Stadttunnel soll 480 Millionen Euro kosten – Zukunft von Freiburgs Großprojekt ungewisser denn je Stadtentwicklung | 09.07.2024 | Philip Thomas

Eine Illustration von Freiburg wegen des Stadttunnel Themas Schönmalerei: 3000 Quadratmeter Grünfläche mit 280 Bäumen könnten an der Dreisam entstehen.

Um „lauten“ Stimmen Paroli zu bieten, hat sich in Freiburg eine neue Initiative Pro Stadttunnel gegründet. Sie fordert mehr Tempo für die Planungen der beiden Röhren zwischen der Freiburger Kronenbrücke und dem Ganterknoten. Während von der Stadtverwaltung engagierte Planungsbüros Vollgas geben, tritt die zuständige Autobahn GmbH in die Eisen. Wegen „laufender Haushaltsberatungen“. Das Unternehmen des Bundes beziffert die Tunnelkosten mit gut 480 Millionen Euro.

„Wir haben wahrgenommen, dass es zuletzt kritische Stimmen zum Freiburger Stadttunnel gibt. Und diese sind auch sehr laut“, erklärt Achim Wiehle, Initiator der neuen Initiative Pro Stadttunnel. Gemeinsam mit der Vereinigung Badischer Unternehmen (VBU) will der Geschäftsführer des Hygienegroßhändlers Hyfrago einen Gegenpol bilden. Auftreten will die Gruppe als Bürgerversammlung. „Wir sind keine Wirtschaftsinitiative“, betont der 53-Jährige.

Die Homepage der Initiative ging im April online, vor der Kommunalwahl. „Wir wollten, dass sich die Kandidaten klar positionieren“, sagt Wiehle. Politisch sei er in Freiburg gut vernetzt. Er bemerke, dass sich die Stimmung im Gemeinderat zu Ungunsten des Projekts drehe. Im chilli-Wahl-O-Mat zur Gemeinderatswahl hatten sich die Grünen als größte Freiburger Fraktion mit 12 Sitzen zuletzt nicht mehr klar zum Projekt bekannt.

Auch Junges Freiburg, Volt (je 2 Sitze) und Urbanes Freiburg sowie die Partei (je 1 Sitz) gaben kein Bekenntnis ab. Befürworter sind SPD und CDU (je 6 Sitze), die Freien Wähler (3 Sitze), FDP und AfD (je 2 Sitze) sowie Bürger für Freiburg und Liste Teilhabe und Inklusion (je 1 Sitz). Gegen das Projekt sprachen sich aus: Linke Liste (4 Sitze), Grüne Alternative Freiburg (2 Sitze), Freiburg Lebenswert, Kulturliste und die Unabhängigen Frauen (je 1 Sitz).

Wiehles Website soll auch eine Plattform für Kritiker sein. „Jede Meinung ist willkommen“, sagt er. Tunnelgegnerin Reinhild Dettmer-Finke von „Statttunnel“ hat derweil nicht vor, die Seite zu nutzen. Berührungsängste habe die Freiburgerin aber nicht: „Wir können gerne eine Diskussionsrunde machen.“ Die auf Wiehles Seite angegebene Bauzeit von sechs Jahren hält sie für „euphemistisch“. Ebenso die Aquarell-Bilder des angedachten Dreisam-Boulevards: „Die Bäume darauf müssten erst mal 30 Jahre wachsen.“

Ein Bild von Achim Wiehle

Stadttunnel-Befürworter Achim Wiehle fordert mehr Tempo bei der Planung.

Im November präsentierte das Freiburger Rathaus solche Bilder im Zusammenhang einer Studie von Planungsbüros bei München und aus Frankfurt, die zeigen soll, was entstehen könnte, wenn Fahrzeuge im Stadttunnel verschwinden. Eine erste Variante verlagert die Verkehrsführung in beiden Richtungen auf die Südseite der Dreisam. Auf der Nordseite könnte zwischen Kronen- und Greiffeneggbrücke eine Fußgängerzone entstehen. Wo es die Breite des Streifens zulässt, ist im Plan Platz für Außengastronomie.

Variante 2 sieht eine Reduzierung auf jeweils einen Fahrstreifen auf beiden Dreisam-Seiten vor. Auch in dieser Fassung ist im Erdgeschoss der Gebäude eine Front mit kleinen Läden möglich. In beiden Fällen gehen die Planer davon aus, 3000 Quadratmeter Grünfläche mit rund 280 Bäumen entlang des Flusses zu gewinnen. Wie Lärm und Müll zu handhaben sind, lassen die Planer offen.

