„Mein Wecker klingelt erst um 6“ – Bäckerei Till und Brot Land & Leute | 12.01.2023 | Philip Thomas

Brot in einem Regal

Vor knapp einem Jahr hat Brotsommelier Till Gurka eine Bäckerei in Freiburg eröffnet. Jetzt stehen Kunden vor seiner Backstube im Stadtteil Brühl Schlange. Der 29-Jährige setzt auf Sauerteig, eine kleine Produktpalette – und für sein Handwerk ungewöhnliche Arbeitszeiten.

Till Gurka hat früh angefangen. Mit 13 Jahren, als Schülerpraktikant, arbeitete er das erste Mal in einer Backstube. Zwei Jahre später, im Alter von 15 Jahren, stand Gurka um 2 Uhr nachts auf, um seine Bäckerlehre anzutreten. Als sein Meister 2009 bei einer Mehlstaubexplosion schwer verletzt wurde, übernahm er notgedrungen den Ofen im Betrieb. Mit 20 Jahren wurde Gurka der jüngste Bäckermeister in Baden-Württemberg, leitete eine Backstube im Freiburger Stadtteil Wiehre.

Dabei ist Gurka eigentlich kein Frühaufsteher. Aber auch vier Jahre später, als Lehrgangsleiter und Ofentechniker für eine große Backwarenkette, klingelte sein Wecker mitten in der Nacht: „Ich war immer auf Abruf, das war eigentlich nicht mein Ziel.“ Danach heuerte Gurka bei einer Freiburger Kette an. Die Arbeitszeiten: 22 Uhr bis 6 Uhr morgens.

Der Drang, sich selbstständig und viele Dinge anders zu machen, wuchs. 2019 nahm dieser erste Formen an. „Ich habe ein Konzept erstellt, hatte lange aber keine passende Immobilie“, sagt Gurka. Der Gedanke, seine Brötchen bald mit eigenem Brot zu verdienen, erfüllte den 29-Jährigen allerdings nicht nur mit Freude: „Mein Kopf war voll, ich hatte Angst.“ Den Ausschlag gab schließlich seine Frau. Sie habe ihm den nötigen Schubs gegeben.

Am 17. Februar dieses Jahres war es dann so weit. Auf 230 Quadratmetern eröffnete „Till und Brot“ an der Freiburger Zita-Kaiser-Straße. „Ich hatte Schiss, dass ich mit 200 Broten dastehe und keiner kommt“, erinnert sich Gurka an den Tag. Ganz so schlimm sei es nicht gekommen, dennoch: Der Start von Till und Brot verlief schleppend, die Familie des Jungunternehmers half in der Filiale aus.

Doch bald verbreitete sich die Kunde vom guten Brot aus der Bäckerei – auch über die Grenzen der Baustelle Brühl hinweg. „Es hat dann schnell Fahrt aufgenommen“, kommentiert Gurka. Heute stehen Kunden vor der Filiale Schlange, auch ein ehemaliger Bundestrainer reiht sich dort regelmäßig ein. „Zu Stoßzeiten – um 12 und 16 Uhr – ist es verrückt“, so der Bäcker.

Till Gurka mit seinem Brot

Offene Backstube: Bei Till und Brot können Kunden in die Schüsseln schauen.

Bis zu 72 Stunden Teigruhe

Sein Geheimnis? In der Auslage liegt ausschließlich Sauerteigbrot ohne Hefe. „Das erfordert viel Zeit“, sagt Gurka. Bis zu 72 Stunden Ruhe gönnt der Bäcker seinem Teig, bevor es in den Ofen geht. „Damit wird der Teig saftig und Aromen können sich entwickeln“, sagt der geprüfte Brotsommelier. In dem Teig steckt außerdem jede Menge Übung: „Der Prozess ist relativ simpel, beruht aber auf viel Know-how und Erfahrung.“

Die Angebotspalette ist bewusst reduziert. Fünf Brotsorten hat Gurka im Angebot: malziges Roggen-, leicht säuerliches Steinmühlen-, nussig- rustikales Dinkel-Emmer-Brot, Baguette mit Mehl aus Strasbourg sowie ein wöchentlich wechselndes Brot. Für den süßen Zahn gibt’s Zimtschnecken und Schokoladenbrioche, für den großen Hunger auf Stein gebackene Pizza. 

350 Brote und 150 süße Teilchen backt Gurka am Tag. Die Backstube sei seine Spielwiese. „Hier kann ich kreativ sein und mich austoben: Sauerteigcroissant mit Zwetschge oder Apfel-Zimt, Dinkel-Roggen-Sonnenblumenbrötchen. Die Ideen gehen nicht aus“, sagt der Bäckermeister.

Mehreren Einzelhändlern hat Gurka laut eigener Aussage bereits einen Korb gegeben. „Das wäre schon lukrativ, aber ich habe alles abgelehnt.“ Supermarktregale könne er nur auf Kosten von Qualität befüllen. „Ich will mich auf den Laden konzentrieren. Das hier soll wachsen.“ Das hat seinen Preis: Gurkas Roggenbrot kostet 5,50 Euro, Weizenbrot 4,50 Euro, ein Baguette 3 Euro.

Der Ofen in Gurkas Backstube läuft heiß: „Ich backe das Baguette dreimal am Tag, damit die Leute die Chance haben, ein frisches abzugreifen.“ Auch deswegen macht Gurkas Laden verhältnismäßig spät auf: „Mein Wecker klingelt erst um 6 Uhr.“ Erst um 9 Uhr holt Gurka die ersten Brote aus dem Ofen. Der Bäcker sieht darin nur Vorteile: „Die Qualität der Produkte und meine Arbeitszeit sind besser. Wer kauft denn morgens um 6 ein Baguette? Das habe ich nie verstanden.“

Fotos: © Hella Schneider & Kai Mayer (wir machen glücklich); Philip Thomas; TillMakingOf