Fastnacht ohne Narren: Alternativen im Lockdown Land & Leute | 31.01.2021 | Wolfram Köhler, Tanja Senn

Brunnen Narr Brauunlingen_ Seetauglich ist das Bräunlinger Narrenschiff nicht, stattdessen läuft Wasser heraus und erinnert das ganze Jahr über ans lebendige Brauchtum.

Corona lässt die nächste Fastnacht ins Wasser fallen. Doch ganz auf närrisches Brauchtum muss der Narr nicht verzichten. Auf Spurensuche – real, medial, virtuell und digital.

Fastnachts- oder Narrenbrunnen sind mehr als museale, dekorative Denkmäler in den Hochburgen der Fastnacht. Diese Wohlfühloasen mit kommunikativer Funktion halten den Ausnahmezustand närrischen Treibens über die tollen Tage hinaus wach. Das Wasser schießt in Fontänen nach oben, plätschert und modelliert Wellenkreise auf den Wasserspiegel.

Doch ein Brunnen lebt nicht vom Wasser allein, wenn es denn fließt. Närrische Figuren aus Stein, Metall oder Holz geben sich ein Sit-in zwischen den Wasserspielen: Hexen, Hansele, Gretele, groteske Tiergestalten und Geister – bewehrt mit Schellen, Peitsche, Schweinsblase, mit Attributen also, um zu erschrecken. Die meisten Brunnen finden sich in der Region der schwäbisch-alemannischen Fastnacht: Freiburg, Kirchzarten, Oberried, Waldkirch, Elzach.

Solche Brauchtumsbrunnen sind Schauplätze für fastnächtlichen Mummenschanz und Rituale: Narrengericht wird abgehalten, die närrischen Tage durch Ersäufen heulend beendet, leere Geldbeutel symbolisch gewaschen (in Freiburg in den Bächle) oder eine Brunnenputzete veranstaltet. 

Emotionen digital vermitteln

Daneben können Narrenmuseen die Einschränkungen mildern: Nach dem Lockdown begrüßen etwa die Zunftstube Freiburg, die Oberrheinische Narrenschau Kenzingen oder die Schlossnarrenstuben Bonndorf wieder Besucher. Und wenn weiterhin alles dicht ist? Dann lassen virtuelle Fastnachtsmuseen die närrische Zeit im Netz aufleben.

Narr

Ganz vorne mit dabei ist Bad Dürrheim. Seit drei Jahren läuft hier ein Projekt, das das immaterielle Kulturgut digital erlebbar machen soll. Das Bundesprojekt umfasst neben Giganten wie dem Deutschen Museum in München oder den Staatlichen Museen zu Berlin auch die beiden großen Ausstellungsstätten der schwäbisch-alemannischen Fastnacht: den Narrenschopf in Bad Dürrheim und das Fasnachtsmuseum Schloss Langenstein.

„Normalerweise sieht man im Museum nur die statischen Figuren und hat daneben einen Text, den kaum jemand liest“, erklärt Roland Wehrle, Teilprojektleiter und Präsident der Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte. „Die Emotionen der Fastnacht, die Lebendigkeit, das große Gemeinschaftsgefühl, die ortsüblichen Rituale und Bräuche – das bekommt man so nicht vermittelt.“

Zusammen mit den Mitarbeitern des Narrenschopfs und Experten der Hochschule Furtwangen hat er das geändert: Mit VR-Brillen können die Besucher nun etwa in die Bach-na-Fahrt in Schramberg eintauchen. Im virtuellen Museum kann man von zu Hause aus in Bilder reinzoomen, sich Texte vorlesen lassen, Videos anschauen, eigene Bilder hochladen, über Themen diskutieren und sogar Teil einer virtuellen Fastnachtsband werden. „Es ist ein ganz anderes Erlebnis“, schwärmt Wehrle, „das ist fantastisch.“

Das bisher mit einer Million Euro ausgestattete Projekt wurde nun bis Ende 2021 verlängert und mit weiteren 500.000 Euro aufgestockt. Durch die Corona-Maßnahmen bekommen die digitalen Vermittlungsmöglichkeiten schließlich ganz neuen Zulauf. „Die virtuelle Fastnachtsband lief anfangs etwas sehr zäh“, berichtet der Fastnachtspräsident, „die Musiker wollten lieber gemeinsam spielen als digital. Durch den Lockdown nimmt es jetzt aber Fahrt auf.“

Was die Umsetzung solcher Maßnahmen angeht, sieht er die kleinen Museen sogar im Vorteil: Während die großen Häuser alles mit ihren Kuratoren und Gremien abstimmen müssen, gebe es im Narrenschopf kurze Wege. „Wir konnten nachweisen, dass die kleinen Museen mit gemeinnützigen Trägern einiges bewegen können, wenn sie entsprechend gefördert werden.“

Fotos: © Wolfram Köhler