Läuft’s jetzt rund an der Ecke? – Die Entwicklung des Europaviertels in Freiburg startet in die entscheidende Phase Stadtentwicklung | 27.07.2025 | Lars Bargmann
Städtebaulich grenzt sie an eine Peinlichkeit, die Ecke Bismarckallee und Friedrichstraße. Ein architektonisch aus der Zeit gefallenes Hochhaus, ein in die Jahre gekommenes Wohnhaus zur Linken, zur Rechten das vom Scheitel bis zur Sohle immer fetter werdende einstige Commerzbank-Gebäude: Das Ensemble taugt sicher nicht als Visitenkarte am markanten Nordeingang zur Bahnhofsmeile. Seit mehr als 15 Jahren wird in Freiburg um das sogenannte Europaviertel gestritten. Kommt jetzt die entscheidende Wende?
Baubürgermeister Martin Haag kennt die Geschichte aus dem Effeff. Nie haben alle Beteiligten – das gilt übrigens auch für die Freiburger Politik – an einem Strang gezogen. „Man muss aber diese Ecke gesamthaft betrachten, ohne das ehemalige Fahrrad-Böttcher-Grundstück an der Friedrichstraße gehen wir hier viele Kompromisse ein, die an der Stelle nicht wünschenswert sind“, erzählt Haag beim Termin vor Ort. Dem Freiburger Projektentwickler Peter Unmüßig gehören das Hochhaus und das Commerzbank-Gebäude, die Liegenschaft an der Friedrichstraße 58 beherbergt viel Fläche und insgesamt 18 Wohnungen. 16 gehören der GBF GmbH, aber auch Unmüßig hat in dem Gebäude vor wenigen Wochen zwei Wohnungen erworben. Das Verhältnis zwischen ihm und den Verantwortlichen bei der GBF, Walter Erchinger und Tochter Clarissa Erchinger, kann man durchaus als unterkühlt bezeichnen. Ein Teil des Problems.

Waghalsige Aktion: Hochhaus mit Hingucker
Erchingers hatten das Gebäude mal aus einer Insolvenz heraus erworben, wie sie im Gespräch mit der Redaktion erläutern. Aber eben nicht das ganze: Die Eigentümerin der beiden Wohnungen, die nun Unmüßig gehören, hatte Verträge mit dem Voreigentümer und an denen lange auch festgehalten. Für Walter Erchinger waren es diese beiden Einheiten, die immer wieder die eigenen Entwicklungen auf dem Grundstück verhinderten.
Vom 25. November 2009 datiert die Drucksache BA-09/027. Damals hörte der Leiter des zuständigen Stadtplanungsamts noch auf den Namen Wulf Daseking. „Der Bau- und Umlegungsausschuss beschließt die Aufstellung eines Bebauungsplans im Stadtteil Innenstadt für den Eckbereich zwischen Bismarckallee, Friedrichstraße und Colombistraße“, heißt es darin.
Die städtebaulichen Eckdaten eines Realisierungswettbewerbs wurden beschlossen, mit den Eigentümern solle das Rathaus einen städtebaulichen Vertrag vorbereiten. Den Wettbewerb hatte das Berliner Büro Kleihues + Kleihues gewonnen. Unmüßig bezahlte eigenen Angaben zufolge insgesamt 700.000 Euro fürs Ergebnis.
Und danach passierte – nichts. Über all die Jahre ging es fortan im Modus „Ein-Schritt-vor-und-zwei-zurück“ nicht voran. Hier mal ein Treffen vor dem Amtsgericht, dort mal ein erwirkter Baustopp auf dem Colombi-Eck-Grundstück des anderen: Zwei Mittsiebziger, die mehr Lust am Armdrücken hatten als sich in der Disziplin Diplomatie am Hochreck zu beweisen.

Raum für Entwicklung: Gebäude
an der Friedrichstraße 58
Anfang Februar war die Bebauung der Ecke wieder mal auf der Tagesordnung im städtischen Bauausschuss. Wo nicht-öffentlich debattiert wird. Wie oft das Thema schon in den städtischen Ausschüssen diskutiert wurde, weiß im Rathaus wohl niemand mehr so genau. In der jüngsten Drucksache BaUStA-25/002 – sie liegt der Redaktion vor – jedenfalls heißt es nun am Ende von 42 Seiten, dass ein vorhabenbezogener Bebauungsplan allein für die Grundstücke mit den beiden Hochhäusern aufgestellt werden soll.
Für Peter Unmüßig ist das schlüssig: „Man kann doch die Entwicklung hier nicht davon abhängig machen, ob der Nachbar auch mitmacht. Wenn das immer so wäre, geht’s nicht voran.“ Aber wenn es nach ihm ginge, dann würde er lieber mit Erchinger „gemeinsam vorgehen“. Genau das wünscht sich auch Haag.
Im Gespräch mit der Redaktion sagt Clarissa Erchinger: „Wir suchen den Dialog, wir wollen nicht gegeneinander.“ Erchinger zeigt, dass sich die GBF, eine Nachfolgerfirma der Invest 11, durchaus intensive Gedanken über die Neuordnung auf dem Areal an der Friedrichstraße gemacht hat. Sechs Varianten mit unterschiedlichen Gebäudefigurationen legt sie auf den Tisch. Mehr als nur eine Spielerei.
Für Haag ist beim Rundgang über die Flächen klar, dass es nur dann Baurecht geben kann, wenn es auch eine „klare Verbesserung“ gibt. Nicht nur städtebaulich, sondern auch inhaltlich. „Es geht beim Europa-Viertel auch um eine Stärkung der Innenstadt, wir brauchen einen sehr guten Nutzermix mit hochwertigen Büroflächen, mit Wohnen, mit Geschäften und Handel.“ Er hofft, dass nun, nachdem Unmüßig und Erchingers an der Friedrichstraße 58 alleine entscheiden können, die entscheidende Wende in der vertrackten Causa gelingen kann.
Aber wenn das nicht klappt, pocht Unmüßig dennoch auf den Bebauungsplan für seine Grundstücke. Und wenn auch das nicht gelinge, dann würde er im Hochhaus stockwerkweise die Flächen verkaufen. Und damit den Status quo auf Jahre oder Jahrzehnte zementieren. Das ist sein Plan B. Es kann nicht im Interesse der Stadtgesellschaft und auch nicht in Haags Interesse sein, dass dieser Plan aufgeht.
Fotos: © Lars Bargmann










