Das Ende einer Ära: Nach 34 Jahren hört Bernd Dallmann als FWTM-Chef auf Politik & Wirtschaft | 25.11.2017 | Lars Bargmann

„Dallmann“, meldete sich der gebürtige Niedersachse am Telefon. Man schrieb das Jahr 1984. Am Apparat war kein Unbekannter, es war Rolf Böhme. Der war zwei Jahre zuvor Oberbürgermeister von Freiburg geworden und brauchte nun einen fähigen Kopf, der die Landesgartenschau 1986 am Seepark organisierte. Bernd Dallmann sagte zu. Es gab einen Vertrag für drei Jahre. Es wurden 34.

Dallmann und Böhme kannten sich bereits. Böhme war 1978 als Parlamentarischer Staatssekretär bei Finanzminister Hans Hermann Matthöfer in die von Helmut Schmidt geführte Regierung berufen worden. Dallmann war von 1978 bis 1981 sein persönlicher Referent. Die beiden lernten, sich zu vertrauen.

Freiburgs oberster Wirtschaftsförderer war 1969 aus dem Norden zum Studium der Rechts- und Wirtschaftswissenschaften in den Süden gekommen, hatte 1973 hier sein Examen gemacht, war hernach Assistent an der Fakultät, hatte später auch seine Doktorarbeit in Freiburg geschrieben.

1981 wechselte er seinen Bonner Arbeitsplatz mit einem in der Region, arbeitete als kaufmännischer Leiter eines Pharmaunternehmens in Neuenburg, das aber an ein Schweizer Unternehmen verkauft werden sollte. In die Schweiz wollte Dallmann nicht. Da kam Böhmes Anruf gerade recht.

Die Landesgartenschau war Dallmanns erster Meilenstein bei der Stadtverwaltung. Als die Mammutveranstaltung geschafft war, machte er ein paar Monate Urlaub und schrieb seine Dissertation über die Kosten-Nutzen-Analyse von kommunalen Großveranstaltungen. Seine Arbeit wurde geschätzt, er bekam einen neuen Job, baute mit zwei Mitarbeitern die städtische Gesellschaft KTA (Kultur, Tagungen und Ausstellungen) auf – den Vorläufer der FWTM. „Ich hatte da keinen Vorgänger“, sagt Dallmann beim Kaffee in seinem Büro im Rotteckhaus. Er musste seinen Berufsweg selber pflastern. Heute hat die Freiburg Wirtschaft Touristik und Messe GmbH 140 Beschäftigte.

Damals und heute: Die Landesgartenschau am Seepark war Dallmanns erster Job in Freiburg.

„Im Laufe der Zeit wurden mir dann immer mehr Aufgaben übertragen, das Verkehrsamt wurde aufgelöst, das kam zu uns, Messen und Märkte, und die Wirtschaftsförderung. Das wurde das zentrale Thema, die Überschrift über meine Arbeit.“

Der Bau des Konzerthauses – „das hat der Böhme durchgesetzt“ –, die Tour-de-France-Etappe in Freiburg, der Bau der neuen Messe, aktuell der Kopfbau für die FWTM an der Messe, der entstehende Kreativpark in der Lokhalle, das fällt dem 66-Jährigen ein, wenn er Meilensteine benennen soll.

Das Wichtigste ist aber wohl der Mann selbst, einer, der ständig überlegt, wie er Freiburg vermarkten kann. Der seine Referentinnen von seinen Dienstreisen oder auch mal aus dem Urlaub mit SMS bombardiert, der die Formel Green City im Ausland erfolgreich vermarktet hat. Wer sind die Botschafter für den kleinen Standort im Inland? Die Universität, sagt Dallmann. Dann kommt lange nichts. Dann kommt eine gemütliche mittelalterliche Stadt, dann wieder lange nichts, dann der Sport-Club, und dann auch irgendwann Green City. „Im Ausland haben wir aber mit Green City im Vergleich zur Größe der Stadt eine einmalige Sichtbarkeit bekommen.“ Die Expo in Shanghai war der Durchbruch.

Vor zwei Jahren bekam der zweifache Familienvater von Wirtschaftsminister Nils Schmid die Wirtschaftsmedaille des Landes Baden-Württemberg übereicht. „Starke Regionen sind das Fundament eines starken Standorts, und für dieses feste Fundament haben Sie mit Ihrer Arbeit gesorgt. Ihr Engagement für den Standort Freiburg ist vorbildlich“, lobte der Minister.

