Hoffen aufs Hilfspaket: Freiburger Clubszene geht in der Corona-Krise das Geld aus Politik & Wirtschaft | 19.06.2020 | Philip Thomas

Geschlossene Tür

Freiburgs Discos stecken schon lang in der Kurzarbeit. Nicht jedes Tanzhaus antwortet auf chilli-Anfrage oder sendet überhaupt ein Lebenszeichen. Schließlich brauchen sie den längsten Atem: Discotheken sind voraussichtlich die letzten Betriebe, die nach der Krise wieder öffnen.

Viele Freiburger Clubs könnten nicht mehr lange durchhalten: Streams bringen kaum Geld, viele Soforthilfen sind aufgebraucht und Rücklagen haben die Wenigsten.

Bei Sven Weis vom Verein Bretterbude, der jungen Freiburger DJs eine Plattform bietet, stehen die Plattensteller still. Bereits ohne Pandemie sei die Stadt für Clubs ein schwieriges Pflaster: „Pachten sind teuer und bereits ein Eintritt von fünf Euro schreckt viele an der Tür ab“, sagt er. Im Januar wurde der rund 30-köpfige Verein mit 7000 Euro vom Freiburger Kulturamt gefördert. „Bis
jetzt geht es uns noch gut“, so der 31-Jährige. Das Geld reiche bis Jahresende. Wie es danach weitergeht, wisse er nicht.

Er ist sich sicher: „Bei uns geht es erst wieder los, wenn der Impfstoff da ist.“ Vorher könne der Verein nicht ausschließen, dass sich im Nachtleben jemand ansteckt. „Das schlechte Gefühl würde mittanzen“, sagt Weis. Aktuell streamt er Workshops und kleine Konzerte. Im Januar hat der DJ eine EP herausgebracht. „Wegen Corona bin ich damit auf die Nase gefallen“, sagt er. Denn die wichtigen Bühnen beim Stadtjubiläum und Freiburg-Stimmt-Ein-Festival wird es nicht geben. „Und Online ist kein Ersatz“, betont der Musiker. Die Internetauftritte bringen dem Verein kaum Geld: „Das ist der Tropfen auf dem heißen Stein.“

„Streams sind Beschäftigungsmaßnahmen, um die Szene sichtbar zu halten“, erklärt Sergio Schmidt vom Verein Artik. Beim Vereins-Club Freizeichen an der Haslacher Straße wird die Miete von Bürgermeisterin Gerda Stuchliks Dezernat für Jugend und Bildung gezahlt. „Das ist ein Luxus“, so Schmidt, der im März 20 Minijobber und Werksstudenten in Kurzarbeit schicken musste. Rücklagen für Reparaturen seien aufgebraucht. „Viele Clubs haben gar kein Polster“, verrät er. Der JUPI-Fraktionschef plädiert daher für eine Freiburger Lösung: „Wir sollten nicht auf die Landespolitik hoffen.“ Viele Freiburger scheinen ähnlich zu denken: Bei einer Spendenaktion für das geschlossene Jazzhaus kamen bis zum Redaktionsschluss mehr als
21.000 Euro zusammen.

Zwei Männer in Clubszene

Mario Held vom Crash (links) und Sven Weis von Bretterbude.

Das Rathaus zahlt den Deckel nicht überall: Seit 1987 betreibt Mario Held das Crash an der Schnewlinstraße. Seit dem 9. März hält er den Keller geschlossen. Eine förmliche Aufforderung dazu habe der Geschäftsführer bis heute nicht bekommen: „Von der Stadt hat sich keiner bei mir gemeldet, es gab keinen Brief, nix.“ Alles, was er wisse, habe er in den Nachrichten erfahren. Der Kontakt mit dem Arbeitsamt und dem Land sei erfreulicher: „Ich habe sofort alles beantragt, Kurzarbeitergeld und Soforthilfe liefen reibungslos, Bombe.“

Die Zeit verbringe er damit, die Theke zu putzen und die nun ablaufenden Getränke zu entsorgen. „Wir leben von Woche zu Woche“, kommentiert der 60-Jährige. Übergangslösungen mit Sicherheitsabstand oder Stühlen sind für ihn keine Option: „Wir machen erst wieder auf, wenn wir 200 Leute in den Laden kriegen.“ Alles darunter sei nicht wirtschaftlich. Held ist optimistisch. Das nächste Konzert im Crash ist für September geplant: „Bis dahin müsste es Lockerungen geben.“ Ob die Sause stattfindet, steht in den Sternen: „Ich befürchte, dass Clubs als Letztes wieder aufmachen dürfen, Abstand ist die goldene Regel“, sagt Christoph Glück, Vorsitzender der Freiburger Geschäftsstelle des DEHOGA Baden-Württemberg. Ein Datum kennt er noch nicht.

Nur wenige Minuten vom Crash entfernt liegt das Neko. Geschäftsführer Pino Raia habe nach dem Lockdown schnell den Kontakt zum Eigentümer gesucht, seit dem 7. März sei die Pacht der Immobilie ausgesetzt. „Die 9000-Euro-Soforthilfe war sofort aufgebraucht, aktuell leben wir aus privater Hand“, sagt er. Insgesamt 50 Milliarden Euro hat der Bund für kleine Unternehmen und Selbstständige in der Krise bereitgestellt. Für Raia und viele Kollegen nicht genug. Der Unternehmer hofft auf das nächste Hilfspaket: „Ich weiß nicht, wie lange der Atem noch reicht.“ 

Fotos: © tln, pt, Sévérine Kpoti