Auf der Überholspur: Freiburger JobRad hat sich vom Start-up zum Marktführer entwickelt STADTGEPLAUDER | 15.11.2018 | Tanja Senn

JobRad tritt mit voller Kraft in die Pedale. Vor zehn Jahren erfand Ulrich Prediger das Dienstrad-Leasingmodell. Mittlerweile sind mehr als 200.000 Jobräder auf Deutschlands Straßen unterwegs. Selbst Unternehmen wie die Deutsche Bahn oder BMW setzen auf das in der Fahrradstadt Freiburg entwickelte Modell. Gegenwind gibt es ausgerechnet von der Arbeitnehmergewerkschaft Ver.di.

Vor der Lokhalle am Freiburger Güterbahnhof reiht sich Rad an Rad. Innen, auf einer kleinen Bühne hinter den Bürocontainern des Kreativparks, steht Freiburgs Oberbürgermeister ­Martin
Horn und gratuliert Ulrich Prediger sowie Holger Tumat zu ihrem „stark wachsenden und trotzdem bodenständigen“ Unternehmen. Die beiden Geschäftsführer feiern an diesem Tag mit einer großen Konferenz den zehnten Geburtstag ihrer „verrückten Geschäftsidee“. „Wir hatten keine Garagen-, sondern eine Schlafzimmergründung“, erinnert sich Prediger. So habe sogar das erste Treffen mit der heutigen Bundestagsabgeordneten Kerstin Andreae am Schreibtisch in seinem Schlafzimmer stattgefunden.

Daran erinnert heute nichts mehr. An drei Standorten in der Freiburger Innenstadt arbeiten mittlerweile 190 Mitarbeiter für den Dienstrad-Pionier. Wie fest das Unternehmen im Sattel sitzt, zeigt die Anmietung eines fünfgeschossigen Geschäftshauses an der Heinrich-von-Stephan-Straße mit 7900 Quadratmetern, das im Herbst 2020 fertig sein soll.

Dann können dort mehr als 350 Mitarbeiter einziehen. Noch rasanter als die Mitarbeiter- wächst die Kundenzahl. Sie hat sich in den vergangenen drei Jahren verzehnfacht. Dazu gehören Großkonzerne wie Bosch, SAP oder – seit September – auch BMW.

Gruppenbild mit OB: Martin Horn mit den JobRad-Machern Ulrich Prediger (r.) und Holger Tumat.

Freiburgs Oberbürgermeister gehört nicht dazu. Er ist mit dem Auto bei der Lokhalle vorgefahren. Aus Zeitgründen, erklärt er. Aber auch, weil er auf sein „persönliches JobRad noch etwas warten muss“. Der Grund: Diskussionen mit Ver.di. Die Gewerkschaft lehnt das JobRad ab. Ihre Rechenbeispiele zeigen: Bedenkt man, dass für die – beim Leasing zwingend notwendige – Versicherung Kosten anfallen, und dass die Rente durch die Entgeltumwandlung niedriger ausfällt, würde sich das Dienstrad für viele Beschäftigte nicht rechnen.

Beim Marktführer kann man diese Argumente nicht nachvollziehen. Mehr als 80 Prozent der Arbeitgeber würden sich an der Leasingrate, der Versicherung oder den Inspektionen beteiligen. Im Vergleich zum Direktkauf eines Rads könnten JobRadler bis zu 25 Prozent sparen – gibt der Arbeitgeber noch etwas dazu, sogar deutlich mehr.

Und dann sind da noch die nichtmonetären Vorteile, die JobRad gerne belegt: Fahrradpendler sind im Schnitt pro Jahr zwei Tage weniger krank. Sie haben ein um 46 Prozent geringeres Risiko, am Herzen zu erkranken, sind stressresistenter und leistungsfähiger. Und wiegen im Schnitt bis zu vier Kilo weniger als ihre autofahrenden Kollegen. „Zahlreiche wissenschaftliche Studien zeigen immer wieder, wie positiv sich regelmäßiges Radfahren auf die Gesundheit auswirkt“, so Prediger. „Daher sind wir davon überzeugt, dass die Gesundheit im Alter die Lebensqualität deutlich positiver beeinflusst als eine minimal ­höhere monatliche Rente.“

So funktioniert JobRad

Der Arbeitnehmer sucht sich ein Fahrrad oder E-Bike nach seinen Wünschen aus. Der Arbeitgeber least das Rad und überlässt es seinem Mitarbeiter. Um die Leasingrate zu bedienen, behält er einen Teil des Bruttogehalts ein. Wie auch beim Dienstwagen kommt nun die Ein-Prozent-Regel zum Tragen: Um den geldwerten Vorteil der Gehaltsumwandlung auszugleichen, muss der Jobradler pro Monat ein Prozent des Radpreises versteuern. Nach der Vertragslaufzeit kann er entweder einen neuen Vertrag abschließen oder das Fahrrad zum Restwert kaufen.

Fotos: © JobRad