Voluntourismus: Nicht alle Angebote sind seriös STADTGEPLAUDER | 27.03.2022 | Till Neumann

Nina Zeindlmeier und Mareike Köglmeier

Nach dem Abi ins Ausland – am besten nicht nur reisen, sondern auch etwas Gutes tun. Den Gedanken haben viele. Sie verbinden Tourismus mit freiwilligem Engagement (Volunteer). Doch Hilfsorganisationen und zwei Verbraucherschützerinnen warnen: Man sollte genau hinschauen.

In einem Kinderheim in Südamerika mitmachen. Bedrohten Tieren in Afrika helfen. Strände säubern in Sri Lanka. Ehrenamtliche Tätigkeiten wie diese werden zuhauf angeboten. Junge Menschen können so einen Trip in ferne Länder mit sinnvoller Arbeit verbinden. Voluntourismus nennt man die Kombination.

Doch das richtige Angebot zu finden, ist nicht einfach. Im Unterschied zu einem Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) oder dem Bundesfreiwilligendienst (Bufdi) gibt es für Voluntourismus keine festen Standards. Das geht bei der Dauer los: „Viele Anbieter werben mit Flexibilität: Du kannst mehrere Wochen am Stück helfen oder nur ein paar Tage während deines Urlaubs“, informiert die katholische Hilfsorganisation Malteser. Doch: „Ein richtiger kultureller Austausch erfordert Zeit und Anstrengung.“ Es sei daher sinnvoll, sich als Voluntourist so viel Zeit wie möglich zu nehmen, um nachhaltig zu helfen und authentische Einblicke in die Gesellschaft zu bekommen.

Nina Zeindlmeier und Mareike Köglmeier vom Europäischen Verbraucherzentrum (EVZ) in Kehl raten ebenfalls zur sorgfältigen Planung. Das fange mit der Auswahl der Anbieter an: „Wichtig ist, mit wem man den Vertrag schließt“, sagt Juristin Köglmeier. Sei das nur ein Vermittler, sollten Interessierte nachfragen. Überprüfen könne man das mit einem simplen Abgleich: Ist der Vertragspartner identisch mit dem Verantwortlichen der Webseite im Impressum? Köglmeier rät dazu, die AGBs zu lesen. „Auch wenn das keiner gerne macht.“

Auch ihre Kollegin Nina Zeindlmeier empfiehlt einen kritischen Blick: „Ich habe Bock, ins Ausland zu gehen, google das und klicke auf das, was aufpoppt.“ Da seien tolle Fotos zu sehen von Tieren oder Kindern im Ausland. „Auf einem Button steht dann: Bewirb dich jetzt.“ Doch dahinter stünden in der Regel Reiseanbieter. Zeindlmeier bezweifelt, dass die Kompetenzen der Interessierten geprüft werden. Sie betont: „Wir sagen nicht, dass kommerzielle Anbieter per se schlecht sind – man sollte sich einfach genau anschauen, wer was anbietet.“

Die Kosten sind ein Knackpunkt: „In der Regel zahlst du zwischen 1000 und 4000 Euro für einen Urlaub mit Freiwilligendienst“, informieren die Malteser. Manchmal müsse der Flug selbst gebucht werden, Unterkunft und Verpflegung seien in der Regel inklusive. Mareike Köglmeier rät auch hier, sich schlauzumachen. „Bei Preisen fehlt oft die Transparenz.“ Man wolle ja, dass das Geld für einen guten Zweck auch ankommt. Wenn dafür die Aufschlüsselung fehle, sollte man nachfragen. Das gelte auch für die Unterkunft vor Ort. Wohne ich in einer Ein-Zimmer-Wohnung oder in einer 10er-WG?

Auch die EVZ-Expertinnen warnen vor zu kurzen Einsätzen: Für zwei Wochen ans andere Ende der Welt zu fliegen, um mit Kindern zu arbeiten, das sollte man sich gut überlegen. „Menschen müssen sich auch aneinander gewöhnen, sonst ist es kontraproduktiv“, sagt Zeindlmeier. Entscheidend sei, ob man beispielsweise schon Vorerfahrungen mitbringt und wie die Sprachkenntnisse sind. Hilfreich bei der Entscheidung könnten Erfahrungsberichte anderer sein – wobei auch die im Netz gefälscht sein können. Nichts gehe daher über einen Anruf beim Anbieter, sagt Mareike Köglmeier: „Erzählen sie mir dort nur wischiwaschi – oder ist das wirklich überzeugend?“

Hilfe bei Problemen
Das Europäische Verbraucherzentrum Deutschland in Kehl bietet eine kostenlose außergerichtliche Schlichtung an. Sie kann bei grenzüberschreitenden Konflikten innerhalb der EU helfen – auch bei Voluntourismus. Im Podcast „Hilfe, ich will doch nur helfen“, nehmen sie Angebote genauer unter die Lupe: bit.ly/f79_voluntourismus.
Auch die Malteser haben Tipps zu Voluntourismus online zusammengestellt: bit.ly/f79_malteser.

Foto: © EVZ