Das politische Erdbeben von Freiburg: Newcomer Martin Horn deklassiert Routinier Dieter Salomon Politik & Wirtschaft | 17.05.2018 | Lars Bargmann

Martin Horn (33) ist vom 1. Juli an neuer Oberbürgermeister von Freiburg. Tags drauf wird er in sein Amt offiziell eingeführt. Der Außenseiter besiegte den Amtsinhaber Dieter Salomon (57) im zweiten Wahlgang haushoch. „Ich bin nach wie vor überwältigt von diesem sensationellen Ergebnis“, sagt Horn. Er sei sich der Verantwortung sehr wohl bewusst.

Salomon war am frühen Abend des 6. Mai 2018 konsterniert – völlig zu Recht. Wofür wurde er derart abgestraft? Schwer zu sagen. Zu sagen wäre, dass die Bürger offenbar einfach mal was Neues wollten. Einen anderen Typen. Den kriegen sie. Es hatte durchaus etwas Symbolkraft, dass Horn beim Saisonfinale im Schwarzwaldstadion nicht bei den very important persons saß, sondern zwischen ­EHC-Kapitän Philip Rießle und der frischgebackenen Aufsteigerin Léa Ouedraogo von den Eisvögeln auf der Südtribüne – stand. „Wir haben in der ersten Halbzeit gebibbert, und ich bin total froh, dass der SC erstklassig bleibt. Ein Riesenkompliment an die Mannschaft, Christian Streich und alle Mitarbeiter“, sagte Horn nach dem Schlusspfiff.

„Martin wer?“, hatten sich noch vor einigen Wochen die Freiburger gefragt. Der 33-Jährige machte sich bekannt, analog und digital. Er rief in der Redaktion an. Er kam vorbei. Wenige Tage vor der Entscheidung, er war sich für keinen Auftritt zu schade. Raus aus der Redaktion, rein in die PH. Und dann wurde sein ganz persönliches Märchen wahr.

Am 2. Juli um 16.15 Uhr wird er erstmals im Hauptausschuss des Freiburger Gemeinderats sitzen, am 10. Juli wird er zum ersten Mal in seinem Leben eine Gemeinderatssitzung leiten. Eine Schonfrist hat er nicht. Es stehen große Themen auf der Agenda in Freiburg: Das Stadion, der neue Stadtteil, die Wohnungsnot.

Für Horn ist aber zuvor das Wichtigste: „Ich muss ein Team um mich herum bauen, das harmonisch, eng und unbürokratisch mit mir arbeitet.“ Welche im Rathaus bekannten Köpfe darunter sein werden, welche neuen, „das wird man nicht zuerst aus der Presse erfahren“.

Er werde aber sein Wahlversprechen einhalten, in den ersten 100 Tagen mit seiner Runde durch die Stadtteile zu starten. Einmal im Monat wird er vor Ort sein. Zum Start in einer Tuniberg-Gemeinde.

»Ich habe keine 1000 Wohnungen in der Tasche«

Horn hat im Wahlkampf viele Ziele formuliert, jetzt muss er liefern. Vor allem im bezahlbaren Wohnungsbau. Das von ihm stets geforderte Leerstandskataster wird er veranlassen, dann aber womöglich bald merken, dass damit kaum etwas gewonnen wird. Die Freiburger Stadtbau reformieren? Die kommunale Gesellschaft ist sicher das entscheidende Vehikel im sozialen Wohnungsbau. Ob sie aber noch mehr machen kann, als sie jetzt schon macht, ist fraglich. „Ich habe auch keine 1000 Wohnungen in der Hosentasche“, sagt Horn. Im Dietenbach werde mit ihm aber nur gebaut, wenn der gemeinderätliche Beschluss von 50 Prozent sozialem Mietwohnungsbau dort auch umgesetzt wird. Es bleibt abzuwarten, wer diese – selbst von der Stadtbau als defizitär bezeichneten – Wohnungen dort bauen wird.

Spannend wird auch sein, wie Horn sich nun als Chef mit seinen erfahrenen Bürgermeisterkollegen und auch den Amtsleitern verhält. Er hat einen neuen Politikstil versprochen. Das ist glaubhaft – hatte übrigens Salomon vor 16 Jahren auch. Von einem Rathauschef wird aber hin und wieder auch ein Machtwort erwartet. Es ist eine schwierige Mission, die der neue Oberbürgermeister von Freiburg nach dem politischen Erdbeben vor sich hat.

Foto: © Fionn Große