Tote Ziege, kranke Kuh: Zwei Freiburger bieten skurrile Lernhilfen Politik & Wirtschaft | 09.12.2017 | Till Neumann

Sehen. Merken. Meistern. Mit dem Ansatz wollen zwei Freiburger das Medizinstudium revolutionieren. Michael Seifert und Paul von Poellnitz bieten mit ihrem Start-up „Meditricks“ fantasievolle Lernhilfen: animierte Zeichnungen, die komplexe Sachverhalte erläutern. Eine Frage müssen sie immer wieder beantworten: Nehmt ihr Drogen?  

Zeichne eine Ziege, die einen epileptischen Anfall kriegt. Aufträge wie diese bekommen die Zeichner von Meditricks. Die Bilder des Start-ups sind gespickt mit skurrilen Ideen: Ein Stier namens Herr Metzger mimt einen Boxer. Ein Hahn namens Herr Bauer zündet der neben ihm stehenden Kuh Frau Veterinärin eine Thermometer-Zigarette an.  

 „Kranker Scheiß“, sagt Paul von Poellnitz und lacht. Der 30-Jährige leitet mit Michael Seifert (29) das Unternehmen. Die zwei Mediziner wollen Studenten das Leben leichter machen. Ihre Bilder, teilweise animiert und mit Sounds unterlegt, liefern Eselsbrücken zu Fachausdrücken. Das Q-Fieber wird die „Kuh mit Fieber“. Der Erreger Coxiella burnetti wird zum „burnenden Cock“, also dem Hahn, der das brennende Feuer reicht. Und die Ziegengrippe wird zum „Ziegengerippe“. So erläutern sie in einem kurzen Video die Begriffe zu intrazellulären Erregern. 80 Stück gibt es davon mittlerweile. Zudem 150 Bilder und ein Buch.

„Wenn man sie immer und immer wieder anschaut, ist das bombenfest“, betont Seifert. Das vergesse man nie wieder. „Man lernt sehr viel effektiver und nachhaltiger“, ergänzt Poellnitz. Nicht nur sie sehen das so: Etwa 2500 aktive Nutzer haben sie zurzeit. Rund 2000 Mal werden ihre Lernvideos auf der Mediziner-Plattform „Amboss“ täglich abgespielt.

Einer der Kunden ist Julian Wurm. Der 30-Jährige studiert in Freiburg Medizin. „Viele Infos im Studium ähneln sich“, sagt er. Die Videos von Meditricks helfen ihm dabei, Begriffe auseinanderzuhalten: „Das ist wie ein Anker im Gedächtnis.“ Er spare Zeit, nach zwei, drei Mal Anschauen habe er die Begriffe im Kopf. Gut sei auch die Reduktion. Nur das Wichtigste werde erklärt.  

Hahn mit Feuerzeug: Der „burnende Cock “ steht für den Erreger Coxiella burnetti.

Wie nervenaufreibend das Studium ist, wissen die Meditricks-Macher bestens. Im Studium haben sie selbst Lernhilfen gesucht und Merkbilder gefunden. Seifert stolperte in den USA drüber, Poellnitz entdeckte eine Grafik zu Kinderkrankheiten – ebenso aus den Vereinigten Staaten. So begannen sie, Zeichnungen anzufertigen und diese an Freunde weiterzugeben. Die Geschäftsidee entstand.

Im Sommer haben sie ein EXIST-Gründerstipendium über 137.000 Euro erhalten. Mehr als 20 Mitarbeiter umfasst das Meditricks-Team dank der Starthilfe mittlerweile. Drei davon arbeiten in Vollzeit. Für die beiden Chefs ist es „Luxus“, sich nur darauf konzentrieren zu können. Bis vor einigen Monaten waren sie noch in anderen Jobs tätig: Seifert forschte an der Uniklinik im Bereich Molekularbiologie. Poellnitz arbeitete in einer Hausarztpraxis in Todtnau. Meditricks betrieben sie nebenher.

In Todtnau hatte Poellnitz ein Schlüsselerlebnis: Bei einer Patientin entdeckte er Sarkoidose, auch Morbus Boeck genannt. Eine seltene Krankheit. Dazu hatte er einst selbst ein Schaubild gezeichnet, bei der ein Ziegenbock beerdigt wird. „Sark“ wurde zum Sarg. Boeck zum Ziegenbock. Eine einprägsame Kombination.

Trotz der intensiven Gründungsphase haben die beiden Spaß. Die Team-Chats zur Ideenfindung sind megawitzig, berichten sie. Eine Frage kommt regelmäßig: Nehmt ihr Drogen? „Natürlich nicht“, sagen die beiden und lachen. In ihrem Büro stehen lediglich Clubmate und Ginger Beer. Alkoholfrei. Bei so vielen verrückten Ideen brauchen sie einen klaren Kopf.   www.meditricks.de  

Foto: Till Neumann / Illustrationen: © Meditricks