Händler verkaufen NS-Objekte auf Freiburger Flohmärkten – auch illegal STADTGEPLAUDER | 23.07.2024 | Joscha Sieberth
Entdeckt: Solche NS-Relikte gab es im April auf dem Riesenflohmarkt an der MesseIn Freiburg werden auf Flohmärkten Überbleibsel aus der NS-Zeit verkauft. Das ist legal, wenn verfängliche Symbole und Schriften abgeklebt sind. Doch auch neuwertiges Nazi-Merchandise wird dort vertrieben. Ein illegaler Akt. Die Veranstalter wollen ihre Regeln nachschärfen.
„Leider ist das erlaubt“
Manche kommen für die Nostalgie. Andere für die Schnäppchen. Einige für die Gesellschaft. Auf Freiburger Flohmärkten gibt es fast alles von Porzellan über Möbel bis hin zu Platten, CDs und Kassetten. Sogar antike Uhren, rostiges Geschirr und mechanische Haushaltsgeräte sind zu finden. Aber da enden die Kuriositäten nicht: Neben historischen Artefakten kann man auf deutschen Flohmärkten bis heute Überbleibsel aus der Nazizeit ersteigern. Auch vor Freiburg macht der Handel nicht Halt.
Im April hat das chilli auf dem Riesenflohmarkt im Messegelände festgestellt: Gleich an mehreren Ständen werden NS-Orden, Anstecker, Arbeitsbücher und vieles mehr verkauft. Veranstalter des Flohmarkts ist die SüMa Maier Veranstaltungs GmbH mit Sitz in Rheinfelden. Geschäftsführer Dieter Maier schreibt auf Anfrage des chilli-Magazins: „Es ist mir nicht bewusst, dass auf unseren Flohmärkten Artikel mit Nazi-Symbolen verkauft werden“. Er fügt hinzu: „Leider ist es so, dass von Gesetzesseite her das Anbieten von NS-Artikeln erlaubt ist, wenn das Hakenkreuz abgeklebt ist.“
Ein Stand fällt auf
Damit hat er Recht. In der Marktordnung der Riesenflohmärkte heißt es: „Gesetzliche Vorschriften sind von jedem Händler einzuhalten“. Die genannten Vorschriften wurden schon häufig diskutiert und sind mittlerweile öffentlich zugänglich im Internet beschrieben: Nach Paragraf 68a des Strafgesetzbuchs ist das öffentliche Verbreiten und Verwenden verfassungswidriger Symbole verboten. Es kann mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe geahndet werden. Für den Verkauf betroffener Ware gibt es jedoch Einschränkungen. Dazu zählt, dass die Verkäufer·innen nichts zu befürchten haben, wenn die verfassungsfeindlichen Symbole abgeklebt sind oder in anderen Formen zensiert werden.
Auf dem Messeflohmarkt im April ist das fast überall der Fall. Dennoch fällt ein Stand auf. Neben einigen Ansteckern, Orden und anderen Ramsch werden dort drei Feuerzeuge, ein Dolch und ein Aschenbecher mit der Inschrift „DER FÜHRER“ verkauft. Obwohl am gesamten Stand die Hakenkreuze überklebt sind, fallen die Produkte ins Auge. Sie wirken extrem billig und neuwertig. Und damit wird es schwierig. Denn eine weitere Einschränkung im Handel mit NS-Relikten lautet: „Bei der Ware muss es sich um Originale aus der Nazizeit handeln.“ Der Verkauf von neuwertigen Gegenständen ist damit illegal – auch wenn verfassungswidrige Symbole verdeckt sind.
Ein Verkäufer macht sich strafbar
Der Historiker Heinrich Schwendemann kann uns den Verdacht bestätigen. Er arbeitet seit mehr als 30 Jahren für das Historische Seminar der Universität-Freiburg mit dem Forschungsschwerpunkt der NS-Zeit. Er sagt, dass es sich bei einigen Münzen und einem Arbeitsbuch zwar um Originale handeln könnte. Feuerzeuge, Dolch und Aschenbecher seien aber auf jeden Fall Neuware. Er verweist außerdem darauf, dass der Handel mit solcher Ware in Italien lockerer gehandhabt werde als in Deutschland. Eine kurze Recherche genügt, um den Ursprung der Neuware zu bestätigen. Die Produkte können in verschiedenen Online-Shops aus Italien bestellt werden, unter anderem bei warmilitaria.it. Den Aschenbecher kann man in der Kategorie „Adolfs Souvenirs“ kaufen. Die Anbieter stellen die Produkte neu her und verkaufen diese als Repliken. Schwendemann ist sich jedoch nicht einmal sicher, ob Originale dieser Produkte überhaupt in der NS-Zeit existiert haben. Auch über den Verkauf dieser Produkte ist sich der Veranstalter des Riesenflohmarkts Dieter Maier wohl nicht bewusst.