Der Bart ging dann in den nächsten 34 Jahren verloren.

Dallmann eckt an, redet den Leuten in der Stadt nicht nach dem Mund, macht sich so seine Kritiker selbst, ist aber kreativ und ein Umsetzer. Die Biomed-Stiftung geht auf ihn zurück, die Wirtschaftsregion Freiburg (WRF), die Freiburg Management und Marketing International (FMMI, organisiert die ausländischen Intersolar-Messen), die Freiburger S-Wirtschaftsimmobilien (fwi), auch die Beteiligungsgesellschaft der Sparkasse. Der Bund hatte damals einen Wettbewerb Biovalley ausgeschrieben. Um da mitzumachen, brauchte es nicht nur tolle Gründer, sondern auch lokale Finanzierungsinstrumente – die es nicht gab. „Ich bin dann zur Sparkasse gegangen und habe vorgeschlagen, dass die Bank einen Fonds für Gründer auflegen soll.“ Die Geburtsstunde der S-Beteiligung, mit der die Bank heute zuverlässig siebenstellige Gewinne macht.

Das geht ohne Vertrauen nicht. Von Alt-Oberbürgermeister Böhme lernte der junge Dallmann, bei OB Dieter Salomon nutzte er die ihm gegebenen Freiräume. Kuriositäten? Als die Arbeiten zur neuen B31 begonnen wurden, war die Messe noch am Alten Messplatz. Die Planer hatten das offenbar nicht so auf dem Schirm. „Wir haben da vor großen Geröllhalden gespielt, der Umzug an den Flugplatz war unumgänglich.“ Es gab deswegen nicht nur eine Sitzung mit den Schaustellern.

Dann gab es da mal eine Wirtschaftsförderungsbroschüre des Landkreises Breisgau-Hochschwarzwald, der wie ein Rettungsring um Freiburg liegt. Auf dem Titel war in der Mitte ein weißes Loch. „Da stand nicht mal Freiburg drin“, erinnert sich Dallmann. Böhme setzte sich mit dem Landrat Jochen Glaeser zusammen. Das war das Initial für die WRF, die heute jährlich 200.000 Euro von ihren Mitgliedern für die Förderung der Wirtschaft in die Hand nehmen kann.

Dallmann musste nicht nur eine Klippe umschiffen, so stand etwa die Zuständigkeit für den Tourismus mal auf dem politischen Schachbrett zwischen SPD und CDU. Dallmann, einst mit SPD-Parteibuch im Jackett, kämpfte und gewann.

Für einen Wirtschaftsförderer ist Freiburg beileibe nicht das Mekka. Keine Industrie, geringe Kaufkraft, eine von einer Studie der Universität mal als wirtschaftsgleichgültig bezeichnete Stadt. „Es ist nicht mehr ganz so wie am Anfang, aber wenn heute der Beteiligungshaushalt aufgestellt wird, dann läuft die Wirtschaftsförderung da immer noch unter ferner liefen.“

Dallmann wird nach dem Ende seiner FWTM-Ära weiter bei der fwi arbeiten. Er hat einen unbefristeten Vertrag. Er will die 2. Auflage seines mit Michael Richter herausgegebenen Handbuchs der Wirtschaftsförderung schreiben. Und hat auch als Berater für Städte und Kommunen in Sachen Standortmarketing noch einiges vor. Gerade erst hat er einen Beratervertrag beim größten Deutsch-Chinesischen Ökopark in Qingdao unterzeichnet. Wie der ehemalige Umweltminister Klaus Töpfer.

„Ich sehe überhaupt nicht ein, dass man in meinen Alter nicht mehr arbeiten soll.“ Er habe ostfriesische Gene, da sei keiner unter 90 gestorben. Dallmann schaut in seine Aufzeichnungen. Er halte es mit Konfuzius: Wenn der Beruf Freude macht, dann musst du nicht arbeiten.

Seine beste und schlechteste Eigenschaft? „Das ist dieselbe, die Ungeduld.“ Die führe zuweilen zu einem unangemessenen Verhalten, sei aber der Motor seines Tuns. Und das ist vor allem Standortmarketing. Auch wenn in den Fernseh-Nachrichten zur Primetime Freiburg immer noch nicht auf den Wetterkarten zu finden ist. „Das habe ich nicht geschafft“, sagt er. Und mit einem Schmunzeln: „Und die Dreisam bis nach Breisach schiffbar zu machen, auch nicht.“

Fotos: © LGS GmbH, FWTM