Was ist los in den USA? Elmar Theveßen bei neuer Reihe im Carl-Schurz-Haus Politik & Wirtschaft | 13.03.2021 | Hendrik Sexauer

Die Türen bleiben geschlossen, die Stühle stapeln sich in der Ecke. Kulturzentren wie das Carl-Schurz-Haus profitieren im März nicht von ersten Corona-Lockerungen. Transatlantische Kultur und Politik findet dennoch statt: online. Diese Woche sprach Elmar Theveßen über die USA.

„Als kleine Freude in dieser ganzen Misere holen wir uns jeden Dienstag internationale Top-ExpertInnen in den virtuellen Raum.“ So beschreibt Friederike Schulte (Bild oben), Direktorin des Carl-Schurz Haus, die Idee der neuen Talkreihe „Transatlantic Tuesday“.

Nicht in das ZDF-Studio Mainz, sondern in die Freiburger Eisenbahnstraße hat sich am 9. März daher der Washington-Korrespondent Elmar Theveßen geschaltet; live aus D.C. Unter dem Titel „Verdammt zum Erfolg“ berichtete er den 70 ZuhörerInnen von seinen Erlebnissen am 6. Januar; vom Sturm auf das Kapitol. Harmlos seien die zerstörten ZDF-Scheinwerfer gewesen: „Noch mehr Blut hätte fließen können bei diesem Sturm auf das Allerheiligste der Demokratie“, sagt Theveßen.

Obwohl Biden als amerikanischer Präsident vereidigt und Trump das Twitter-Recht entzogen wurde: Die USA seien nicht zurück zu „Friede, Freude, Eierkuchen.“ Zur Präsidentschaftswahl 2020 reiste der ZDF-Korrespondent mit Kamerateam und Wohnmobil von Arizona quer durch 13 Bundesstaaten bis in die Hauptstadt. Er begegnete Sorgen vor Corona und Einwanderung, vor Rassismus und Polizeigewalt sowie wirtschaftlichen Ängsten: in Kentucky denen der Kohlekumpel und in Texas jenen der Ölfördernden.

Fortschritte müssen greifbar sein

Krisen über Krisen. „Medizinische, wirtschaftliche, rassistische, demokratische und klimapolitische Krisen fordern Lösungen von der neuen Biden Regierung“, analysierte Theveßen. Doch der neue Präsident sei gekoppelt an einen schnellen Bruch der Republikanischen Partei mit der Ära Trump: „Der Erfolg Bidens ist abhängig vom republikanischen Willen zur Gestaltung und der Standhaftigkeit republikanischer PolitikerInnen gegenüber trumpischer Anfeindung“, sagt Theveßen. Spätestens zu den Kongresswahlen im November 2022 müssten Fortschritte greifbar sein – und zwar außerhalb demokratischer Küstenhochburgen, in den Weiten des Landes, bei Trumps Kernwählerschaft.

ZDF-Experte: Elmar Theveßen kommentiert die Ausschreitungen am Kapitol in Washington.

Die extreme Polarisierung der US-Gesellschaft zwischen Roten und Blauen, Stadt und Land, und eine Ignoranz gegenüber den tatsächlichen Standpunkten der feindlichen Seite erschwere jeglichen Fortschritt. Das erlebt auch das Carl-Schurz-Haus, wo Parteidebatten zwischen Demokraten und Republikanern unmöglich geworden sind. Über Nacht polarisiert sich keine Gesellschaft. Auch trägt Trump nicht die alleinige Schuld. Theveßen fasst die Gründe des gesellschaftlichen Auseinanderdriften dennoch zusammen: „Über die letzten 20 Jahre ist der American Dream untergegangen.“

Freiburger Interesse ist da

Das deutsche Publikum mahnt der Leiter des Washingtoner Studios nicht erst über den Atlantik zu blicken, wenn das Drama da ist. Die amerikanische Bekämpfung nationaler Probleme definiere die US-Führungsrolle im internationalen Konflikt zwischen Autoritarismus und liberaler Demokratie.

Ungebrochen bleibt das Freiburger Interesse an US-Politik, sagt Friederike Schulte, Leiterin des Carl-Schurz-Hauses. Die Pandemiebewältigung, die QAnon-Bewegung, Trumps politische Zukunft: „Da ist so viel Dynamik drin. Das Trauma ist noch nicht verarbeitet. Die Umwälzungen kommen erst noch.“ Optimistisch bleibt man in Washington. Die Ernennung einer Indigenen zur Innenministerin sei vor fünf Jahren noch unmöglich gewesen. Fazit Theveßens: „Amerika kann es schaffen.“

Auch wenn es draußen wieder heller und wärmer wird, Elmar Theveßen mit Mainz und nicht mit Freiburg verkabelt ist, „im Carl-Schurz Haus werden die großen, transatlantische Stimmen weiter zu hören sein“, versichert Schulte. So auch am kommenden Dienstag, 16. März. Die US-Autorin Julia Philipps und ihr auf Kamtschatka spielender Debütroman „Disappearing Earth“ möchte die Russland-USA-Beziehungen neu denken; weit über Putin-Biden hinaus.

Transatlantic Tuesday

Noch bis zum 27. April lädt das Carl-Schurz-Haus dienstags ab 19 Uhr zu digitalen Diskussionen, Lesungen und Gesprächen ein. Zu Gast sind internationale ExpertInnen aus Literatur, Wissenschaft und Politik. Anmeldungen sind online möglich auf www.carl-schurz-haus.de/veranstaltungen

Bilder: © Screenshot & ZDF