Facettenreich: Lahr in der Ortenau im Porträt Erkunden & erleben | 24.08.2023 | Dorothea Wenninger

filigrane Pylobrücke

Mit seiner Lage zwischen Rheinebene und Schwarzwald am Eingang des Schutttertals ist Lahr ein günstiger Ausgangspunkt für Wanderungen, Radtouren und Ausflüge ins Elsass. Die Natur ist immer nah, und doch findet sich ausreichend städtisches Flair für ein urbanes Feeling.

Lahr hat viele Gesichter. Bei der Anfahrt von Westen zeigt es sich als modernes Mittelzentrum mit etlichen Hochhäusern. Vor dem Bahnhof gibt ein Inukshuk, ein Wegweiser der Inuit aus gestapelten Steinquadern, einen Hinweis auf einen anderen Aspekt: Lahr war 100 Jahre lang Garnisonsstadt. Die Steinfigur ist ein Geschenk der kanadischen Regierung an die Stadt für ihre Gastfreundschaft. Bis 1994 waren die kanadischen Streitkräfte hier stationiert, nachdem sie 1967 die Franzosen abgelöst hatten. Für Letztere waren Anfang der 60er-Jahre die architektonisch bemerkenswerten Rundhochhäuser auf Stelzen am heutigen Kanadaring erbaut worden. Mit ihren außergewöhnlichen Grundrissen erregten sie damals weltweit Aufsehen – sämtliche Zimmer der halbrund geschnittenen Wohnungen haben fünf, sechs oder acht Ecken, keines nur vier.

Lahr mit vielen Chrysanthemen

Die Chrysanthema lockt im Herbst Tausende Besucher in die Stadt, hier am Sonnenplatz.

So modern die Große Kreisstadt mit den vielen Neubauten aus den letzten Jahren hier wirkt, ihre Gründung liegt beinahe 800 Jahre zurück. Das lässt sich noch an mancher Stelle in der Innenstadt erahnen. Auf dem Straßenboden machen farblich abgesetzte Pflasterungen und im Boden eingelassene Metallstreifen die Ausmaße und Lage der Tiefburg sichtbar, die das Adelsgeschlecht der Geroldsecker um 1218 errichtet hatte. Die Burg zog eine Ansiedelung von Handwerkern und Bauern nach sich, die binnen 60 Jahren das Stadtrecht erhielt. Der letzte Zeuge dieser Tiefburg ist, zusammen mit einigen Stadtmauerfragmenten, der Storchen­turm. Mit seinen mächtigen Buckelquadern ist er das historische Wahrzeichen von Lahr. Eine Besichtigung freitags- bis sonntagsnachmittags ist vor allem für Familien attraktiv, versichert die Leiterin des Stadtmuseums Gabriele Bohnert.

Mix aus Alt und Neu

Das ein paar Schritte entfernte, 2018 eröffnete Stadtmuseum ist ein architektonischer Hingucker, ein Mix aus Alt und Neu. Den alten Part macht die umgebaute Ton­ofenfabrik aus, die 1896 entworfen wurde. Sie versinnbildlicht den Teil von Lahrs Geschichte, als es sich zum industriellen Zentrum – mit Tabak, Zichorien und Kartonagen – entwickelte. Zu dieser Epoche gehört auch die vom Architekten Weinbrenner im Jahr 1808 erbaute klassizistische Lotzbeck-Villa, die zum heutigen Rathaus-Komplex gehört.

Vom Rathausplatz geht es in die Marktstraße: Hier und in ihren Pa­rallelstraßen und Seitengassen wird fündig, wer Läden, Cafés, Bistros und Restaurants sucht. Besonders charmant sind die vielen kleinen Plätze und Ausbuchtungen von Sträßchen, wo es sich auf Bänken oder an Gastrotischen gemütlich ausruhen und plaudern lässt.

Der Bolliger Storchenturm

Der bollige Storchenturm aus dem 13. Jahrhundert

Am Ende der Marktstraße ist schon von weitem das in rotem Ocker gefasste Alte Rathaus zu sehen, mit Volutengiebel, großer Sonnenuhr, Außentreppe und Türmchen. Als typisches mittelalterliches Rathaus wurde es um 1500 mit offenem Erdgeschoss erbaut. Bis 1933 das Rathaus der Stadt, ist es heute Sitz des Kulturamts, wozu die städtische Galerie im Obergeschoss und das KulTourBüro – die Lahrer Tourist-Info – gehören.

