Radwege der Zukunft: Freiburg testet einzigartiges Solardach und Bewegungsmelder Gesellschaft | 09.01.2023 | Till Neumann

Solarradweg Freiburg So soll sie aussehen: „Deutschlands erste Solar-Radwegüberdachung“ - geplant an der Freiburger Messe.

Bewegungsmelder für die Nacht. Solardach für den Tag. Bald auch fluoreszierende Böden? Freiburg wagt sich an innovative Radwege ran. Manche davon sind günstig, andere nicht. Der Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) lobt den Mut. Freiburgs oberster Verkehrsplaner mahnt: Die Bedürfnisse der Radler sollte man bei den Experimenten nicht aus dem Auge verlieren.

„Man merkt keinen Unterschied“

Frank Uekermann

Wer durch die Nacht radelt, ist ungern im Dunkeln unterwegs. Doch brauchen kaum befahrene Wege immer Licht? Das Rathaus möchte das Problem mit Bewegungsmeldern lösen. Seit Dezember sind solche auf drei Radrouten installiert: auf dem FR1 von Lehen nach Umkirch, auf dem Radweg vom Gewerbegebiet Haid nach Tiengen und am Höheweg zwischen Zähringen und Gundelfingen. Zwischen 22.30 und 5 Uhr schalten sie nur bei Radbetrieb an, informiert das Rathaus.

Frank Uekermann, Chef des Garten- und Tiefbauamts, will zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: weniger Energiekosten, mehr Artenschutz. Denn Dauerbeleuchtung störe die Tiere. Die Sicherheit der Radelnden soll dennoch gewahrt bleiben: „Bei den Bewegungsmeldern haben wir immer vier in Reihe geschaltet“, sagt Uekermann. Er hat das System getestet und findet: „Man merkt keinen Unterschied zu einem regulär beleuchteten Radweg.“ Von außen sei nicht zu erkennen, wo das Rad gerade ist. Das wäre sonst für alleine heimfahrende Frauen suboptimal.

Erkennen Bewegung: Die neuen LED-Leuchten Freiburgs – hier zwischen Lehen und Umkirch.

Zum Einsatz komme neuste LED-Technik – teilweise solarbetrieben. Bis März soll der Test gehen. Dann will Uekermann Feedback bei Radfahrenden und den angebundenen Gemeinden einholen. Ist das positiv, sollen weitere Randrouten Bewegungsmelder bekommen. Für den Umbau brauche es lediglich einen Chip.

Einzigartiges Solardach

Neue Wege gibt’s auch an der Messe: Im Januar soll dort die „erste Solar-Radwegüberdachung Deutschlands“ in Betrieb gehen (siehe Foto oben). Das melden die Firma BadenovaWärmeplus und das Rathaus. Für eine Million Euro werden 300 Meter Radweg ausgerüstet. Der Strom geht an das Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme und soll dem Jahresverbrauch von rund 180 Personen entsprechen.

Oberbürgermeister Martin Horn unterstützt das: „Wir brauchen innovative Ansätze, um zusätzliche urbane Räume zu erschließen.“ Gerade da, wo Flächen rar und teuer seien, gelte es, intelligente Lösungen zu finden. Frank Uekermann vom Garten- und Tiefbauamt nennt das Solardach ein „Gimmick, das der Sache dient.“ Nutze es dem Radverkehr und der Energiewende, sei es sinnvoll. Als Regenschutz sieht der das Dach kritisch: „Wenn ich so zehn Sekunden im Trockenen bin, muss ich trotzdem entsprechend ausgerüstet sein.“

Leuchtender Boden?

Futuristisch: Der Radweg in Eindhoven

Und fluoreszierende Böden? Nicht nur im niederländischen Eindhoven gibt es einen Radweg-Belag, der sich tags auflädt und nachts leuchtet. Der grün schimmernde Van Gogh-Roosegaarde Bicycle Path ähnelt einer Phantasiewelt. Die Freien Wähler im Freiburger Gemeinderat haben im September die Stadtverwaltung gefragt, ob der leuchtende Fahrradboden auch ein Modell für Freiburg sein könnte. Baubürgermeister Martin Haag antwortete: „Details zu Herstellung, Kosten und Nachhaltigkeit sind nicht verlässlich in Erfahrung zu bringen.“ Ein Einsatz in Freiburg komme zum jetzigen Zeitpunkt nicht in Betracht.

Auch Uekermann ist skeptisch: „Was ist der Mehrwert für Radfahrer?“ Licht von unten könne blenden und ein schmutziger Boden die Beleuchtung stören. Eine intelligente Lösung von oben sei besser – so wie es in Freiburg mit den Bewegungsmeldern gemacht werde. Ähnlich kritisch sieht er die spektakuläre Idee des Basler Start-ups Urb-X, Radhighways auf fünf Meter hohen Stelzen zu bauen.

Idee aus Basel: Das Start-Up Urb-X will Highways auf Stelzen bauen.

„Super Pioniertarbeit“

Frank Borsch von der Freiburger Ortsgruppe des Allgemeinen Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) hat Lob für die neuen Ansätze. Die Bewegungsmelder findet er begrüßenswert.“Wichtige Radverbindungen nachts auszuleuchten ist ein weiterer Baustein, um Radfahren rund um die Uhr komfortabel zu machen. Dass die Beleuchtung mit cleverer Energieeffizienz verbunden wird, freut uns umso mehr.“ Auch vom Solardach ist er angetan: eine „super Pionierarbeit“.

„Das größte Innovationshindernis“

Borsch kritisiert dafür das deutsche Verkehrsrecht. Es gebe dem Auto zu viel Vorrang und sei das größte Innovationshindernis für den Verkehr in Deutschland. „Es schreibt weiter den Vorrang fürs Auto fest und sorgt dafür, dass viele gute Ideen nicht umgesetzt werden können.“ Der ADFC habe deshalb als Alternativvorschlag das Gute-Straßen-für-alle-Gesetz erarbeitet.

Ein Zeichen setzen möchte die Stadtverwaltung Freiburg im geplanten Stadtteil Dietenbach. Uekermann kündigt eine Fahrradbrücke in Schneckenform an, ein „optisches Highlight als verkehrspolitisches Signal“. Verraten kann er nur so viel: „Es wird nicht die billigste Brücke, die wir haben.“

Fotos: © Badenova, Till Neumann, Vattenfall, Urb-X, Stadt Freiburg

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