Zu schade für die Tonne: Wie Freiburger Lebensmittel retten und teilen Wirtschaft | 18.06.2022 | Jana Hamberger

Ein Mann der verschiedene Lebensmittel aus einem Pappkarton herrausholt

Lebensmittelverschwendung entgegenzuwirken – das hat sich die Initiative Foodsharing Freiburg zur Aufgabe gemacht. Doch wie funktioniert die Essensrettung konkret? Was hat das grüne Fahrrad gegenüber der Unibibliothek damit zu tun? Und welche Tipps gibt es für nachhaltigen Konsum?

„In Deutschland werden jährlich 15 Millionen Tonnen Lebensmittel weggeworfen. Das sind 500.000 Lastwagen. In einer Reihe würden sie von Berlin bis Peking reichen“. Mit diesen Worten beginnt die Dokumentation „Taste the Waste“ des Journalisten Valentin Thurn aus dem Jahr 2011. Ein Jahr später wird Thurn einer der Gründer der Online-Plattform foodsharing.de. Mittlerweile können in vielen Städten damit Lebensmittel vor dem Müll gerettet werden – auch hier in Freiburg.

David Bachmann ist 29 Jahre alt und promoviert in Theoretischer Physik. Bei Foodsharing Freiburg engagiert er sich seit 2014. Er ist einer von fünf Botschafter*innen der Initiative im Breisgau. Dabei ist ihm wichtig, dass es sich bei Foodsharing Freiburg nicht um einen Verein handelt. Trotzdem gilt es, Organisatorisches zu erledigen und für reibungslose Abläufe zu sorgen. Dafür sind David und seine Kolleg*innen da.

„Wir kümmern uns darum, dass am Ende des Tages so wenig essbare Lebensmittel wie möglich wirklich in der Tonne landen“, sagt Bachmann. Stattdessen würden sie verteilt und könnten so noch von Leuten verwendet werden. Dazu organisiert sich die Initiative über die Internetplattform foodsharing.de. „So koordinieren wir Abholungen bei unterschiedlichen Betrieben, Supermärkten, Restaurants und Bäckereien in Freiburg“, erklärt der Freiburger.

Lebensmittelverschwendung ist auch in Deutschland ein Problem. Pro Jahr werfen Bürger*innen circa 75 Kilogramm Nahrungsmittel weg – rund die Hälfte wäre noch zum Verzehr geeignet. Die vielen Abfälle belasten das Klima. Denn Lebensmittel herzustellen, verbraucht Ressourcen, genauso wie, sie zu entsorgen. „Um eine konkrete Zahl für Freiburg zu nennen, sind wir ungefähr bei einer Tonne weggeworfener Lebensmittel am Tag“, sagt Bachmann.

Foodsharing startete im Jahr 2012. Zu Beginn bot die Plattform die Möglichkeit, Essenskörbe zu teilen. Wenig später kamen immer mehr gewerbliche Lebensmittel aus Kooperationen mit Supermärkten hinzu. Auch heute noch können auch Privatpersonen Foodsharing betreiben und dazu die öffentlich zugänglichen Fairteiler nutzen.

„Hier in Freiburg hat es eigentlich relativ früh nach der allgemeinen Gründung von Foodsharing Deutschland angefangen”, berichtet Bachmann. Ende 2013 habe es die ersten Kooperationen mit ein oder zwei Supermärkten gegeben. „Da waren wir natürlich noch sehr klein, das hat eher ein bisschen als Freundeskreis und familiäres Ding begonnen“, sagt der Lebensmittelretter.

Ein grünes Fahrrad mit Einkaufsbehälter vorne und hinten.

Zum Mitnehmen: Auch im grünen Rad bei der Unibibliothek liegen Lebensmittel der Foodsharer.

Mittlerweile ist die Initiative in Freiburg auf rund 3000 Mitglieder angewachsen. 500 bis 600 sind aktiv. Bachmann erklärt: „Mit Betrieben werden Kooperationen geschlossen.“ Die Firmen spenden Lebensmittel, damit die Initiative sie weiterverteilen kann.

Um die Ware aus den Betrieben zu holen, ist die Initiative auf Foodsaver*innen angewiesen. Wer einsteigen möchte, muss zunächst ein Online-Quiz absolvieren. Außerdem erfolgen drei Probe-Abholungen, bei denen neue Foodsaver*innen erfahrene Kolleg*innen begleiten. Daraufhin erhalten die Foodsavenden einen Ausweis, der sie dazu berechtigt, Lebensmittel aus Betrieben abzuholen.

Die Lebensmittel werden bedingungslos weitergegeben, oberstes Ziel ist, dass sie gegessen werden. Dabei wird laut Bachmann „nicht etwa der Sozialausweis überprüft, um festzustellen, ob eine Person bedürftig ist“. Zu den Fairteiler-Stellen können alle Lebensmittel bringen oder sie von dort mitnehmen.

Insgesamt existieren 17 Fairteiler in und um Freiburg, einige sind in der Innenstadt. So verstecken sich etwa in den Körben des grünen Fairteiler-Fahrrads gegenüber der Unibibliothek oft Obst, Gemüse oder Brot.

Möglichkeiten, sich zu engagieren, gibt es viele: „Wir haben eine Liste auf der Website mit allen Betrieben, wo gerade Helfer gesucht werden“, erklärt Bachmann. Man könne sich in die Teams eintragen. Auch die Instandhaltung von Fairteilern kann von Helfenden übernommen werden.

Für die Organisation von Events braucht es ebenfalls helfende Hände. „Ab Mai soll es in Kooperation mit der Stadt Freiburg und im Hinblick auf die Sustainable Development Goals der UN eine Nachhaltigkeitsrallye geben. Wir tragen unseren Teil dazu bei, indem wir eine Rallye-Station in Form eines Fairteilers haben“, sagt Bachmann.

Seit Januar gibt es auch ein Foodsharing- Café in Freiburg. Das Strandcafé in der Adlerstraße verwandelt sich jeden Donnerstag in einen Ort, an dem Getränke nach dem Motto „Zahl, was du kannst“ verkauft werden und Lebensmittel aus dem Fairteiler direkt im Café bezogen werden können.

Zu guter Letzt hat David Bachmann Tipps für nachhaltigeren Konsum. Er rät zu einer Einkaufsliste. So lasse man sich weniger von Sonderangeboten verleiten. Er ist überzeugt: „Wir können durch unsere Kaufentscheidungen dazu beitragen, dass die Angebotspalette nachhaltiger wird, indem wir Bio-Produkte kaufen.“ Wer sich gut überlege, was er kaufe, zahle auch dann nicht unbedingt mehr.

Fotos: © iStock.com/PIKSEL, Jana Hamberger