Verstecktes Kleinod

Am Urteilsplatz fällt eine große gelbe Treppengiebelfassade auf: die Stiftsschaffnei aus dem 16. Jahrhundert, früher Lager- und Verwaltungshaus des Lahrer Stifts, heute Begegnungshaus für die Bevölkerung. Gegenüber, direkt neben dem modernen Kinohaus Forum, versteckt sich ein Kleinod: das Art-Déco-Café Süßes Löchle. Mit seiner Eröffnung im Jahr 1898 ist es das älteste Café in Lahr und das einzige unter Denkmalschutz stehende in Baden-Württemberg. Als das Haus vor 19 Jahren zwangsversteigert werden sollte, schlossen sich engagierte Bürgerinnen und Bürger zusammen, um es zu retten. 2017 erwarben es ehemalige Stammgäste und steckten seither viel Geld und Liebe in das Projekt, wie Stadtarchivar Thorsten Mietzner erzählt. Vor dem Café endet der Wickertsheimer Weg, auf dem man die Stadt aus der Sicht des Lahrer Künstlers Wilhelm Wickertsheim entdecken kann. 35 seiner Lahrer Stadtansichten aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sind an den entsprechenden Orten aufgestellt.

Grüne Oasen & Römer

Wer genug hat vom Trubel, kann sich in eine der grünen Oasen zurückziehen. Der über 100 Jahre alte Stadtpark zeichnet sich durch bemerkenswerte Baumriesen und eine große Vielfalt aus: Rosengarten, Sukkulenten, Labyrinth, Teich mit Grotte, kleiner Tierpark, Spielplatz. Die im Park gelegene Villa Jamm – nach dem früheren Eigentümer des Areals benannt – beherbergt in der Sommersaison Artists in Residence, die ihrer Kunst in wechselnden Projekten Ausdruck verleihen.

Auf den Klinkern der  Via Ceramica verbirgt  sich der Claim der LGS:  „Lahr wächst 2018“.

Eine kleine Grünfläche im Bürgerpark erinnert mit erhabenen Rechtecken in Form von Hausgrundrissen an die römische Straßensiedlung, die sich hier im zweiten und dritten Jahrhundert befand. Mitten hindurch verläuft parallel zur B 31, unter der die damalige Römerstraße liegt, die Via Ceramica aus Klinkersteinen. Sie führt zu der preisgekrönten, im Rahmen der Landesgartenschau (LGS) 2018 erbauten Ortenaubrücke, die das Bundesstraßenkreuz überspannt und so für Radfahrerinnen und Fußgänger die drei Grünflächen Bürger-, Seepark und Kleingärten miteinander verbindet. Die filigrane Pylonbrücke wurde zu einer weiteren Landmarke von Lahr – neben dem Schutterlindenberg, der mit seinem mit Linden bestandenen Schopf schon von Bahnlinie und Autobahn aus gut zu erkennen ist und damit die Lage dieser facettenreichen Stadt markiert.

Info

Einwohnerzahl: 49.000
Tourist-Info im Alten Rathaus: Di.–Fr. 10–16.30 Uhr, Sa. 10–13 Uhr
Café Süßes Löchle: Mi.–So. 9.30–18.00 Uhr
Stadtpark: Mo.–Fr. 10–18 Uhr, Sa., So., Feiertag 9–18 Uhr, Nov. bis März bis 17 Uhr; Eintritt 3 Euro;
Stadtparkführungen am 27. Aug. und 24. Sept. (So.)

Veranstaltungen

Historische Stadtführungen Mai bis September jeden Freitag um 17 Uhr, Treffpunkt am Rathausplatz, Ecke Bürgerbüro

Thematische Rundgänge immer samstags von Mai bis September: Anmeldung erforderlich unter Tel. 07821/ 95 02 10

Mitmachwerkstatt auf dem Wochenmarkt am 24., 29. Aug., 7. Sept.: Do. von 14 bis 17 Uhr auf dem Schlossplatz, Di. von 10 bis 13 Uhr auf dem Marktplatz

Silent Disco auf dem Marktplatz am 9. Sept.: Tanz mit Kopfhörer, drei Musikstile zur Auswahl

Kulinarik & Musik am Rosenbrunnen immer freitags bis 15. Sept.: Live-Musik oder kulinarische Präsentation im Wechsel

Lahrer Herbst 23. Sept. bis 22 Uhr: Einkaufssonntag mit Modeschau und Kürbismarkt auf Urteils- und Sonnenplatz

Chrysanthema 21. Okt. bis 5. Nov.: Das weithin bekannte Blumen- und Kulturfestival bietet nicht nur eine wunderschön geschmückte Innenstadt, sondern auch ein umfangreiches Kulturprogramm. Es hält für Familien mit Kindern besonders attraktive Angebote bereit: Tipi, Stockbrote, Ritterburg-Armbrustschießen, Kindertheater, Kinder- und Jugendzirkus, Marionettentheater, Kinderkarussell usw.

Weitere Infos unter www.lahr.de

Fotos: © Stadt Lahr, Dorothea Wenninger