Summen in der Luft: Blühender Lebensraum für Wildbienen Haus & Garten | 02.07.2020 | Erika Weisser

Seit einem Jahr betreibt der NABU Freiburg am Tuniberg einen Wildbienen-Lehrgarten. Über der von Opfingen nach St. Nikolaus führenden Straße wurde ein in Baden-Württemberg einmaliger Lebensraum geschaffen, in dem sich mehr als 120 Arten eingefunden haben.

Reglos und gut versteckt verharrt die Biene in einem der kreisrunden Löcher, die in den robusten Holzbalken einer ehemaligen Scheune gebohrt sind. An diesem  kühlen Junimorgen fehlen ihr noch ein paar wärmende Sonnenstrahlen, damit sie die Nachtstarre ablegen, ihren Schlafplatz verlassen und auf Futterflug gehen kann. So wie ihre Artgenossinnen, die sich gerade schon einmal warmfliegen – einstweilen noch ein wenig taumelnd. Stattlich und gedrungen sind ihre Körper, wie die der Hummeln. Nur länger sind sie. Und, bis auf ganz wenige, kaum sichtbare gelbe Haare, ganz schwarz. In der Morgensonne schimmern sie metallisch blau, schillern ihre ausgebreiteten Flügel in sämtlichen nur vorstellbaren Violett-Tönen.

Blauschwarze Holzbiene ist der Name dieser laut brummenden, doch „sehr friedlichen“ Prachtexemplare, sagt Dagmar Reduth. Und sie fügt hinzu, dass es sich bei dieser knapp drei Zentimeter langen Spezies, die ihren idealen Nist- und Brutplatz in „leicht angemorschtem Holz“ einrichtet und ihr Futter am liebsten in großen Lippen- und Schmetterlingsblüten sammelt, um die größte einheimische Wildbienenart handle – also auch um die größte im Opfinger Lehrgarten. Die kleinste hier vorkommende Sorte sei eine unscheinbare helle Schmalbiene. Sie werde höchstens vier Millimeter lang, „kaum größer als eine Ameise“.

Artischocke

Wenn man die Artischocke – wie auch andere Gemüse- und Ölpflanzen – blühen lässt, finden Insekten ihre Nahrung.

Zwischen den Extremen „winzig klein“ und „richtige Brummer“ gebe es eine breite Palette an verschiedenen Farben, Größen und sonstigen charakteristischen Körpermerkmalen, erzählt die promovierte Biologin, die in der Nachbarschaft des Gartens wohnt. Und zählt einige zwar kuriose, doch treffliche Namen der Arten auf, die man hier beobachten kann: Blauschillernde Sandbienen heißen sie, Dunkelfransige Hosenbienen, Flachzahn-Spiralhornbienen, Platterbsen-Mörtelbienen und Stumpfzähnige Zottelbienen sind auch darunter. Oder die Auen-
Schenkelbiene.

Am kleinen Teich

Diese knapp ein Zentimeter lange, schütter behaarte Biene mit dem weiß gestreiften Hinterteil ist die Wildbiene des Jahres 2020. Für sie und alle anderen feuchtigkeitsliebenden Arten legten die ehrenamtlichen Mitarbeiter des NABU-Arbeitskreises „Wildbienen am Tuniberg“ ein kleines Teichgebiet an, an dessen Ufern sie die für sich und ihre Brut benötigte Nahrung findet – in den ölhaltigen Blüten des Gilbweiderich. Wie alle anderen Arten – und ebenfalls dank des tatkräftigen Engagements von ungefähr 20 hier regelmäßig Hand anlegenden AK-Mitgliedern – findet sie hier außer zugänglich gemachten Nistmöglichkeiten aber auch das geeignete Baumaterial für die Brutkammern, in die die Weibchen dann ihre Eier legen und in denen die mit einem Gemisch von Nektar und Pollen gefütterten Larven heranwachsen. Bis sie schlüpffähig sind und nach der Winterpause als neue Bienen die alte Generation ablösen.

Biene

Die Malven-Langhornbiene ist vom Aussterben bedroht, außer am Tuniberg und Kaiserstuhl, wo die wilden Malven wachsen, in deren nachts geschlossenen Blüten die Männchen auch übernachten können.

Mit Zebrastreifung

Seit seiner Gründung im Jahr 2012 gehört Dagmar Reduth zu diesem Arbeitskreis, der sich außer der Betreuung des Lehrgartens auch die Pflege der sonstigen Lösshänge und der blühenden Böschungen am Tuniberg zur Aufgabe gemacht hat – und damit für den Erhalt der in diesem kleinteiligen, landwirtschaftlich genutzten Gebiet noch zahlreich vorkommenden Wildbienen sorgt. Etwa 200 Spezies dieser vorwiegend nicht in Schwärmen oder Völkern lebenden Solitärbienen seien hier angesiedelt, erläutert sie. Am benachbarten Kaiserstuhl seien es gar um die 380 Arten. Einige davon sind in ihrer Existenz gefährdet, manche gar vom Aussterben bedroht.

Zu diesen gehört nach ihrer Auskunft die Malven-Langhornbiene mit den langen Fühlern und der „typischen Zebrastreifung am Hinterleib“. Von dieser Biene, die in Baden-Württemberg nur noch an Tuniberg und Kaiserstuhl vorkommt, gebe es im Garten jetzt ein paar Exemplare – dank der Nahrung, die sie in den eigens für sie gepflanzten Rosenmalvenstauden finden, in deren ungefüllten, nachts geschlossenen Blüten die Männchen gerne übernachten. Gerade im Juli seien sie oft zu beobachten: Sie sind nur während der Malvenblüte unterwegs; andere Blüten fliegen sie nicht an. Das ist bei vielen Arten so. Etwa bei der Natternkopf-Mauerbiene, die aussterben würde, wenn dieses leuchtend blau blühende Raublattgewächs namens Natternkopf aus den Gärten verschwände. Oder bei der Efeu-Seidenbiene, deren Hauptflugzeit während der Efeublüte im Herbst sei und die äußerlich der Honigbiene ähnle.

Auen-Schenkelbiene

Wildbiene des Jahres 2020: Die Auen-Schenkelbiene

Der Garten, in dem blütetreibende Blumen-, Beeren-, Kräuter- und Gemüsepflanzen die verschiedenen Bienen anlocken, ist das ganze Jahr geöffnet und frei zugänglich. Übersichtlich gestaltete und ständig aktualisierte Bildtafeln informieren über die Bienen – und die Möglichkeiten, sie mit bestimmten Gewächsen auch in den eigenen Garten zu locken. Bald werden wieder Führungen angeboten, wenn auch mit begrenzter Teilnehmerzahl.

Info

www.nabu-freiburg.de/projekte/wildbienenlehrgarten

Fotos: © ewei, iStock/paulafrench, Creative Commons/Aleksandrs Balodis