Keine Jungs, aber Nonnen? Schülerin einer Mädchenschule räumt mit Vorurteilen auf Gesellschaft | 05.12.2021 | Lucie Finia Nick

St. Ursula

Viel Streit, nur tanzen im Sportunterricht und Langeweile. Das sind Vorurteile über Mädchenschulen. Stimmen sie? Beantworten kann das Lucie Finia Nick. Die 15-Jährige geht auf das St. Ursula-Gymnasium in Freiburg. Sie ist überzeugt: Die meisten Vorurteile sind Quatsch.

Die Schule

Mit ungefähr 1100 Schülerinnen ist das „Ursula“ das größte Gymnasium Freiburgs. Unsere Schule ist eine staatlich anerkannte katholische Privatschule. Sie kostet 40 Euro pro Monat. Als ich 2016 auf die Schule kam, wurde ich oft gefragt, warum ich mich für diese Schule entschieden habe. Mir hat die Schule gefallen, vor allem der „Jordan“, ein kleiner Bach vor der Schule. Ich wurde oft damit konfrontiert, dass es an einer Mädchenschule viel Zickenkrieg gibt und ich doch bestimmt viel streiten würde, weil ich mit so vielen Schülerinnen in eine Klasse gehen würde. Bevor ich in meine neue Klasse kam, habe ich mir viele Gedanken darüber gemacht. Ich habe mich gefragt, ob es die richtige Entscheidung war. Fünf Jahre später kann ich sagen: Das war ein super Entschluss.

Vorurteil 1: Dauernd Streitereien

Dass es viel Streit an einer Mädchenschule gibt, ist eins von vielen Vorurteilen und stimmt so nicht. Streit und Auseinandersetzungen kann es überall geben, ob an einer gemischten Schule oder einer Mädchenschule. An meiner Schule gibt es nicht sehr viel Streit, es ist meistens sehr entspannt. Wenn wir uns überhaupt mal streiten, geht es um alltägliche Dinge. Das sind höchstens Kleinigkeiten.

Vorurteil 2: Es ist langweilig ohne Jungs

Dass es auf einer Mädchenschule langweilig ist, weil keine Jungs in der Klasse sind, die mal einen Witz machen, stimmt auch nicht. Meiner Meinung nach müssen keine Jungs in der Klasse sein, um den Unterricht interessanter zu machen. Mädchen können genauso lustig sein wie Jungs. Es hat nichts mit dem Geschlecht zu tun, ob ein Mensch lustig ist oder nicht. In meiner Klasse haben meine Mitschülerinnen und ich viel Spaß. Die Pausen sind oft lustig, ähnlich wie der Unterricht. Ich habe auch schon oft gehört, dass man sich ohne Jungs besser konzentrieren könne. Ob das so stimmt, weiß ich ehrlich gesagt gar nicht. Ich kenne es ja höchstens aus der Grundschule, das ist Jahre her. Außerdem denke ich, dass es auf die Klasse und ihre Lernatmosphäre ankommt, ob man sich gut konzentrieren kann.

Vorurteil 3: Da unterrichten nur Nonnen

Aktuell unterrichten keine Nonnen an unserer Schule. Jedoch hat vor ein paar Jahren eine Nonne bei uns unterrichtet, warum weiß ich gar nicht genau. Auf unserer Schule gibt es wie auf jeder anderen Schule ganz normale Lehrerinnen und Lehrer. Die Anzahl ist relativ ausgeglichen. Also sind wir auch nicht von der „Männerwelt“ isoliert wie einige sagen. Lehrer sind an unserer Schule meistens beliebter als Lehrerinnen, weil sie oft lockerer mit uns umgehen.

Vorurteil 4: Im Sportunterricht wird nur getanzt

An unserer Schule wird wie an jeder anderen gemischten Schule normal Sport unterrichtet. Mal machen wir eine Tanz- oder Turneinheit, mal spielen wir eine Ballsportart. Den Sportunterricht geben nur Lehrerinnen.

Vorurteil 5: Wir wissen nicht, wie Jungs ticken

Dieses Vorurteil mag vielleicht bei der ein oder anderen stimmen, aber weitgehend ist es falsch. Wir kennen teilweise noch Jungs aus der Grundschule und sind mit ihnen befreundet. Oder man lernt Jungs im Sportverein kennen. Oder durch die Geschwister und Freunde.

Fazit

Abschließend kann ich sagen, dass die meisten Vorurteile nicht stimmen und nur reine Klischees sind. Ich gehe gern auf das St. Ursula Gymnasium und kann es weiterempfehlen. Ich schätze, dass eine Mädchenschule nicht besser oder schlechter als eine gemischte Schule ist. Ich denke auch, dass ich keine Nachteile habe, weil ich auf eine Mädchenschule gehe.

Mädchenschulen in Baden-Württemberg

15 Mädchenschulen gibt es in Baden-Württemberg. Man nennt sie monoedukative Schulen. Ob man dort besser lernen kann? Die Studienlage ist überschaubar, informiert das Kultusministerium. Einige Untersuchungen zeigen, dass es keine Unterschiede zwischen den Schulformen gibt. Andere legen dar, dass Mädchen an Mädchenschulen in mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern bessere Ergebnisse erzielen. Außerdem gibt es Hinweise darauf, dass an Mädchenschulen die Beziehungen unter den Schülerinnen besser sind. Allerdings geben Schüler*innen koedukativer Schulen an, zufriedener zu sein. Kritisch sehen Studien, dass monoedukative Schulen Geschlechterrollen verstärken können.

Fotos: © Klaus Polkowski, privat