Sorgenkind Italien: Der Wirtschaftsweise Lars P. Feld über Europa Politik & Wirtschaft | 15.07.2018 | Lars Bargmann

Italien ist das Sorgenkind in Europa. So sieht es nicht nur der Wirtschaftsweise Lars P. Feld, der in Freiburg unlängst über Europa, über Macron, Merkel und Meseberg sprach.

Schon vor sieben Jahren, Feld war damals auf Vorschlag der Bundesregierung in den renommierten „Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung“ berufen worden, hatte der Rat ein erstes Papier für einen Schuldentilgungspakt in Europa vorgelegt. Und die europäischen Schulden sind weiter ein zentrales Thema. Dann kam die What-ever-it-takes-Rede von Mario Draghi in London im Jahr 2012, das ungehemmte Ankaufen von Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank und der damit verbundene Niedrigzinszustand, der heute nicht nur Sparkassen und Volksbanken schwer belastet, sondern vor allem den Sparer bestraft.

„Die Verschuldung in Europa, das ist weiter das Problem. Wir haben die Niedrigzinsphase nicht genutzt, um Schulden zu reduzieren“, sagte Feld. Deutschland werde in diesem Jahr bei einer Schuldenquote von 60 Prozent landen: „Es hilft, dass wir längere Zeit keine Regierung hatten, das hat den Haushalt entlastet.“ Frankreich hat schon 100 Prozent, Italien über 130, die USA rund 150, Japan erstaunliche 250 Prozent.

Das Sorgenkind der EU ist aber in diesen Tagen Italien, das nach China und den USA in absoluten Zahlen dritthöchst verschuldete Land der Welt. In dem nun die neue Regierung die Steuern senken und die Staatsausgaben erhöhen will. „Die Wachstumswirkung von Infrastrukturmaßnahmen ist allenfalls mäßig“, kritisiert Feld. In Italien gibt es seit 1997 faktisch ein negatives Produktivitätswachstum, „dann noch zu behaupten, dass mehr Geld für den Straßenbau ausgegeben werden muss, ist schlicht idiotisch.“ Bei solchen Ausgaben profitiere viel zu häufig die Mafia – und nicht die Volkswirtschaft.

»10 Prozent auf alles außer Tiernahrung«

Und wer glaube, dass sich Steuerreformen selbst finanzieren, gehe nun mal fehl: „Die haben sich noch nie selbst refinanziert.“ Der Wirtschaftsweise lobte Irland („die haben sich gut bewegt“) und auch Griechenland, auch wenn anders lautenden Meldungen zufolge die EU dort „massiv auf Kapital verzichtet“ habe.

Der massiven Verschuldung Italiens (das Liquiditätserfordernis liegt aktuell bei einem dreistelligen Milliardenbetrag) steht derweil eine reiche Gesellschaft gegenüber: „Da wäre viel zu holen.“ Wie? Durch die Wiedereinführung der unter Berlusconi abgeschafften Erbschaftssteuer etwa. „Vernünftig wäre, zehn Prozent auf alles außer Tiernahrung“, so Feld. Wenn sich Italien auf einen Reformkurs zubewegen wolle, müsse aber zuvorderst die italienische Gerichtsbarkeit reformiert werden – und daran sind bisher alle Ministerpräsidenten gescheitert.

Die ausgestreckte Hand Macrons für ein neues Europa, für eine neue Währungsunion begrüßt Feld. Es sei bezeichnend, dass Merkel dazu monatelang nichts gesagt und dann in einem Interview mit der FAS erstmals geantwortet habe. Die Meseberger-Erklärung Mitte Juni? „Schadet nicht viel, hilft aber auch nicht viel“, sagt Feld. Die Ergebnisse des Euro-Gipfels Ende Juni? Geringe Erwartungen könne man nur schwer enttäuschen. Deutschland und Frankreich hätten Wege zu einem europäischen Kompromiss aufgezeigt, aber Niederländer, Finnen, die baltischen Staaten, das wankelmütige Österreich – es steht dahin, ob diese Wege gemeinsam beschritten werden können.

Ein europäisches Finanzministerium und dann noch mit Durchgriffsrechten in die Staatshaushalte, davon hält Feld „überhaupt nichts, das ist schlicht abwegig“. Italien wolle Geld, ohne dafür aber irgendeine Art von Verpflichtungen einzugehen. Eine Bankenunion ohne Druckmittel gegen Italien werde es indes nicht geben.

Doch auch vor der eigenen Haustür gebe es ausreichend Probleme, wie die Auseinandersetzungen zwischen CDU und CSU zuletzt gezeigt haben: „Ich wünsche uns allen noch viel Glück mit der Bundesregierung.“

Foto: © Deutsche Bundesbank