»Mega viel Sex«: Veranstalter Jan Ehret über Kinky-Partys, Grabscher und Offenheit Gesellschaft | 15.05.2023 | Till Neumann

Jan Ehret mit zwei Frauen Veranstalter und DJ: Jan Ehret

Tanzen, feiern, Liebe machen. Auf Kinky-Partys ist fast alles möglich – solange es auf Gegenseitigkeit beruht. Die Events sind reihenweise ausverkauft – auch in Freiburg. Der größte Kinky-Veranstalter in Deutschland ist der Exil-Freiburger Jan Ehret. Im Interview mit chilli-Redakteur Till Neumann erklärt der 44-jährige DJ, was Kinky-Partys sind, warum dort nicht gegrabscht werden kann und wie gut das im Breisgau ankommt.

chilli: Jan, du veranstaltest seit sechs Jahren Kinky-Partys. Der Run ist riesig, oder?

Ehret:
Ja, das kann man so sagen. Die allererste habe ich sogar in Freiburg gemacht. Obwohl ich niemals gedacht hätte, dass das funktioniert. Aber sie war gleich ausverkauft. Somit kam der Stein ins Rollen.

chilli: Mittlerweile schmeißt du zwei bis drei im Monat …

Ehret:
Ja, wir feiern in allen Millionenstädten Deutschlands. Und in Freiburg, weil es meine Heimat ist. Außerdem in Zürich und in Wien.

chilli: Du nennst das Format „Kinky Galore“ und sagst: Es ist keine Fetisch Party, keine Sexparty, kein Swinger Club. Was ist es dann?

Ehret:
Kinky ist für mich ein bisschen die Vorstufe von Fetisch. Ich mag zum Beispiel keinen Fetisch. Ich mag einfach Sex und bin da sehr offen. Kinky steht für eine offene Sexualität. Bei uns gibt es ja nichts so mega Hartes, dass die Leute irgendwie ausgepeitscht werden oder angekackt werden oder was weiß denn ich genau.

3 Menschen übereinander

Vieles kann, nichts muss: Eindrücke der Kinky Galore-Partys

chilli: Ihr nennt das sex-positiv. Das heißt, alles kann passieren, aber nichts muss?

Ehret:
Genau. Wir haben ganz viele, die sich wahnsinnig bedanken. Weil sie sich zum ersten Mal getraut haben, zum Beispiel als Mann in Frauenkleidern rauszugehen. Oder auch Paare, die sich bedanken, weil wir ihre Sexualität gerettet haben. Also es ist schon immer sehr, sehr schön. Toleranz ist natürlich ein großes Thema. Und ja, auch eine gewisse Andersartigkeit.

chilli: Wer kommt auf diese Partys?

Ehret:
Das ist total bunt. Früher war es das klassische Fetisch-Publikum. Heute mischt es sich. Wir haben so „Profis“, die aus dem Fetisch-Bereich kommen, und viel Rave-Publikum. Altersmäßig ist es extrem breit: von 18 bis 80.

chilli: Wie viele kommen, um Sex zu haben?

Ehret:
So zur Kinky-Party zu gehen, ist schwierig. Wenn man kommt, um explizit nur Sex zu haben, dann hat man diesen meistens nicht. Es ist ganz klar kein Puff, es ist auch kein Selbstbedienungsladen. Es ist keine Swinger Party. Ich schätze, etwa 20 Prozent der Leute, die da sind, haben Sex.

chilli: Du weißt also vorher nicht, was passiert?

Ehret
: Ja, für ganz viele gilt das. Bei mir ist es auch so. Ich selbst muss als Gast auch nicht unbedingt im Club Sex haben. Wenn ich mal privat auf eine Kinky-Party gehe, dann ist es meistens so, dass man da ein cooles Pärchen oder jemand Nettes kennenlernt. Und danach geht man halt im Hotelzimmer vögeln. Es ist nicht für jeden was, vor Publikum Sex zu haben. Man kann sich dabei ja auch nur aufgeilen. Manche kommen nur, um was zu zeigen: Die Mädels haben teilweise so schöne und teure Dessous, die können sie niemals austragen. Doch bei uns können sie das. Manche nehmen sich jemanden mit nach Hause. Andere haben eben auf der Party Sex.

chilli: Wer darf da alles rein? Ich komme ja nicht einfach hin und sage: Ich will ein Ticket. Oder?

Ehret:
Genau. Man muss den Dresscode erfüllen, muss volljährig sein und muss nett sein. Also, wenn man an der Tür schon auffällt durch irgendwelche sexistischen Ausdrücke oder so was, dann wird es schwierig.

chilli: Ihr stellt ab und zu die Fangfrage: Bist du schwul?

Ehret
: Genau. Wenn die Leute dann schon komisch reagieren mit so was wie „Bist du noch ganz dicht?“, dann sagen wir nö, du kommst nicht rein.

chilli: Und wenn ich drin bin: Was ist nicht erlaubt? Wo ist die Grenze?