Die restlichen Flohmarkt-Antiquitäten auf dem Messegelände wirken original. Durch das Abkleben der Hakenkreuze treten die Verkäufer:innen auch nicht in Konflikt mit dem Gesetz. Lediglich ein Verkäufer verzichtet bei einigen Münzen darauf und macht sich damit strafbar.
„Ich möchte den Dreck nicht“
„Es gibt jede Menge bekloppte Sammler, die bereit sind, dafür Geld auszugeben“, sagt Schwendemann. Auch Maier bestätigt, dass das Interesse an NS-Artikeln von Käufer·innenseite da zu sein scheint: „Zugetragen worden ist mir von verschiedenen Ausstellern, dass auf dem Parkplatz und vor der Halle teilweise ein reger Handel stattfindet. Es muss anscheinend von Käuferseite großes Interesse an NS Artikel bestehen.“ Doch die Käufer·innen haben wenig zu befürchten: Was nach dem Kauf der Ware in den eigenen vier Wänden geschieht, befindet sich außerhalb der Gesetzesgewalt. Solange die Symbole nicht von Kindern, Jugendlichen oder durch ein Fenster eingesehen werden, können die Symbole offen gezeigt werden.
„Ich persönlich möchte den Dreck nicht auf unseren Märkten“, fügt Maier seiner Antwort hinzu. Was wird unternommen, um den Verkauf von NS-Relikten zu verhindern? „Meine Mitarbeiter und ich sind auf jeder Veranstaltung von uns unterwegs und prüfen ob das Vertriebsverbot auch eingehalten wird.“ Es bestünde die Möglichkeit, Aussteller·innen, die sich nicht an das Verbot hielten, Marktverbot zu erteilen. Außerdem seien die Flohmärkte des Unternehmens mehrmals offiziell kontrolliert worden. Es hätte jedoch nie Beanstandungen gegeben. Warum die beschriebenen Waren trotz der Bemühungen des Veranstalters auf dem Flohmarkt verkauft wurden, bleibt offen.
Auch die FWTM schaut hin
Einen geschärften Blick dafür will auch ein weiterer Akteur haben: Die Freiburg Wirtschaft Touristik und Messe GmbH (FWTM) ist für die Verwaltung der Messeflächen verantwortlich. Sie gibt an, dass sie den Veranstalter sofort informieren, wenn ihnen illegale Gegenstände auffielen. Für explizite Regelung sei jedoch die SüMa Maier GmbH in ihrer Marktordnung verantwortlich.
In der Marktordnung gibt es noch eine weitere Möglichkeit, den Verkauf von NS-Relikten zu regulieren. Veranstalter·innen und Vermieter·innen der Marktfläche steht die Möglichkeit offen, die angebotene Ware nach eigenen Maßstäben zu beschränken. Maier sagt, dass er, wenn es nötig sei, die Geschäftsbedingungen anpassen wolle. Es handle sich dabei jedoch um kein einfaches Unterfangen.
Veranstalter erlässt Verbot
Im Mai fand ein weiterer Riesenflohmarkt in den Messehallen statt. Maier erklärt, dass dort verstärkte Kontrollen durchgeführt wurden und es tatsächlich zur Mahnung zweier Aussteller kam. Die Marktordnung werde jetzt überarbeitet. Bald habe das Unternehmen die nötige Handhabe, um NS-Artikel zu verbieten. Auch mit anderen Austeller·innen seien Gespräche geführt worden, dass der Verkauf von Artikeln mit NS-Symbolen ab sofort verboten sei. Die Geschäftsbedingungen würden bis zum nächsten Riesenflohmarkt im September dahingehend geändert. So dürfte, zumindest auf dem Messegelände, in Zukunft kein Handel mehr mit NS-Relikten stattfinden. Was unter den Tischen passiert, liegt nicht in der Gewalt der Veranstalter·innen.
Fotos: Joscha Sieberth; Screenshot warmilitaria.it