Gigantisches Erlebnis – Was bringen drei Millionen aus Berlin für die Gaskugel? Stadtentwicklung | 23.08.2024 | Till Neumann
Seit fünf Jahren setzen sich Bürger·innen dafür ein, die Gaskugel als Ausflugsziel und Kulturort zu beleben. Jetzt hat der Bund eine Förderung über drei Millionen genehmigt. Heike Piehler, Projektleiterin des „Arbeitskreises Gaskugel“, erzählt im Interview, warum es so viel Geld braucht und warum das Vorhaben einzigartig ist.
chilli: Frau Piehler, drei Millionen aus Berlin. Das ist ein Paukenschlag, oder?
Piehler: Ja. Das ist der Durchbruch. Jetzt wird uns keiner mehr stoppen.
chilli: Unverhofft kommt oft. Oder war das abzusehen?
Piehler: Das war viel Arbeit. Es gehört aber auch Glück dazu. Es gibt nur 17 Projekte bundesweit, die ausgewählt wurden als Nationales Projekt des Städtebaus. Wir sind das einzige in Baden-Württemberg, das macht uns mächtig stolz.
chilli: Fünf Jahre Arbeit ohne zu wissen, ob es überhaupt was wird.
Piehler: Wir hatten im Arbeitskreis Gaskugel und in der Stiftung BauKulturerbe, die das Projekt realisieren will, eine sehr konkrete Vision. Sonst hätten wir die Energie nicht aufgebracht. Es ist immer konkreter geworden, es sind neue Partner dazugekommen. Wir sind inzwischen ein großes Netzwerk.
chilli: Die Rede ist von 5,5 Millionen Euro an Investitionen insgesamt. Wofür braucht es so viel Geld?
Piehler: Das ist eine amüsante Frage für den Kulturbetrieb, der ja später mit niedrigem Budget auskommen muss. Die Investitionen umfassen auch die Freiraumplanung und die Revitalisierung der beiden Dreisamufer durch die Stadt Freiburg. Für uns ist das größte Paket der Rostschutz für die Kugel. Wir haben innen und außen je 3580 Quadratmeter Fläche, innen gibt es noch gar keine Beschichtung. Rost ist bei einem Stahlbauwerk immer so eine Sache. Die Schweißnähte sind der neuralgische Punkt. Wenn es an irgendeiner Stelle instabil wird, haben wir ein statisches Problem. Wir haben zwei Bauphysiker mit im Think Tank, die uns auf die Probleme hinweisen.
chilli: Je früher man es macht, desto günstiger wird es?
Piehler: Ja. Wenn man zu lange wartet, ist es überhaupt nicht mehr bezahlbar.
chilli: Wie viel kostet allein die Sanierung der Kugel?
Piehler: Weit über eine Million Euro. Das lässt sich aber von den anderen Kosten nicht trennen. Wir brauchen auch die Öffnungen ins Innere. Wir wollen rein über einen Treppenturm mit Aufzug. Dazu soll es ein Nebengebäude geben mit kulturellen Rückräumen. Das wird nicht spektakulär. Aber der Innenraum der Kugel wird spektakulär. Idealerweise soll es zur Schokoladenseite hin, sprich zur Dreisam, das Gartencafé geben.
chilli: Ab 2027 gibt’s da Kaffee und Kuchen? Und vielleicht auch Events und Feste?
Piehler: Genau, es gibt eine Garten-Gastronomie, sicher auch ein Bier. Mit Festen müssen wir vorsichtig sein. Wir haben großen Rückhalt von der Nachbarschaft und den verlieren wir natürlich, wenn wir ein Open-Air-Veranstaltungsprogramm machen. Wir wollen zumindest zu den üblichen Ausflugszeiten ein kulturelles Programm fahren. Mit Besichtigungen, Führungen, Veranstaltungen.
chilli: Die Kugel wird das Highlight. Es soll eine Bühne geben und einen Hörsaal?
Piehler: Ein Hörsaal der anderen Art, so nennt es die Musikhochschule. Wir waren zweimal in der Kugel, das ist ein gigantisches Erlebnis. Ein Raum mit einer Art Endlos-Echo. Wenn Sie da klitzekleine Geräusche machen, multiplizieren die sich und bleiben im Raum stehen. Das ist ein Phänomen.
chilli: Ist denn Platz für Publikum?
Piehler: Platz haben wir genug, die Kugel hat 34 Meter Durchmesser. Es würden mehr als 100 reinpassen, aber die würden sich alle gegenseitig hören. Unten planen wir eine Arena-Bühne, wir rechnen vorsichtig mit 20 Personen gleichzeitig. Entlang der Rundung gibt es umlaufende Stufen, auf denen man sitzen kann.
chilli: Was ist da möglich? Audioaufnahmen, Videoaufnahmen, Konzerte?
Piehler: Möglich sind kleine, feine, experimentelle Formate – auch für die lokale Künstlerszene. Man kann nicht sein normales Repertoire spielen, weil jeder Ton zurückgeworfen wird. Das wird schnell zu viel für diesen verrückten Raum. Und wir wollen ihn für internationale Gäste öffnen. Sie können da etwas ganz Spezielles machen, was nur hier geht.
Weltweit einzigartig
chilli: Gibt es eine vergleichbare Location?
Piehler: Wir sind soweit ich weiß weltweit einzigartig, der einzige nicht ausgebaute Kugel-Gasbehälter mit Besucherbereichen. Wir haben das Projekt in Rom und in Athen in den internationalen Fachkreisen zur Industriekultur präsentiert. Es gibt mehrere Gas-Zylinder, die kulturell umgenutzt wurden, aber keine Kugel.
chilli: Und der Blick in die Kristallkugel sagt Ihnen, dass es 2027 losgehen könnte?
Piehler: Aber hallo! Da müssen wir schnell und gut sein. Das Förderprogramm des Bundes zielt auf die Machbarkeit ab. Wir stehen in den Startlöchern seit 2021.
chilli: Wenn es so weit ist, machen Sie das Kulturprogramm?
Piehler: Ja, mit den Partnern zusammen, das ist meine Profession. Wir sind lauter professionelle Ehrenamtler, machen das nicht als Hobby. Deswegen sind wir auch so gut.
INFO
Am Tag des offenen Denkmals lädt das Gaskugel-Team ein. Von 16 bis 20 Uhr gibt es am 8. September Programm an der Kugel: ab 16 Uhr eine Führung im Außenbereich, ab 17 Uhr Grußworte und Infos mit Oberbürgermeister Martin Horn. Live spielen ab 16 Uhr die Band Unscheinbar und ab 18 Uhr Sonny Erixxon.
Mehr Infos: gaskugel-freiburg.de
Foto: © Till Neumann