Ehret:
Im Prinzip ist alles verboten, wo du nicht fragst beziehungsweise nicht ein eindeutiges Signal bekommst, dass es okay ist. Also irgendwelche Berührungen. Und so weiter.

chilli: Ihr habt dafür ein Awareness-Team, das aufpasst.

Ehret:
Wir haben eine Null-Grabscher-Toleranz. Das wird auch vorab ganz klar in einer Mail kommuniziert. Am Einlass steht unser Awareness-Team und informiert die Gäste. Bei den Mädels heißt es: Bitte passt auf mit euren Drinks. Wenn euch jemand belästigt, bitte kommt zu uns. Unser Team (in München sind es zum Beispiel 20 Leute) läuft in weißen Kinky-Galore-Shirts rum. Die können angesprochen werden. Und bei den Jungs wird gesagt: Ihr wisst Bescheid, wie es läuft: nur auf Nachfrage, nur im Konsens. Wenn das nicht der Fall ist, fliegt man sofort raus, ohne Vorwarnung. Wenn sich eine Frau über einen beschwert, fliegt er raus. Scheißegal, was er zu der Situation sagt.

chilli: Wie oft passiert so was?

Ehret:
Zum Glück relativ selten, weil wir im Vorfeld eine klare Kommunikation haben und sehr gut am Einlass selektieren. Die Leute wissen genau, was ihnen blüht. Ich würde lügen, wenn ich sage, es kommt gar nie vor. Eine genaue Zahl kann ich nicht nennen. Aber eine gute Vorselektion macht da extrem viel aus.

chilli: Wie sieht es innen aus? Ihr habt Play Rooms mit Spielzeugen?

Ehret:
Genau. Ein SM-Möbelhersteller stattet uns aus. Da gibt es ein Andreaskreuz, einen Strafbock, viel Liegeflächen, eine Liebes-Schaukel und so’n Kram. Manchmal haben wir auch zwei oder drei Play Rooms. Der größte ist nur für Paare erlaubt. Natürlich auch für gleichgeschlechtliche.

chilli: In Berlin sind solche Partys schon länger gang und gäbe. Können die Freiburger·innen auch Kinky?

Ehret:
Sehr gut sogar.

Zwei Körper umschlingen sich

chilli: Sind wir hier nicht spießiger?

Ehret:
Nee, gar nicht. Die Leute denken, dass es in den Großstädten sehr viel wilder abgeht. Aber das finde ich überhaupt nicht.

chilli: Also, die Freiburger haben hier keinen Stock im A****?

Ehret:
Nee. Die Leute hier haben mega viel Sex auf den Veranstaltungen. Das steht der Großstadt in nichts nach.

chilli: Wie läuft so ein Abend für dich als Veranstalter und DJ ab?

Ehret:
Wir fangen um zehn Uhr an. Da ist immer eine wahnsinnige Schlange vor der Tür. Die ersten zwei Stunden begrüße ich mit meiner Freundin alle Gäste persönlich am Eingang. Dann gehen wir backstage, ich bemale die Körper der Performerinnen. Dann lege ich so drei Stunden auf bis 3.30 Uhr. Danach tanze ich meist noch mit dem Publikum.

chilli: Hast du dann auch Sex?

Ehret:
Normalerweise auf meinen eigenen Veranstaltungen nicht. Ich bin der Veranstalter und trage Sorge für alle Gäste.

chilli: Wie erklärst du dir den Run auf diese Partys?

Ehret:
Ich glaube, das ist zum einen die Corona-Zeit. Die Leute haben einen wahnsinnigen Need. Nach Ausgehen, nach persönlicher Note. Die jungen Erwachsenen von heute, die sind voll mit Pornografie aufgewachsen. Das führt zu einer sexuellen Offenheit. Die Leute wollen sich auch einfach nicht mehr einkategorisieren lassen. Sie stehen auf Gender-Neutralität und haben viel weniger Probleme mit Homosexualität.

chilli: Und das Ziel ist, Sex zu enttabuisieren?

Ehret:
Ja, auf jeden Fall. Dahinter steht aber auch einfach, ganz viel Spaß zu haben. Und eine Gemeinschaft zu bilden, die ganz vielen Menschen fehlt.

chilli: Wie viele Beziehungen sind durch Kinky Galore kaputt gegangen?

Ehret:
Wie viele entstanden sind, ist die bessere Frage. Also ich würde mal behaupten, dass wir mehr gerettet haben als zerstört. Wenn das eine Beziehung zerstört, war sie nicht intakt. Manchmal ist es dann der bessere Weg zu sagen: Okay, vielleicht ist es Zeit, es zu lassen.

Zur Person

Jan Ehret lebt als Vater von vier Kindern mit seiner Partnerin in Berlin. Früher war der 44 Jahre alte DJ in Freiburg unter anderem Gründer und Mitbetreiber des Clubs „Schmitz Katze“. Die Kinky Galore hat er in Freiburg zuletzt im Neko und Crash veranstaltet. Eine weitere Ausgabe in Freiburg ist in Planung.

Fotos: © Vincent Hort