Die Hauptstadt des Verbrechens – Polizei veröffentlicht Kriminalstatistik 2023 STADTGEPLAUDER | 20.05.2024 | Philip Thomas
Die rote Laterne geht erneut nach Freiburg. Die Stadt im Breisgau ist die am stärksten von Kriminalität geplagte Stadt in Baden-Württemberg. Diebstähle oder Delikte im öffentlichen Raum nahmen stark zu. Straftaten gegen das Leben wie Mord oder Totschlag erreichten einen traurigen Zehnjahreshöchststand. Das alles steht in der Kriminalitätsstatistik des Freiburger Polizeipräsidiums für 2023. Stadt und Land wollen noch mehr Kräfte auf die Straßen bringen.
81.309 Straftaten hat das Freiburger Polizeipräsidium vergangenes Jahr registriert. Das sind 19 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Das Präsidium ist zuständig für den Stadtkreis Freiburg sowie die Landkreise Emmendingen, Breisgau-Hochschwarzwald, Lörrach und Waldshut-Tiengen. „2023 war das erste Jahr nach der einschränkenden Coronapandemie und geprägt von einer herausfordernden Flüchtlingssituation“, erklärt Freiburgs Polizeivizepräsident Matthias Zeiser.
Mord und Totschlag auf Höchststand
Das Freiburger Präsidium notierte nicht nur die meisten Straftaten im Land – gemessen an der Einwohnerzahl ist der Stadtkreis Freiburg der am meisten von Kriminalität betroffene Kreis im gesamten Land. Die Breisgau-Metropole kommt auf eine Häufigkeitszahl von 11.296. Dahinter landen Mannheim mit 9796 und Karlsruhe mit 8887. Die hohen Zahlen erklärt Zeiser mit Freiburgs Grenznähe zur Schweiz und Frankreich.
Sogenannte Straftaten gegen das Leben, zu denen Mord, Totschlag und fahrlässige Tötung zählen, liegen auf einem Zehnjahreshöchstwert: Insgesamt 49 Fälle registrierten die Beamten im Zuständigkeitsbereich des Freiburger Präsidiums, darunter neun Mordfälle. Im Vorjahr zählte die Polizei insgesamt 28 Fälle, darin sechs Morde. Laut Nico Schuster, Leiter der Freiburger Kriminaldirektion, handelt es sich dabei um Einzelfälle ohne Zusammenhang.
Nach Ausnahmesituationen wie etwa im Tötungsfall eines 67-Jährigen in Freiburg-Herdern im Juli des vergangenen Jahres fahre das Präsidium sämtliche Ressourcen auf. „Wir starten von null auf hundert durch. Das ist ein enormer Kraftakt“, sagt Schuster.
Erstmals war jeder zweite Tatverdächtige (50,7 Prozent) aller im Stadtkreis Freiburg begangenen Delikte (26.675) nichtdeutsch, also ohne deutschen Pass. Drei von vier Verdächtigen (75,2 Prozent) waren männlich. Mehr als ein Viertel aller Straftaten (6668) wurden in der Altstadt begangen. In der unrühmlichen Liste folgen Haslach (3015), der Stühlinger (2005) und die Wiehre (1879). Die Aufklärungsquote der Freiburger Polizei lag bei 57,9 Prozent und damit auf dem Niveau des Vorjahres.
Auch Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung bewegen sich auf Vorjahresniveau. 1465 Fälle zählte das Freiburger Präsidium, darunter 117 Vergewaltigungen, davon 22 im öffentlichen Raum, 35 im Partner-Kontext. Angezeigt wurden außerdem 251 Fälle von sexuellem Missbrauch bei Kindern und 226 Fälle sexueller Belästigung.
Ein Schwerpunkt der Freiburger Polizei ist der Kampf gegen Rauschgiftkriminalität. Rund 150 Kilogramm Drogen konnten die Beamten im Präsidiumsgebiet sicherstellen, 70 Prozent davon war Cannabis. Hier sind die Zahlen rückläufig und erreichen mit 4685 Delikten den niedrigsten Wert seit zehn Jahren. Dennoch wollen die Beamten hartnäckig bleiben und gerade bei jungen Konsumenten zweimal hinschauen: „Es gibt eine jugendliche BTM-Szene in Freiburg“, sagt Zeiser.
Straftaten im öffentlichen Raum stiegen um mehr als 15 Prozent, insgesamt 14.333 Delikte zählte die Polizei in Freiburg. Auch die Hälfte aller Körperverletzungen (insgesamt 2560) fanden auf öffentlichen Plätzen, Straßen oder in Parks statt. Jeder zweite Tatverdächtige (52,7 Prozent) war deutsch. Und auch die Zahl von Diebstählen stieg im Stadtgebiet stark an: 2022 zählten die Uniformierten noch 8594 Fälle, vergangenes Jahr waren es 10.869. Vor allem in Geschäften oder bei Fahrrädern griffen Langfinger zu.
„Freiburg ist trotz der hohen Zahlen sicher“, betont Zeiser. Trotzdem ergreifen Stadtverwaltung und Polizei mehrere Maßnahmen: Im Oktober des vergangenen Jahres kündigte Oberbürgermeister Martin Horn an, den kommunalen Vollzugsdienst bis 2026 zu verdoppeln.
Das Rathaus will außerdem die seit 2017 bestehende Sicherheitspartnerschaft mit dem Land und der Polizei fortführen. „Die aktuellen Zahlen zeigen leider, dass es wichtig und richtig war, ist und bleiben wird, die Sicherheitspartnerschaft weiter fortzuschreiben“, so Horn.
Die im Sommer 2022 in der Innenstadt gestartete Videoüberwachung ist für Vizepräsident Zeiser ein wichtiges Instrument: Insgesamt 370 Fälle wurden vergangenes Jahr entdeckt, 234 ausschließlich durch die etwa am „Bermudadreieck“ aufgehängten Kameras. In 60 Prozent der Fälle konnten Beamte präventiv eingreifen.
Darüber hinaus bekommen die aktuell knapp 2400 Beamten des Freiburger Polizeipräsidiums Verstärkung. Mehr als 100 neue Stellen sollen über drei Jahre gefüllt werden. Das ist der höchste Zuwachs aller Präsidien in Baden-Württemberg. Zeiser geht davon aus, dass sich die frischen Kräfte auf der Straße bemerkbar machen: „Es wird spürbar mehr Personal da sein.“
Fotos: © freepik, iStock.com/Spitzt-Foto, Polizeipräsidium Freiburg