„Wir sehen hier, was für ein enormes Potenzial in dem Projekt steckt. Es kann ein neuer grüner, vielfältiger und lebendiger Aufenthaltsort für alle entstehen“, kommentiert Freiburgs Oberbürgermeister Martin Horn die Pläne. Welche Variante bei Freiburgs Stadtverwaltung die Nase vorn hat, lässt Baubürgermeister Martin Haag offen. Er will Spielräume für die weitere Planung sowie Diskussionen lassen.

Ein im Dezember 2022 veröffentlichtes Verkehrsgutachten im Auftrag der für Bundesstraßen zuständigen Autobahn GmbH geht davon aus, dass sich 60 bis 80 Prozent des heutigen Verkehrs auf der B31 in den Stadttunnel A860 verlagern lassen. Beim Schwerlastverkehr wie Lkw wären es 75 bis 90 Prozent.

Heute rollen täglich 57.400 Kraftfahrzeuge über die B31 in Freiburg. Die Freiburger Nord-Süd-Achse am Bahnhof Bismarckallee / Schnewlinstraße befahren binnen 24 Stunden bis zu 37.600 Fahrzeuge. Beim Schlossbergring und Schwarzwaldstraße sind es ebenfalls in beiden Richtungen 29.800 sowie 19.700 fahrbare Untersätze.

Und es werden wohl noch mehr: Bis zum Jahr 2040 sagt die Untersuchung, ausgehend unter anderem vom Ausbau der A5, B31 und Freiburger Isfahanallee, jeden Tag 5800 zusätzliche Fahrzeuge auf der B31, 3000 an der Bahnhofsachse, 2200 am Schlossbergring und 2400 an der Schwarzwaldstraße voraus.

Laut Freiburgs Verwaltung stellt die Autobahn GmbH die Pläne für den Tunnel im Jahr 2026 fertig. Bereits im April 2022 betonte die GmbH auf chilli-Anfrage, man arbeite „mit Hochdruck“ an den Entwürfen. Wiehle fordert mehr Tempo: „Wir beklagen, dass wir es nicht schaffen, solche Themen mit Geschwindigkeit umzusetzen.“

Ein Bild des Knotenpunkts

Ab unter die Erde: Zwischen Freiburgs Kronenbrücke und Ganterknoten könnten die Röhren verlaufen.

Mittlerweile mauert dieselbe Stelle jedoch. „Die Autobahn GmbH des Bundes hat bekanntlich einen erhöhten Finanzbedarf, vor allem für das dringend notwendige Brückenmodernisierungsprogramm“, so Sprecherin Petra Hentschel. Angesichts „laufender Haushaltsberatungen“ sei keine Auskunft möglich.

Fällt der Freiburger Stadttunnel Deutschlands maroden Brücken zum Opfer? Seit 2021 hat die Autobahn GmbH die Verantwortung für Betrieb, Erhalt und Finanzierung aller Bundesautobahnen samt Autobahnbrücken. Laut Bundesrechnungshof waren 2023 mehr als 5000 Teilbauwerke modernisierungsbedürftig. Bis 2026 will die GmbH 400 marode Autobahnbrücken saniert haben.

Dass zwei 1,8 Kilometer lange Röhren mit jeweils zwei Fahrstreifen und einem Standstreifen zwischen Freiburgs Kronenbrücke und dem Ganterknoten teurer werden als in der 2016 für den Bundesverkehrswegeplan 2030 aufgestellten Rechnung über 325 Millionen Euro, darin sind sich Tunnel-Gegner und -Befürworter einig.

Auch eine aktuelle Kostenprognose möchte die Autobahn GmbH nicht herausgeben. In einem in den August des vergangenen Jahres datierten Schreiben von Florian Toncar, dem Parlamentarischen Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, an den Vorsitzenden des Deutschen Haushaltsausschusses Helge Braun, das dem chilli-Verlag vorliegt, werden die Kosten für den Freiburger Stadttunnel mit 481,7 Millionen Euro beziffert. Auch der im Zusammenhang angedachte Falkensteigtunnel ist darin neu berechnet. Statt 125,8 Millionen Euro soll dieser nun 206,2 Millionen Euro kosten.

Illustration: © Latz+Partner Landschaftsarchitektur Stadtplanung; Fotos: © pt, Joachim Wiehle