Richter misstrauen Beratern: Lörrach und Weil müssen Vergabe neu ausschreiben Politik & Wirtschaft | 18.11.2018 | bar

Im Streit um die Stromnetze in Weil und Lörrach (wir berichteten) hat das Oberlandesgericht Karlsruhe (OLG) jetzt entschieden, dass die Städte die Partnerwahl für die Gründung von Netzgesellschaften neu aufrollen müssen. Die Begründung zeugt von einem Misstrauen gegenüber den bei der Vergabe mitwirkenden Beratern.

Kommunen dürfen ihre Stromkonzessionen nicht frei vergeben, sie müssen sie öffentlich ausschreiben. Gleiches gilt, wenn sie einen Partner für die Gründung von Stadtwerken oder Netzgesellschaften gewinnen wollen. Das allein könnte man schon als kräftigen Eingriff in die kommunalpolitischen ­Hoheitsrechte werten. Oder auch als Vehikel, um Korruption zu verhindern.
Wenn nun aber ein neutraler Berater bei der kommunalen Vergabe an einen privaten Partner beteiligt wird, der für eben diesen Partner schon gearbeitet hat – und sei es nur als Wirtschaftsprüfer –, dann geht womöglich nicht alles mit rechten Dingen zu. So zumindest bietet sich eine Lesart des Urteils an.

„Selbstverständlich bedauern wir die Entscheidung, die nun zu ­einer zeitlichen Verzögerung der Konzessionsvergabe führen wird“, kommentiert der Lörracher Oberbürgermeister Jörg Lutz auf Anfrage des Wirtschaftsmagazins business im Breisgau. Lörrach und auch Weil hatten sich für den Partner bnNetze GmbH entschieden, eine Tochter der Badenova AG. Unterlegen war die ED Netze GmbH (ED), eine Tochter der Energiedienst Holding. Und die war juristisch dagegen vorgegangen.

Wenn Kommunen solche Partner suchen, dann karren die Bewerber haufenweise Leitzordner an – mit Fakten. Nach deren Sichtung entscheiden dann die Gemeinderäte, respektive sie folgen einer Empfehlung eines dafür zuständigen Ausschusses. Ein externer Experte ist deswegen stets beteiligt, weil den Rathäusern geschultes Fachpersonal fehlt.

Deswegen muss die Kommune einen Experten verpflichten, und zwar bevor sie in ein solches Verfahren startet. Erst weit danach kommen die Bewerbungen, und wenn sich dabei dann herausstellt, dass einer der Bewerber auch mit diesem Experten arbeitet, kann man das angestoßene Verfahren künftig eigentlich gleich wieder in den Papierkorb werfen.

»Wir bedauern die Entscheidung«

Oder die Kommune sagt gleich, welchen Berater sie genommen hat, dann brauchen sich Bewerber mit gleichzeitigen Geschäftsbeziehungen zu diesem gar nicht erst zu bewerben. Ob das vom OLG so gewünscht wird?

Offenbar misstraut das Gericht der Unabhängigkeit des Sachverständigen. „Auf den Ausgang der Vergabeverfahren hatte der energiewirtschaftliche Berater der Anwaltskanzlei Einfluss, da er die Zuschlagsentscheidung der beiden Städte mit vorbereitet hat. Ein Interessenkonflikt wird schon dann angenommen, wenn die Möglichkeit einer Beeinträchtigung der Unparteilichkeit des Beraters besteht“, begründet das OLG seine Entscheidung.

Kurios wird es aber, wenn etwa in Rheinfelden auch ein Berater eines Bewerbers (ED) aufseiten der Kommune mitwirkt, der unterlegene Bewerber dies aber nicht angreift, wie es die bnNetze getan hatte. Dann hat das OLG gegen die Vergabe nichts zu sagen.

Die ED kann sich nun als Sieger des Stromstreits fühlen, denn sie selber kann in Rheinfelden weiter Strom verkaufen und in Weil und Lörrach auf jeden Fall noch ein Jahr lang verdienen – denn so lange mindestens dauert eine neue Vergabe. Zudem hat sie womöglich Einblick in den Vorteil gewonnen, mit dem sich Badenova in Lörrach und Weil durchgesetzt hatte. Dem Antrag der ED auf Ausschluss der bnNetze von den beiden neuen Vergabeverfahren folgte der OLG-Senat hingegen nicht. Eine Revision ist unzulässig.

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