Stresstest mit offenem Ausgang: Freiburger Banken über die Auswirkungen der Corona-Krise business im Breisgau | 10.11.2020 | Stefan Pawellek, Lars Bargmann

Corona Grafik

Knapp die Hälfte der Freiburger Unternehmen sind von der Corona-Krise stark getroffen. 18 Prozent sehen sich in ihrer Existenz bedroht. Bundesweit sind es fast 25 Prozent. Das geht aus einer Studie der Commerzbank hervor. Es gibt aber nicht nur Verlierer. Die Zahl der Insolvenzen ist im Vergleich zum Vorjahr sogar rückläufig. Die der Kredite und Kundeneinlagen indes ungebremst steigend.

Für die Studie hat die Commerzbank bundesweit 3500 Selbstständige, Freiberufler und Unternehmen mit einem Jahresumsatz von bis zu 15 Millionen Euro befragt. Darunter auch 50 in Freiburg. Gut die Hälfte der Unternehmer hat staatliche Förderprogramme genutzt, vor allem bei der Landesförderbank Baden-Württemberg. In vier von fünf Fällen ging es dabei um Beträge unterhalb von 10.000 Euro. „Das bedeutet, dass insbesondere viele kleine Unternehmen betroffen sind“, so Anton Gereitzig, Niederlassungsleiter der Commerzbank-Filiale in Freiburg.

Insolvenzen

Eine Insolvenzflut haben die Pandemiewellen bislang nicht ausgelöst. Das könnte eine trügerische Momentaufnahme sein, denn die Bundesregierung hat die Insolvenzantragspflicht seit März ausgesetzt. „Die Zahl der Insolvenzen ist bei uns bisher sehr gering“, sagt der Freiburger Volksbank-Vorstand Uwe Barth. Da aber nicht wenige Unternehmen durch massive Umsatzrückgänge aufgrund der Corona-Krise doch stark betroffen sind, rechnet er mit einer Zunahme der Insolvenzen im kommenden Jahr. Auch Sparkassen-Vorstandschef Marcel Thimm rechnet erst „in den kommenden Monaten“ mit einer Zunahme. Bisher hätten die Corona-Hilfsgelder die beabsichtigte Wirkung gezeigt, „leider laufen wir ja nun in einen zweiten Lockdown“. Schwieriger werde es für einige Unternehmen dann, wenn die Rückzahlung der Hilfen ansteht. Ganz besonders vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen: „Was die nächsten Monate noch bringen, kann derzeit niemand vorhersagen.“

Gewinner und Verlierer

Zu den Verlierern zählen für die Banker die Tourismus- und Freizeitbranche, Messen und Events, Luftfahrt, Automotive, Reisebüros, Restaurants und Caterer, Kunst und Kultur, der stationäre Einzelhandel, auslandsaktive Unternehmen und die Hotellerie. Dort sind, so Barth, die Auswirkungen je nach Geschäftsmodell sehr unterschiedlich: Hotels mit dem Fokus auf Businesskunden sind stärker betroffen als die touristische Hotellerie. Hier konnte der gestiegene Inlandstourismus die ausbleibenden ausländischen Gäste ausgleichen. Thimm weist darauf hin, dass bestimmte Branchen, etwa die Automobilindustrie und Zulieferer, schon vor der Corona-Krise Probleme hatten, „die sich nun noch verschärft haben“.

Wer bisher bei den Hilfsprogrammen oft durchs Raster gefallen ist, so Lukas Feldmann aus der Pressestelle der GLS Bank, sei die Kulturbranche. Viele Solo-Selbstständige, freischaffende Künstler, konnten durch die Staatshilfen nicht erreicht werden. Die GLS Bank hat deshalb einen „Kunstnothilfe-Fonds“ gegründet und in dem bereits knapp 300.000 Euro gesammelt.

Auf der Gewinnerseite stehen Software-Unternehmen, die Lebensmittelbranche, der Online-Einzelhandel, Labore, Drogerien, Apotheken, aber auch Firmen, die medizinische Produkte herstellen oder mit solchen handeln. Gewinner im eigentlichen Sinn sind Thimm indes nicht bekannt: „Die Krise hält ja immer noch an und der Konsum ist auch betroffen.“ Vereinzelt gebe es aber auch positive Geschäftsentwicklungen, etwa bei Fahrradhändlern oder Lieferdiensten. „Insgesamt muss man leider auch sagen, dass es deutlich mehr Verlierer als Profiteure gibt“, kommentiert Barth.

Kreditlandschaft

Bundesweit stellte die Commerzbank etwa zehn Milliarden an Überbrückungskrediten bereit, rund 80 Millionen Euro davon allein in Freiburg. „Die Kredite an Unternehmen und Selbstständige stiegen in diesem Jahr um zehn Prozent“, sagt Gereitzig. Barth berichtet von einem „soliden Kreditgeschäft“. Er geht davon aus, dass die Volksbank das geplante Wachstum von über vier Prozent für 2020 erreichen wird. Bei der Sparkasse bewegen sich die seit Jahresbeginn neu zugesagten Kredite und Darlehen „erstaunlicherweise auf Rekordniveau, weit über dem Vorjahr“, erzählt Thimm. Die Kundeneinlagen klettern weiter nach oben, die Sparkasse hat mittlerweile rund eine Milliarde Euro bei der EZB geparkt – und muss dafür hohe Negativzinsen bezahlen.

Die Strafzinsen

Die Commerzbank reduzierte am 1. Oktober den Freibetrag für die Kundschaft auf 100.000 Euro. Bei der Volksbank liegt er für Privatkunden bei 225.000 Euro, für Firmenkunden bei 250.000 Euro. „Fast alle Marktteilnehmer geben aufgrund der anhaltenden Niedrigzins-phase diese Kosten an den Kunden weiter, in der Tendenz wird sich das noch verschärfen“, so Barth. Die Sparkasse gewährt Privatkunden „noch“ (Thimm) 250.000 Euro Freibetrag. Mit Firmenkunden seien individuelle Vereinbarungen geschlossen worden. 98 Prozent der Privatkunden seien nicht von Verwahrentgelten oder Negativzinsen betroffen. Die Volksbank Breisgau-Markgräflerland hat derzeit einen Freibetrag von 250.000 Euro.

Die Stimmungslage

Einige Firmen können durchaus positiv in die Zukunft schauen. „Viele unserer Kunden haben in der Vergangenheit gut gewirtschaftet und deswegen eine gute und gesunde Substanz“, sagt Barth. Ein Großteil hält die Liquidität hoch, um jederzeit handlungsfähig zu bleiben. Ein wichtiger Punkt, auch aus psychologischer Sicht, sei die unmittelbare Bereitstellung von Liquidität zu Beginn der Krise gewesen.

Der Arbeitsmarkt

Eine Kernbotschaft der Commerzbank-Studie ist, dass zwei Drittel der Befragten bislang ohne Kündigungen durch die Krise gegangen sind. 28 Prozent der Betriebe nutzen die Kurzarbeit. 14 Prozent haben Einstellungsstopps verfügt. 40 Prozent der Unternehmer erklärten, dass Home-Office in ihrer Firma nicht umsetzbar sei – bundesweit sind es 45. 14 Prozent hatten vor der Krise keine Home-Office-Lösungen, diese aber zwischenzeitlich geschaffen. Die Zahl ist doppelt so hoch wie im Bundesschnitt.

Illustration: © iStock-Ledi Nuge