Botzgogo! Eine kleine Sprachreise mit Martin Graff Land & Leute | 07.02.2021 | Martin Graff

Autor, Filmemacher Martin Graff

„Lust auf Regio ist für mich als Erstes Lust auf Sprache“, sagt der elsässische Autor, Filmemacher und ehemalige Pfarrer Martin Graff. Er lädt zu einem Rundgang durchs Dreiländereck ein.

Oben in den Hochvogesen spreche ich Elsässisch mit Oma Caroline. In der Rheinebene höre ich im Autoradio die Nachrichten auf Französisch. Immer wieder schalte ich zum SWR, wo Hochdeutsch, manchmal mit badischem Einklang, gesprochen wird. Oft fahre ich weiter nach Hinterzarten zu meinem Freund Georg Thoma, dort spreche ich weiter Elsässisch.

Es kann aber auch sein, dass ich bei Colmar in Richtung Basel abbiege, dann schalte ich auf Radio DRS, um mich einzustimmen. Hansjörg Schneider wartet auf mich in einer Beiz. Er will den nächsten Krimi über die Liebesgeschichte des letzten deutschen Kaisers schreiben. Wilhelm II. hatte einen Zweitwohnsitz im Elsass, die Hohkönigsburg … und eine elsässische Geliebte, Emilie aus Sélestat. Mit Hansjörg spreche ich Elsässisch, aber aus drei wird dann thru, um anzugeben.

Auf dem Rückweg besuche ich Heidi Knoblich in Zell im Wiesental. Auch mit ihr spreche ich Elsässisch, einfach so wie zu Hause. Ich möchte gerne mehr erfahren über Mozarts Frau, Constanze Weber, die in Zell auf die Welt kam. Heidi  hat über Constanze ein Buch geschrieben. Aber sie hat heute keine Zeit für mich.

Also zurück ins Elsass, Richtung Col de la Schlucht, wo ich wohne. In Colmar nutze ich die Gelegenheit, Oberbürgermeister Eric Straumann aufzusuchen. Ich habe gehört, dass er jedem impfbereiten Elsässer eine Flasche Riesling stiftet. Fake News. Schade. Aber ich habe noch eine Frage an ihn. Am 1. Januar wurde aus den Départements Haut-Rhin und Bas-Rhin die „collectivité européenne d’Alsace“. Etwas holprig zu Deutsch: Europäische Gebietskörperschaft. Beide Départements gehören aber seit fünf Jahren gleichzeitig zur Region Grand Est, von Belgien zur Schweiz, vom Rhein nach Paris.

„In zehn Jahren sind alle Elsässer zweisprachig“

Dies geschah ohne Volksbefragung. Das Elsass war einfach verschwunden. Die Elsässer rebellierten. Macron gab nach, keine katalanischen Zustände bitte. Die Elsässer dürfen jetzt allein entscheiden, ob sie die Bahnstrecke Colmar-Freiburg ausbauen oder nicht, ob sie bei Fessenheim mit den deutschen Nachbarn eine grenzüberschreitende Industriezone schaffen. Sie dürfen sogar – oh Wunder – die Deutsche Sprache im Elsass aktivieren. Ministerin Brigitte Klinkert prophezeit: „In zehn Jahren sind alle Elsässer zweisprachig.“

„Qu’en penses-tu Eric?“ Mit ihm spreche ich Französisch, obwohl er auch Elsässisch und Hochdeutsch parliert. „Botzgogo! Du stellst aber Fragen,  Martin“, antwortet monsieur le maire. Botzgogo ist ein elsässisches Zauberwort für eine unmögliche Frage. Der Präsident der wiedergeborenen Region Elsass, Frédéric Bierry, spricht leider weder Elsässisch noch Hochdeutsch. Botzgogo!

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