Mehr Ruhe beim Arzt: Tomes GmbH will Patienten und Medizinern Zeit verschaffen business im Breisgau | 05.04.2023 | Till Neumann

Illustration der neuen vernetzung

Wer der Ärztin seine Beschwerden schildert, ist danach nicht immer zufrieden. Zu wenig Zeit. Zu unpräzise Angaben. Das Freiburger Start-up Tomes möchte das ändern: Es hat die Anamnese-Software Idana auf den Markt gebracht – und ist auf Wachstumskurs. Ein Arzt findet: Das Tool ist Gold wert.

Drei junge Menschen haben sich 2016 in Freiburg zusammengetan, um die Welt der Arztpraxen umzukrempeln. Ihre Idee: Patient·innen sollen nicht mehr im Behandlungszimmer ihre Beschwerden schildern, sondern in aller Ruhe vorab. Dafür stellt Idana digitale Formulare zur Verfügung, die vor dem Praxisbesuch ausgefüllt werden können. Patient·innen geben Beschwerden an genau wie Vorerkrankungen, Allergien oder Medikamente, die sie nehmen. Den Behandelnden werden die Infos aufbereitet und bereitgestellt.

„Der Bericht spuckt jedes Detail aus, Warnsymptome werden hervorgehoben, auf der ersten Seite gibt’s eine Zusammenfassung“, erklärt Lilian Rettegi. Die 33-Jährige ist CEO von Tomes und eine der drei Gründer. Ihre Eltern waren selbst Ärzte: „Ich bin mit dem Beruf aufgewachsen, mit der Leidenschaft, aber auch mit den Sorgen, die man so hat“, berichtet sie im schicken Konferenzraum der Firma auf dem Freiburger Güterbahnhofsgelände. Das Gefühl, als Arzt „immer hinterherzulaufen und nie gut vorbereitet zu sein“, kenne sie. Daher hat sie die Idee ihrer Mitstreiter Lucas Spohn und Jerome Meinke auf Anhieb überzeugt.

Lilian Rettegi

Setzt auf Digitales: Tomes-CEO Lilian Rettegi

650 Ärzte in zirka 400 Praxen nutzen Idana mittlerweile, berichtet Rettegi. 670.000 Euro Umsatz generiere ihre Firma. 2022 war das bisher erfolgreichste Jahr: „Im November hat Tomes doppelt so viele Lizenzen an Arztpraxen verkauft wie im verkaufsstärksten Monat bis dato“, meldet das Unternehmen. Von rund einer Million Patienten gaben 93 Prozent an, die Software erneut verwenden zu wollen. „Das Bedürfnis ist da“, sagt Rettegi. Eine der Patienten-Rückmeldungen sei gewesen: „So gut wurde ich noch nie befragt.“

Laut Idana spart ein Arzt mit dem Tool rund zehn Stunden im Monat. Können das die Nutzenden bestätigen? Der Allgemeinmediziner Florentin Thum ist mit seiner Freiburger Praxis in Corona-Zeiten an Grenzen gestoßen. „Wir hatten enorme Telefonanfragen“, berichtet der 45-Jährige. Idana sei damals unschlagbar gewesen, um die Abläufe zu erleichtern. „Das Programm kann man vielfältig einsetzen“, sagt Thum. Er nutze es viel für bürokratische Prozesse wie Datenerfassungen. Fürs Impfen sei das Tool „Gold wert“ gewesen. Patienten konnten beispielsweise ihren Impfstatus angeben und ob sie zu einer Risikogruppe zählen.

„Der Benefit ist weniger die Zeitersparnis, es ist eher die zunehmende Präzision“, sagt Thum. Die Gefahr verpasster Infos nehme ab. Noch bedienungsfreundlicher könne Idana werden, wenn es tiefer ins Praxissystem eingebunden werde. „Ein Träumchen wäre, in meinem System einen Idana-Button zu haben“, sagt der Mediziner. Auch Patienten auf das ausgefüllte Formular eine unmittelbare Rückfrage schicken zu können, fände er praktisch.

Lilian Rettegi sieht im Markt großes Potenzial. 100.000 niedergelassene Praxen gebe es in Deutschland. Und auch im Ausland sei ihr System anwendbar. „Keine Zeit zu haben, ist auf der ganzen Welt ein Thema.“

Illustration: © iStock.com/elenabs,  Foto: © Idana