„Nicht mehr nur Kleingeld“: Der SC Freiburg verpasst Rekordumsatz, punktet aber auch wirtschaftlich Politik & Wirtschaft | 17.11.2019 | Philip Thomas

Weniger Umsatz, ein geringerer Jahresüberschuss und gestiegene Personalkosten: Ein Jahr vor dem geplanten Umzug ins neue Stadion liegt der Sportclub Freiburg unter den Bestmarken aus dem Vorjahr. Neben der Baustelle am Freiburger Flugplatz werkelt der Verein zudem weiter an der Nachfolge von Ex-Präsident Fritz Keller.

„Satzungsgemäß leitet der Aufsichtsratsvorsitzende die Veranstaltung, wenn der Präsident verhindert ist“, eröffnete Heinrich Breit die Mitgliederversammlung des SC im Konzerthaus mit einem Scherz. Schließlich saß Fritz Keller, seit 1994 im Vorstand und bis zum 27. September Präsident des Vereins, im gut gefüllten Konzerthaus in der ersten Reihe. Der Winzer und die 840 Mitglieder (822 stimmberechtigte) hörten vom Podium positive Zahlen: Der SC hat in der vergangenen Saison 96,1 Millionen Euro eingenommen. Damit blieb er hinter dem Umsatzrekord der vorangegangenen Spielzeit von 100,3 Millionen Euro, verbuchte aber erneut einen Gewinn: 11,1 Millionen Euro waren es 2017/2018, 6,9 Millionen Euro in der abgelaufenen Saison. Das Eigenkapital wuchs zum 30. Juni 2019 auf üppige 83,2 Millionen Euro.

„Wir sind ein kerngesunder Verein. Sportlich, wirtschaftlich und strukturell ist der SC auf einem guten Weg“, fasste Finanzvorstand Oliver Leki zusammen. Bei den größten Einnahmequellen tritt der SC allerdings auf der Stelle: Neben Fernsehgeldern in Höhe von 45,2 Millionen Euro (Vorjahr: 43,2) blieben auch die Einnahmen aus dem Ticketverkauf und dem Sponsoring mit 10,9 (11,2) und 14,3 (13,3) Millionen Euro im Vergleich zum Vorjahr weitestgehend gleich. 25,7 Millionen stammen aus sonstigen Einnahmen, worunter auch die Transfererlöse fallen. Im Vorjahr standen hier noch 32,6 Millionen Euro zu Buche. Durch die neue Arena, so Leki, würde der SC „von medialer Vermarktung weniger abhängig“.

Der wachsende Verein kann den Platz gebrauchen. Das Schwarzwaldstadion ist praktisch jedes Heimspiel ausgelastet – und das bereits bei 24.000 verkauften Karten. Weniger Sitzschalen gibt es in der Bundesliga derzeit nur bei den Aufsteigern aus Berlin-Köpenick und der Fußballprovinz Paderborn. Schon bald könnten nicht einmal alle Mitglieder mehr ins Stadion an der Dreisam passen: 19.254 eingetragene Anhänger zählte der SC Ende Juni und damit 3500 mehr als zum Vorjahrszeitpunkt. Aktuell seien es sogar mehr als 22.000 – eine Steigerung von rund 30 Prozent zum Vorjahr.

Der Sportclub will die 65 Jahre alte Spielstätte aber auch nach dem Umzug nicht aufgeben und plant, den Bau an seine Frauen- und Mädchenteams abzutreten. Diese zogen mit der A-Auswahl ins Pokalfinale, trainierten laut Leki allerdings unter „schlechten Bedingungen“. Die Probleme sind bekannt: Daniel Kraus, Chefcoach der SC Freiburg Frauen, sprach nach seinem Amtsantritt im Sommer gegenüber dem chilli-Magazin von verbesserungswürdiger Infrastruktur und kollidierenden Trainingszeiten, wonach sich bis zu vier Mannschaften ein Feld teilen müssen. Ob der SC indes die Oberhand an der Schwarzwaldstraße behält, ist eine offene Frage.

Es gibt von vielen Seiten, etwa auch von den anderen Vereinen in der Nachbarschaft, Begehrlichkeiten. „Die Stadt muss einen ausgewogenen Vorschlag machen, was mit den Flächen des SC nach dem Umzug passiert“, sagte Gundolf Fleischer, Präsident des Badischen Sportbunds, unlängst bei einem Festakt zum 175-jährigen Bestehen der Freiburger Turnerschaft von 1844. Es könne nicht sein, dass der FT-Vorsitzende Norbert Nothhelfer in ein paar Jahren einen Aufnahmestopp verkünden muss. Das neue SC-Wohnzimmer am Freiburger Flugplatz soll neben 34.700 Plätzen auch Raum für Wachstum bei Werbeeinnahmen und Kartenverkäufen bringen. 75 Prozent aller Sponsorenmöglichkeiten seien schon verkauft. „Dort wollen wir angreifen“, kommentierte Leki.

Ovationen zum Abschied: Ex-Präsident Fritz Keller (Mitte).

Auch auf dem Platz möchte der SC weiter auf Sieg spielen: „Wir wollen uns weiter in der Bundesliga etablieren und den Abstand zum Mittelbau der Liga verringern“, so Leki. Die gestiegenen Personalkosten sollen sich schließlich rechnen: Der SC zahlt mittlerweile 45,2 Millionen Euro an Gehältern – fünf Millionen Euro mehr als im vergangenen Jahr.
„Der SC ist in der Lage, Spieler nicht mehr nur für Kleingeld zu holen“, sagte Leki in Anspielung auf den jüngsten Transfer von Vincenzo Grifo, der auf stattliche sieben Millionen Euro taxiert wird. Ebenso müsse man Fußballer nicht mehr beim erstbesten Angebot abgeben. Auf Weggänge müssten sich Fans in Zukunft aber trotzdem einstellen. Auch Cheftrainer Christian Streich funkte in einer Videomontage dazwischen: „Demut ist unsere Basis.“

Und junge Talente. Sportvorstand Jochen Saier bekannte sich trotz neuer Möglichkeiten auf dem Transfermarkt nicht umsonst zum Prädikat Ausbildungsverein. Der Sportökonom will die Fußballschule ausbauen und das Erfolgsmodell weiterführen. Zehn Kicker aus dem aktuellen Profi-Kader kommen aus der eigenen Fußballschule. Mit rund 5000 Einsatzminuten von Eigengewächsen in der vergangenen Hinrunde belegte der SC im Ligavergleich die Tabellenführung.

Weitestgehend einig: Mitglieder des SC.

Derweil will Ex-Kollege Keller in seiner neuen Rolle als Präsident des Deutschen Fußball Bundes (DFB) an ein paar Schrauben drehen. Beim größten Sportverband der Welt sei das konkret die Einstellung einer Frauen- und Genderbeauftragten. Auch beim SC wünscht sich Keller Veränderung. „Vielleicht ist besser, wenn der Aufsichtsratsvorsitzende, wie bei vielen anderen Clubs, gleichzeitig auch der Präsident ist“, überlegte er nach der Veranstaltung. Holger Rehm-Engel, Referent des Vorstands, wollte sich zu diesem Vorschlag gegenüber business im Breisgau nicht äußern.

Der Winzer selbst wünscht sich von seinem Nachfolger, mit Niederlagen und vielleicht auch mal dem Abstieg umgehen zu können. Für diesen Ernstfall haben Keller und Co. vorgesorgt: Neben Spielerwerten und einer Stadion-Rücklage von jeweils 30 Millionen Euro, verfügt der Verein über eine Sicherheitsreserve von 23,3 Millionen Euro.

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