umgebaut und bestand fortan aus einer Kombination aus VPN, also einer Art digitalem Tunnel, der anonymes Surfen ermöglicht, sowie einem Filter, der Werbung und Schädlinge im Netz siebt. „Die Kombination ist radikal“, so Schlenkhoff. Das sei auch nötig: Selbst seriöse Nachrichtenseiten haben heutzutage rund 50 Tracker. Der Computerspezialist betont: „Werbe-Profile vieler Nutzer sind komplex.“ Für den Artikel-Aufbau unbedingt notwendig seien bloß fünf.

Schlenkhoff weiß um die Konkurrenz auf dem digitalen Sicherheitsmarkt. „VPNs werden oft damit beworben, illegale Aktivitäten im Netz zu ermöglichen.“ Die Briefkästen der entsprechenden Firmen stehen meist in Bananenrepu­bliken. Was unter Palmen mit den Daten passiert, ist laut Schlenkhoff ebenso fadenscheinig. Gardion hingegen unterliegt deutschen Gesetzen: „Wir haben hier einen klaren Rechtsrahmen.“

Bald aber wurde für die Umsetzung des neuen Produkts das Geld knapp. Im Juni scheiterte eine Crowd­funding-Kampagne an 15.000 Euro. Mitten in der Corona-Krise seien junge Firmen und Start-ups auf Fördermittel aber dringend angewiesen: „Privat­inves­toren musst du im Moment gar nicht fragen. Der Markt ist tot.“ Der Gründer habe sich verkalkuliert: „Das war eine Nahtoderfahrung.“

2000 Kunden für die schwarze Null

Nach langer Zitterpartie dann die Rettung im Oktober: Satte 400.000 Euro stellt das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) für den Markteintritt von Gardion. Die letzte kostenlose Testphase mit 80 Nutzern ist gerade beendet. „Wenn davon zehn Prozent zahlen würden, wäre das gut“, sagt der Gründer. Für die schwarze Null brauche Gardion 2000 bis 3000 zahlende Kunden. „Noch sind wir nicht sicher“, sagt Schlenkhoff. Und seine Kinder? Die müssen ihre Handys abends ganz altmodisch wieder rausrücken.

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